Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung. Bernd Schmid

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Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung - Bernd Schmid

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zu ihren Kompetenzen und Entwicklungswünschen. Wegen der gesundheitlichen Belastungen der Frau des Meisters der Fa. Adrett muss neuerdings auch die Essensversorgung der Belegschaft durch eine andere Person bewerkstelligt werden. Zudem müsste nun der Haushalt viel selbständiger versorgt werden. Die Idee, Frau Flink könnte zusätzlich das Kochen übernehmen, greift bei ihr nach einigem Zögern, ob sie sich das zutrauen könne. Mit ihren ersten Versuchen findet sie Beifall bei der Belegschaft.

      Vier Dimensionen sind für die Passung von besonderer Bedeutung und oft Ursachen dafür, dass mit Differenzen zwischen IST und SOLL nicht sinnvoll umgegangen wird.

      1.2.1 Individuelle Kernkompetenzen und Funktion

      Kernkompetenzen beinhalten eine im weitesten Sinne »unternehmerische, wirklichkeits-konstruierende« Kraft. Mitarbeiter, die nicht ihren Kernkompetenzen entsprechend eingesetzt sind, entwickeln deshalb – meist unbewusst – »Schwarzmärkte«, in welchen ihre Kernkompetenzen, aber auch andere kerngeschäftsferne Interessen ihren Ausdruck finden können. Dies ist eine »ergiebige« Quelle von Effektivitätsverlusten bezogen auf die eigentlichen Geschäftszwecke einer Organisation.

      Es liegt in der Natur der Sache, dass die Abstimmung zwischen angedachter und »gelebter« Funktion nie 100-prozentig sein kann. Abweichungen sind natürlich und für die Lebendigkeit und Lernfähigkeit einer Organisation wichtig. So scheint es manchmal sogar, dass Organisationen in Innovationsprozessen, die wenig an die vorhandene Kultur und an verfügbare Ressourcen anschließen, oft nur dank erheblicher »Schwarzmarktaktivitäten« im Sinne des Kerngeschäftsverständnisses der Mitarbeiter überhaupt überleben können. Dennoch sollte zugunsten der offenen Klärung und Steuerbarkeit »Weißmärkten« der Vorzug gegeben werden. »Weißmärkte« meint, dass die Personen ihre Kernkompetenzen in den Dienst der offiziellen Wertschöpfungsprozesse stellen können.

      Wenn Mitarbeiter ihre Funktion nicht oder nicht mehr so gut ausfüllen, wie das für die Organisation erforderlich ist, denkt man leicht an fehlende persönliche Motivation, Loyalität oder Kompetenz. Seltener werden Entwicklungen im Passungskreis näher analysiert. Dabei können unbeachtete Veränderungen und deren Wechselwirkungen zu erheblichen Schwierigkeiten und zur Infragestellung der Kompetenz eines Mitarbeiters führen.

      Zum Beispiel wurde der Leiter einer Entwicklungsabteilung als »Problemfall« angesehen und vor seiner »Entsorgung« zum Coaching vorgestellt. Schnell stellt sich heraus, dass er gut und für sich stimmig gearbeitet hat, solange er für sehr komplexe Entwicklungen an einem Standort zuständig gewesen war. Durch Umstrukturierung war er nun für Teilentwicklungen, aber an mehreren und weit verstreuten Standorten zuständig. Er teilte die Erwartungen seiner Umwelt, dass ein guter Manager so etwas »problemlos packen« müsste. Der dafür notwendige Führungs- und Lebensstil lag ihm bei näherer Betrachtung nicht oder nur mit zu hohen seelischen Kosten, was auch ein Coaching nicht hätte ändern können. Durch Übernahme einer anderen Verantwortung wieder an einem festen Standort wurde das Problem gelöst.

      Um für ein erweitertes Verständnis von Kompetenz Aufmerksamkeit zu erzeugen, könnte man für professionelle Kompetenz im Rahmen einer bestimmten Funktion definieren:

      Mitarbeiterkompetenz =

      Rollenkompetenz x Berufsfeldkompetenz x Passung

      Die Multiplikation verweist z.B. darauf hin, dass die Kompetenz gegen null gehen kann, wenn die Passung nicht stimmt, auch wenn die anderen beiden Faktoren hoch sind. Fachliche Weiterbildung würde hier nichts bringen.

      Neuerdings macht Frau Flink einen Kochkurs, schaut häufig Kochsendungen im Fernsehen, lässt sich Kochbücher schenken und kocht mit immer mehr Raffinesse. Andere Haushaltstätigkeiten, insbesondere das Putzen, werden weniger sorgsam ausgeführt. Nach einigen Wochen ist zu beobachten, dass sie immer mehr Zeit auf Kochen und Einkaufen verwendet, dass sie für das immer aufwendigere Essen unterschwellig Pünktlichkeit bei Essensbeginn und längere Pausen beansprucht.

       1.2.2 Kooperationssystem

      Das zweite Spannungsfeld liegt im System des Zusammenspiels in den einzelnen Prozessen begründet. Jede Veränderung oder Entwicklung einer Person, sei es anlässlich einer Neubesetzung oder einer partiellen Neupositionierung einer Person/Funktion, verändert immer das ganze Gefüge. Für die erforderliche Effektivität sind Funktionsveränderungen einer Person mit komplementären Funktionsanpassungen anderer Beteiligter verbunden. Passungsüberlegungen sind somit immer unter Einbezug des relevanten Kooperationssystems zu machen. Vorgesetzte klären jedoch üblicherweise Rollenveränderungen vornehmlich mit direkt betroffenen Mitarbeitern, oft ohne genügend auf die Auswirkungen im Gesamtsystem zu achten und diese entsprechend abzustimmen. Angesichts der wachsenden Anforderungen an ein passgenaues Zusammenspiel in den Prozessen kommt dieser Dimension in Zukunft höhere Bedeutung zu. Kompetenz muss vermehrt als Beziehungsphänomen im Passungssystem und nicht als Eigenschaft von Menschen betrachtet werden.

      So erfreulich das Engagement von Frau Flink beim Kochen ist, so sehr bauen sich auch Spannungen mit den sonstigen Mitarbeitern des Betriebs auf. Sie versucht auf die Pausengestaltung so Einfluss zu nehmen, dass das Essen nach ihren Vorstellungen zelebriert werden kann. Sie wird als Gouvernante und »Möchte-Gern-Meisterin« gehänselt.

      1.2.3 Führungssystem

      Führung spielt im Prozess der Passung von Mitarbeitern und Funktionen eine wesentliche Rolle. Damit die Passung und Ausrichtung der Person in ihrer Funktion optimal geschehen kann, ist es wichtig, dass Führungskraft wie auch Mitarbeiter aus ihrer jeweiligen Verantwortung heraus eine funktionierende Kooperation eingehen.

      Der unternehmerisch Verantwortliche ist dabei selbst Persönlichkeit mit Eigenarten (und Kernkompetenzen) und jeweils unterschiedlichen Zugängen und Präferenzen, die meist auch einseitig ausgeprägt sind. Menschen (gerade auch Führungskräfte) neigen leicht dazu, die Aspekte der eigenen Verantwortung, für die sie nicht gut ausgestattet oder motiviert sind, auszublenden. Doch bleibt die Verantwortung bestehen und es wäre sinnvoller, sich mit Funktionen und Personen zu umgeben, die komplementär ergänzen können und so individuelle Unterschiedlichkeiten in ein tragfähiges, komplementäres Zusammenspiel gebracht werden.

      Bei Frau Flink fehlt jetzt Führung, insbesondere das tägliche Setzen von Prioritäten. Die zunächst diskreten Hinweise des Meisters, sich doch beim Kochen im Rahmen und für die anderen Pflichten in eigenverantwortlicher Sorgfalt zu halten, nimmt sie leicht gekränkt zur Kenntnis, befolgt sie aber in der täglichen Praxis nur für kurze Zeit. Der Meister nimmt die Schieflage nur unwillig wahr, kümmert sich um das gärende Problem aber nicht, da er Haushalt nicht als seine Sache betrachtet.

      1.2.4 Bewertungsdifferenzen

      Was für die Organisation von Wert ist, muss nicht unbedingt für die Person von Bedeutung sein und umgekehrt. Die Herausforderung besteht also darin, Funktionen mit Personen so zu besetzen, dass die Kerntätigkeiten von hoher Bedeutung für die Person und ebenso von hohem Wert für die Organisation sind. Probleme können entstehen, wenn Personen ihre Kerntätigkeiten in Nebenprozessen der Organisation finden, die für die Organisation von untergeordneter Bedeutung und damit von geringerem Wert sind. Mit dieser grundlegenden Differenz wird in Organisationen oft nicht bewusst umgegangen. Damit Klärungsprozesse bezüglich Passungsfragen nicht zu Schlachtfeldern der Eitelkeiten und Empfindsamkeiten werden, ist ein sorgfältiger Dialog über die jeweiligen Bewertungsmaßstäbe hilfreich. Wichtig ist hierbei eine Kultur, in der die Achtung und Beachtung eines Mitarbeiters nicht von seiner Wichtigkeit für Kernprozesse allein abhängt. Sonst fühlen sich Menschen in Nebenprozessen nicht gewürdigt, verlieren Motivation und Bindung ans Kerngeschäft und bauen »Schwarzmärkte« und Ersatzwichtigkeiten

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