Gestaltpädagogik im transnationalen Studium. Группа авторов

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Gestaltpädagogik im transnationalen Studium - Группа авторов EHP-Edition Humanistische Psychologie

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zweite Teil des Buches ist eher dokumentarisch und enthält - wie bereits erwähnt - ausgesuchte selbstreflexive Erfahrungsberichte von teilnehmenden Studierenden des Erasmus-Programms. Zum anderen enthält es selbstreflexive Texte der jeweiligen Gruppenleiter zu ihren handlungsleitenden Prinzipien und pädagogischen Grundorientierungen. Diesen Texten folgen i. d. R. jeweils drei Berichte von Studierenden, die an einer der von ihnen geleiteten Gruppen teilgenommen haben, so dass die Bezüge zwischen den Erfahrungen und den Prinzipien der Gruppenleitung einsichtig werden können. Die Texte der verantwortlichen Gruppenleiter offenbaren relativ ungeschützt und ohne Seitenblick auf wissenschaftsbezogene Legitimationen die jeweiligen subjektiven Überzeugungen und methodischen Schwerpunktsetzungen in ihrer Lehre und deren persönliche, erfahrungshaltige Begründungen. Gemeinsam ist den Leitern die Orientierung an den humanistisch-pädagogischen Grundhaltungen der Offenheit und Wertschätzung, der Respekt vor Andersheit, die Bereitschaft zu nicht hierarchischer Kommunikation und das Bemühen um flexible Prozessgestaltung. Andererseits bestehen Unterschiede vor allem im Ausmaß der Bereitschaft zu biografischer Tiefung sowie in der Ausrichtung auf die Transferierbarkeit in den pädagogischen Alltag. Dadurch wird der biografischen Arbeit, dem kreativen methodischen Repertoire, dem Gruppenprozess, aber auch den fachlichen und religiös-existentiellen (Stanko Gerjolj) Bezügen ein jeweils unterschiedlicher Stellenwert zugewiesen. Bedingt ist diese Differenz über die Individualität der Personen und ihre spezifischen Kompetenzen wiederum durch die jeweils unterschiedlichen institutionellen Kontexte, denen die Gruppenleiter an ihren Herkunftsorten eingebunden sind (oder waren).

      Die jeweils zugeordneten studentischen Erfahrungsberichte („Reflektorischen Abschlussarbeiten“) sind Bestandteile des gestaltpädagogischen Qualifizierungsprozesses der Studierenden. Die schriftliche Versprachlichung von emotional involvierten Erlebnissen und Erfahrungen, denen von den Teilnehmern selbst pädagogische, biografische und/oder existentielle Bedeutung zugeschrieben wird, stellen eine den Lernprozess abrundende eigenständige Integrationsleistung dar. Sie geben Einblicke in Mikroprozesse von Persönlichkeitsentwicklung und in Situationen in der Gruppenarbeit, die diese in Bewegung brachten. Alle veröffentlichten Teilnehmerarbeiten wurden in der vorliegenden Form von den Autoren freigegeben (z. T. allerdings anonymisiert). Einzelne Texte wurden um rein referierende oder gedanklich unklar bleibende Passagen gekürzt und sprachlich leicht geglättet. Denn alle Teilnehmerberichte wurden – wie auch veröffentlicht – auf Deutsch oder Englisch geschrieben, d. h. in aller Regel nicht in der eigenen Muttersprache.

      Die jeweilige Auswahl der Berichte folgte einerseits formalen Kriterien: es sollten alle teilnehmenden Länder/Institutionen vertreten sein und es sollte andererseits die Arbeit der hauptverantwortlichen Gruppenleiter durch i. d. R. jeweils drei Teilnehmerreflexionen widergespiegelt werden. Andererseits wurden als inhaltliche Kriterien für die Auswahl vor allem das Niveau der Erfahrungsreflexion und die hergestellten Bezüge zu deren Relevanz für die professionelle Entwicklung als Pädagoge herangezogen. Wichtig war uns ferner die Dichte der situativen Beschreibungen und die Erkennbarkeit eines Zusammenhangs zwischen den entstehenden Selbsteinsichten und dem Geschehen in der Gruppe.

      Gestützt auf die schriftlichen Teilnehmeraussagen, die in den Reflektorischen Abschlussarbeiten der drei Durchgänge insgesamt enthalten sind, - ergänzt durch viele mündliche Rückmeldungen, können wir den Ertrag unseres gestaltpädagogischen Weiterbildungsangebotes im Blick auf die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit und auf die Kompetenzentwicklung im Umgang mit Heterogenität in folgenden Aspekten erkennen:

      • in der Erweiterung fremdsprachlicher Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit, durch die Exploration ungewohnter Themenbereiche (in Deutsch oder Englisch),

      • in der gewachsenen Bereitschaft, sich durch die Mühen sprachlicher Verständigung zum Verstehen des Anderen hindurchzuarbeiten,

      • in der Erfahrung, dass „Verstehen“ des Andern eine emotionale Basis hat und eine respektvolle Beziehung voraussetzt,

      • in der Offenheit, sich auf Fremdheiten einzulassen und Vorurteile zu revidieren, (so dass aus merkwürdigen Unbekannten bedeutsame Freunde werden können - eine Basisqualifikation für Pädagogen in der Arbeit mit Minderheiten und Migranten),

      • in der Erfahrung der Bedeutung von Gefühlen in Prozessen der Ausgrenzung und der Zugehörigkeit, in ihrer basalen Funktion für Lernmotivation bzw. Lernverweigerung und in ihrer Verlaufskurve in Erkenntnisprozessen,

      • in den erweiterten Möglichkeiten, Gefühle und körperliche Reaktionen bei sich selbst und bei anderen wahrzunehmen, über sie sprachfähig zu werden und sie in ihrer Relevanz für Bildungs- und Erkenntnisprozesse zu diskutieren.

      Die biografischen Erfahrungen und Reflexionen, so zeigen die Berichte, erstrecken sich auf Themen, die zugleich grundlegende Einsichten für Pädagogen ermöglichen, da sie sich auf die „Innensicht“ der Probleme des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen beziehen. So konnte die Bedeutung von Sicherheit und Geborgenheit in der Kindheit ebenso wie die Bedeutung abwesender oder kranker Eltern erfahren werden oder der Zusammenhang von Geschwisterbeziehungen zum eigenen Verhalten in Gruppen.

      Auch die Bedeutung früher Erfahrungen in Kindergarten und Schule, von Kränkungen und Demütigungen durch Lehrer und deren langfristige Auswirkungen auf Fachpräferenzen und Studienentscheidungen konnten in der biografischen Arbeit in der Gruppe hautnah nach- oder miterlebt werden. Zudem konnten Erfahrungen, die zum Themenkomplex Ablösung und Versöhnung mit den Eltern gehören, in ihrer Bedeutung für die Bereitschaft zur Annahme der Aufgabe als Lehrer und Erzieher (Einnahme einer neuen Position im Generationenverhältnis) erfasst werden. Derartige Erkenntnisse und Erfahrungen von Zusammenhängen (die im Studium allenfalls abstrakt Erwähnung finden), konnten in unseren Intensivkursen - begleitet durch hierfür speziell weitergebildete Gruppenleiter - als persönliche Einsichten formuliert werden. Sie konnten in der begleiteten Reflexion in der Lerngruppe in ihrer Relevanz für Bildungsprozesse erkannt und in vielerlei theoretische Bezüge eingeordnet werden.

      In dieser Hinsicht stellen die gestaltpädagogischen Intensivseminare des Erasmus-Projekts für angehende Pädagogen eine außerordentlich vielschichtige und tiefgehende Lerngelegenheit dar, wenngleich von den Teilnehmern deren Chancen nicht immer gleichermaßen genutzt werden können und auch die Gruppenarbeit selbst der Fragilität sozialer Prozesse nicht immer entgehen kann. Die Lernebene, die erreicht werden kann und deren Beschreibung immer fragmentarisch bleibt, ist die der biografischen Dispositionen und erfahrungsfundierten Handlungsorientierungen. Auf sie kann nicht auf direktem Weg - durch gezielte Unterweisung - Einfluss genommen werden, sondern nur mit Anstößen für einen offenen, mehrdimensionalen Entwicklungsprozess.

      Teil I: Theoretische Beiträge zu den Grundlagen des Erasmus-Projekts

      Ilse Bürmann (DE)

      Zur Aktualität der Humanistischen Psychologie für die Pädagogik

      1. Vorbemerkung

      Im Folgenden thematisiere ich nicht nur Fragen der Beziehung der Humanistischen Psychologie zur Pädagogik, sondern immer zugleich auch meine eigene Beziehung zu beidem. Damit wird nur etwas expliziter, was aus erkenntnistheoretischer Sicht eigentlich immer geschieht, wenn ein Subjekt eine Sache oder einen Gegenstand aufzufassen und darzustellen versucht. Die mathematisierende Abstraktion physikalischer Zusammenhänge war in den vergangenen Jahrhunderten bestrebt, das erkennende Subjekt aus den beschriebenen Naturzusammenhängen methodisch zu eliminieren. Sie hat auch in weiten Teilen die Forschung über den Menschen geprägt. Andererseits hat bereits in den 50er Jahren Werner Heisenberg mit Blick auf das „nachklassische“ physikalische Weltbild formuliert:

      „Wenn von einem Naturbild der exakten Wissenschaften in unserer Zeit gesprochen werden kann, so handelt es sich eigentlich nicht mehr um ein Bild der Natur,

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