Gestaltpädagogik im transnationalen Studium. Группа авторов

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Gestaltpädagogik im transnationalen Studium - Группа авторов EHP-Edition Humanistische Psychologie

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Rahmen eines ganzheitlichen Verständnisses des Menschen (nach innen) und im Hinblick auf die Erfassung interdependenter Bezüge nach außen.

      • Die Hervorhebung des Aspekts der menschlichen Fähigkeit zur eigenständigen und produktiven Realitätsverarbeitung (gegenüber deterministischer Vorstellungen von der Allmächtigkeit von Sozialisationsbedingungen) ebenso wie die Betonung der menschlichen Intentionalität, Sinn- und Wertgerichtetheit gegenüber Vorstellungen von seiner Determiniertheit durch Bedürfnisse und Triebe.

      • Die Annahme eines menschlichen Potentials an Spontaneität und Kreativität, das mit keinen linearen Modellen abzubilden und ebenso wenig vollständig dem Willen unterworfen ist, wie es auch nicht vorausberechnet werden kann.

      Diese Positionen und Akzentsetzungen haben sich im aktuellen theoretischen Diskurs wie in der neueren humanwissenschaftlichen Forschungspraxis inzwischen verbreitet durchgesetzt; die Humanistischen Psychologen mussten seinerzeit Abwertungen und Ausgrenzungen dafür hinnehmen.

      3. Zur pädagogischen Dimension der Humanistischen Psychologie

      In der Pädagogik ist die Humanistische Psychologie vor allem in drei sich berührenden, aber doch wiederum auch klar unterscheidbaren Richtungen wirksam geworden, und zwar zunächst im Konzept der Schülerorientierung (auch Personen- oder Teilnehmerorientierung) unter Rückbezug auf den personenbezogenen Ansatz von Carl Rogers. Dieser ist in vielen Variationen Verbindungen eingegangen mit älteren Traditionen einer „Pädagogik vom Kinde aus“, aber auch mit Vorstellungen von Schülerorientierung als politischem Basiskonzept bis hin zu so radikalen Positionen wie der Antipädagogik eines Hubertus von Schönebeck. Rogers selbst hat seinen Ansatz auf Fragen des Lehren und Lernens bewusst ausgeweitet und hat eine Grenzziehung zwischen Erziehung, Beratung und Therapie in Bezug auf sein Verständnis von „Wachstumsförderung“ grundsätzlich abgelehnt. Rogers’ „Persönliche Gedanken über Lehren und Lernen“ und seine Ausführungen „Über das Lernen und wie man es fördern kann“ zählen in meiner Sicht zu den Perlen unter den Grundlagentexten zur Allgemeinen Didaktik.

      In der Erwachsenenbildung und beruflichen Fortbildung ist besonders der Ansatz der themenzentrierten interaktionellen Methode (TZI) von Ruth Cohn pädagogisch wirksam geworden. Sie selbst – von der Psychoanalyse herkommend – hat ihr Konzept programmatisch als eine „Pädagogik für alle“ bezeichnet und versteht sie als eine therapeutisch fundierte, an existentiellen Themen orientierte Gruppen-Pädagogik.

      Nachhaltig und vielfältig ist die pädagogische Rezeption der Gestalttherapie unter dem Namen Gestaltpädagogik. Diese setzt vor allem in der beruflichen Weiterbildung an der Persönlichkeitsentwicklung von Pädagogen an und ist darauf ausgerichtet, auf der Basis biographischer Selbsterfahrung und Selbstreflexion das auch pädagogisch hochwirksame Methodenrepertoire der Gestalttherapie in verantwortlicher und situationsangemessener Weise im Unterricht zu erproben. Während also Carl Rogers und Ruth Cohn selbst ihren Ansatz auf den Bereich der Pädagogik ausweiteten bzw. ihn unmittelbar darauf ausrichteten, hat die Gestalttherapie in Paul Goodman einen Pädagogen als Mitgründervater gehabt. Goodman ist allerdings vor allem als radikaler Schulkritiker und Gesellschaftstheoretiker hervorgetreten und hat Fragen der Didaktik in engerem Sinne nicht vorrangig zu seinem Thema gemacht. Dennoch kann man verallgemeinernd sagen, dass die Humanistische Psychologie in einigen ihrer wichtigsten Vertreter ein sehr offenes und engagiertes Verhältnis zur Pädagogik jenseits professioneller Abgrenzungsbestrebungen aufweist. Demgegenüber hat sich die wissenschaftliche Pädagogik mit dieser Richtung nur in seltenen Fällen in einen Dialog begeben (etwa Wolfgang Schulz mit Ruth Cohn, Hartmut von Hentig mit Paul Goodman), sondern sie hat sie oftmals für suspekt erklärt. Vorherrschend war dabei das Interesse, eine Psychologisierung und Therapeutisierung der Pädagogik zu vermeiden und ihre Eigenständigkeit zu betonen, was in der Geschichte der Pädagogik als Wissenschaft ihre nachvollziehbaren Ursachen hat und auch in der Professionalitätsdebatte immer wieder aufscheint.

      Unabhängig von dem Verdikt vieler Professoren hat in der pädagogischen Praxis eine lebhafte und vielgestaltige Rezeption dieser Ansätze stattgefunden. Diese hat neben vielen positiven Effekten mitunter auch gesteigerte Grade der Trivialisierung hervorgebracht. Das Aufgreifen der Teilnehmer- oder Schülerorientierung als Bemühung der Lehrenden, die lebensweltlichen Erfahrungen von Schülern ernst zu nehmen und zum Ausgangspunkt (oft auch Gegenstand) des Unterrichts zu machen, ist teilweise so weit gegangen, dass der Ruf nach Herausforderung der Schüler zu Kontrasterfahrungen und Abstraktionsanstrengungen heute kaum mehr als reaktionär gilt. Auch wurden die Rogersschen „Basisvariablen“ für eine hilfreiche Beziehung seit eh und je technizistisch verkürzt. Die TZI ist in so viele Bereiche von Gruppenarbeit eingedrungen, dass einem manches aus diesem gut durchdachten erfahrungsfundierten Ansatz in sehr verwässerter, gelegentlich auch geistlos formalisierter Form entgegentreten kann. Und bei der Gestaltpädagogik hat sich das erlebnisaktivierende Methodenrepertoire in der Rezeption von den vorrangig zu erwerbenden persongebundenen Kompetenzen oftmals abgelöst, so dass ihre Leistungen mitunter als ein bloßer Beitrag zur Kreativitätskonjunktur wahrgenommen werden. Für umso notwendiger halte ich es, die einzelnen Ansätze wie die Humanistische Psychologie insgesamt von ihren wesentlichen Leistungen und wegweisenden Impulsen her zu würdigen und die Formen ihrer Rezeption einer differenzierenden Kritik zu unterziehen.

      4. Zur Bedeutung der Humanistischen Psychologie für mich persönlich

      4.1 Ich beginne mit dem historischen Kontext ihres Entstehens, verbunden mit den biographischen Erfahrungen der meisten der Hauptvertreter dieser Gruppe.

      Bis auf Abraham Maslow, Carl Rogers und Rollo May waren alle führenden Vertreter und Pioniere der Humanistischen Psychologie aus Deutschland bzw. Österreich emigrierte Juden. Das gilt für Ruth Cohn ebenso wie für Erich Fromm, für Fritz und Lore Perls, für Viktor Frankl, Jakob Bugental, Charlotte Bühler oder Bruno Bettelheim, dessen Werk viele Berührungspunkte mit der Humanistischen Psychologie aufweist. Sie haben mit dem Ansatz der Humanistischen Psychologie als Entkommene oder Überlebende des Holocaust und als Psychotherapeuten auf ihre Weise auch eine Antwort zu geben versucht auf die Frage: Was ist der Mensch, und was können wir tun, damit er sich zum Guten hin entwickeln kann? Während Theodor W. Adorno etwa in seiner berühmten Rundfunkrede von 1967 unter dem Titel „Erziehung nach Auschwitz“3 die Auffassung vertritt, nach Auschwitz könne man nicht Liebe predigen oder sich um Liebe bemühen, sondern man müsse seine Anstrengungen darauf richten, „der Kälte zum Bewußtsein ihrer selbst“ zu verhelfen und sich der Erforschung des Seelenlebens der Täter zuwenden, gehen die Pioniere der Humanistischen Psychologie als Psychotherapeuten einen anderen Weg. Sie versuchen, nicht nur den Menschen „neu zu denken“, sondern sich mit dem je Einzelnen auf eine Beziehung einzulassen, die alle Vormeinungen und Verallgemeinerungen besonders hinsichtlich der Bedeutung von ethnischer, nationaler oder religiöser Zugehörigkeit sowie alle vorgängigen Zielbestimmungen zu vermeiden sucht. Man kann darin auch den Versuch sehen, mit dem je einzelnen Menschen einen neuen Anfang zu versuchen, hinter Vorurteile, gesellschaftliche Konventionen, Wertmaßstäbe und Zwecksetzungen zurückzugehen und sich mit dem Risiko der ganzen Person für neue, entwicklungsfördernde Erfahrungen in der Intersubjektivitätsbeziehung einzusetzen.

      Damit ist dieser Ansatz mit seinem z. T. betont positiven Menschenbild für mich nicht nur Ausdruck eines gewissen amerikanischen Optimismus - das ist er auch, zumal bei Rogers und Maslow - sondern zugleich Ausdruck der erstaunlichen konstruktiven Möglichkeiten des Menschen zur Überwindung eigener tiefer traumatischer Verletzungen und einer Gut und Böse polarisierenden Sicht auf den Menschen. Die Humanistischen Psychologen sind nicht, wie Adorno, darauf aus, den Menschen zu analysieren und über sich selbst kritisch aufzuklären, sondern sie sind bereit, sich mit ihm neu einzulassen.

      Das ist mehr als nur eine abstrakte ethische Entscheidung; diese Bereitschaft hat auch Konsequenzen für die Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden.

      Erik Homburger Erikson (auch

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