Reine Nervensache. Martin Arz
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Читать онлайн книгу Reine Nervensache - Martin Arz страница 12
»Herbert war mein bester Freund, verstehen Sie?« Nun heulte der Fernsehproduzent los. »Wir kennen uns schon, seit wir zwölf waren«, sagte er stockend unter Tränen, während er in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch suchte. »Seit genau vierzig Jahren! Eine halbe Ewigkeit. Wir sind immer gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Und nun ist er weg. Einfach weg. Was für ein krankes Hirn ist zu so etwas fähig?«
Pfeffer gab Freudensprung leise die Anweisung, ins Sekretariat zu gehen und die Aktenordner mit den Drohbriefen sicherzustellen. »Und wenn du die Sachen ins Büro gebracht hast, Paul, gehst du bitte nach Hause und schläfst dich aus.«
Annabella Scholz lief mit federnden Schritten und hinter dem Rücken verschränkten Armen langsam durch das Büro und vermied es, das weinende, dicke Häufchen Elend anzusehen.
Dann beugte sich Pfeffer vor und berührte mitfühlend Koziols Knie. »Gehts wieder?«, fragte er, nachdem sich der Fernsehproduzent kräftig geschneuzt und zurücklehnte hatte. »Gut. Bliebe noch die Frage nach persönlichen Feinden.«
»Ich weiß nicht«, antwortete Koziol mit erstickter Stimme, immer noch nach Fassung ringend. »Herbert hat immer viel gearbeitet und sein persönlicher Bekanntenkreis deckte sich weitgehend mit dem beruflichen. Und da ich sein bester Freund war, kenne ich eigentlich all seine Bekannten. Da wäre meines Wissens keiner dabei, der finstere Pläne gehegt hat. Warum auch.«
»Und seine Frauen?«
»Dass er mehr als eine hatte, haben Sie also schon herausgefunden.« Dieter Koziol lachte keuchend und schniefte kurz. Dann schneuzte er sich erneut geräuschvoll. »Suzi lebt heute auf Ibiza, das war seine erste Frau. Die war seit Jahren nicht mehr in Deutschland. So weit ich weiß, war es auch eine einvernehmliche Scheidung, ganz ohne böses Blut. Dann kam Noemi, das ging aber nur drei Monate gut. Sie ist heute mit einem Schönheitschirurgen verheiratet. Ich glaube nicht, dass die irgendwelche Rachegedanken gegen Herbert gehegt hat. Dazu war sie zu sehr auf Geld und Prestige fixiert, das hat sie jetzt alles in Hülle und Fülle. Nummer drei war Luna, die hieß eigentlich Gaby, aber das war ihr wohl zu spießig. Die ist so tief im Esoterikwahn versumpft, bis es sogar Herbert zu viel wurde. Mein Kompagnon hatte leider nie ein gutes Händchen mit seinen Frauen. Wissen Sie, ich bin seit siebenundzwanzig Jahren verheiratet – mit ein und derselben Frau. Und ich bin immer noch in sie verliebt. Herbert konnte das nie nachvollziehen. Kaum wackelte ein hübsches Ding mit dem Hintern, war es um ihn geschehen. So hat ihn auch die derzeitige Madame aufgegabelt. Sie heißt Bambi, auch Miss Bothox genannt. Die heißt wirklich mit Vornamen Bambi, das steht in ihrem Pass.«
»Wir haben seine Frau bisher nicht erreichen können«, sagte Max Pfeffer.
»Kein Wunder. Sie leben schon längst in Scheidung. Die treibt sich sicher irgendwo mit ihrem aktuellen Begleiter herum. Warten Sie ein paar Minuten …«, Koziol sah auf seine Uhr, »… dann können Sie sie live erleben. Sie kommt für gewöhnlich um diese Zeit vorbei, um Herbert das Leben zur Hölle zu machen. Wissen Sie, Sigmund Freud hat mal behauptet, Anatomie sei Schicksal. Nun, der gute Mann irrte auch hier. Siehe Bambi. Ich warne Sie, erschrecken Sie nicht, wenn Sie sie sehen.«
Max Pfeffer erschrak trotzdem und Annabellas Augen wurden zu schmalen Schlitzten, als Bambi Veicht einige Zeit später ins Büro rauschte. Die Frau konnte jedes Alter zwischen siebzehn und siebzig haben, denn ihr totoperiertes, straffgezurrtes Gesicht glich einer Maske. Ihr stromlinienförmig magergehungerter Körper steckte in einem knappen geblümten Sommerkleid. Die Brüste, die sich darunter abzeichneten, standen so hoch und fest, dass kein Zweifel darüber herrschen konnte, womit sie gefüllt waren. Die langen rabenschwarzen Haare wurden von einer lässig hineingesteckten Designersonnenbrille zurückgehalten. Sie war eines jener seltsamen Wesen, die heute von den Medien in nicht nachvollziehbarer Weise als »schön« bezeichnet wurden. Bambis Stilettos knallten bei jedem Schritt auf dem Parkett und ihre schrille Stimme quäkte: »Wo ist Herbert? Warum glotzen mich die da draußen alle mit so komischen Kuhaugen an? Wo steckt dieser Feigling? Versteckst du ihn hier, Dieter?«
»Herbert versteckt sich nicht …«
»Schon recht. Was bildet der sich eigentlich ein, dein sauberer Kompagnon? Siebentausend Euro! Das hat er mir allen Ernstes über seinen Scheißanwalt als monatliche Apanage angeboten. Siebentausend! Bin ich eine Putze, oder was? Wie soll ich davon bitteschön leben? Wie sollen wir davon bitteschön leben, mein Schnuckiputzi?«
Bambi Veicht beugte sich hinunter und Max Pfeffer nahm erst jetzt den kleinen Yorkshire-Terrier wahr, der mit hechelnder Zunge um die Füße seines Frauchens wuselte. Das Tier trug eine rosa Schleife im Haar und glotzte denkbar unintelligent.
Beim Aufrichten bemerkte Bambi den Polizisten. Ob sie auch die Polizistin wahrgenommen hatte, ließ sie sich nicht anmerken. Sie musterte Pfeffer unverhohlen und mit Kennermiene von oben bis unten. Pfeffer stand auf, weil er sie begrüßen wollte. Doch Bambis Blick war von seinen samtigen Kuschelaugen über die breite Brust und den flachen Bauch hinunter zu seinem Schritt geglitten.
»Und wer ist das, Dieter?« Sie wandte sich an Pfeffer. »Hör zu, Schätzchen. Die Superschwanzparade wird gerade draußen abgehalten. Und nimm deine kleine Freundin da gleich mit. Wir haben Geschäftliches zu besprechen. Ciao, Bello.«
Pfeffer verzog keine Miene und hielt der Frau seine Hand hin. »Maximilian Pfeffer, Kriminalrat. Mordkommission. Angenehm, und Sie sind Frau Bambi Veicht, nicht wahr?«
Bambi starrte ihn an, gab sich aber keine Mühe rot zu werden. In Sekundenbruchteilen schaltete sie von Zicke auf kokett. »Kriminalrat. Das ist mehr als Kommissar, nicht wahr? Richtig. Ich bin Bambi. Ebenfalls angenehm. Womit kann ich Ihnen dienen?« Sie schüttelte Pfeffers Hand eine Idee zu lange und schenkte ihm einen Augenaufschlag, der frech sein sollte. Doch blieb ihr Gesicht, dessen Muskeln durch das Nervengift Bothox gelähmt waren, maskenhaft unbewegt. Pfeffer fragte sich, ob sie wohl auch beim Sex so ausdruckslos schauen würde.
Dieter Koziol stöhnte deutlich vernehmbar. »Gib dir keine Mühe, Bambi«, sagte er ärgerlich. »Der Kriminalrat hat eine unangenehme Mitteilung für dich. Bitte, Herr Pfeffer, nur zu, sagen Sie es ihr.« Dieter Koziol sah Pfeffer begierig an, keine Frage, er freute sich darauf, was kommen würde.
»Mir was sagen?«
»Es tut mir leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Gatte verstorben ist. Er wurde heute Nacht ermordet aufgefunden.«
»So?« Bambi blickte zwischen Pfeffer und Koziol hin und her, als ob sie nach einem Anzeichen suchte, dass alles nur ein Scherz sei. Annabella Scholz war nach wie vor aus ihrem Aufmerksamkeitsfeld verbannt. »So so. Nun, das ist sehr bedauerlich. Erwarten Sie jetzt, dass ich in Tränen ausbreche? Da muss ich Sie enttäuschen.«
»Weil Bothox auch die Tränendrüsen lähmt?«, warf Dieter Koziol kühl ein.
»Mach dich nicht lächerlich, Dieter. Nun, Herr Pfeffer«, sie ließ ihre Stimme einige Tonlagen tiefer in die Verruchtheitsebene gleiten und rollte das R übertrieben, »Sie wissen sicherlich längst, dass das Verhältnis zwischen mir und meinem Mann in letzter Zeit sehr abgekühlt war. Sehr! Wir leben getrennt. Er hat sich in sein Penthouse in Nymphenburg zurückgezogen und mir die Pullacher Villa gelassen. Haben Sie denn den Täter?«
»Nein.«
»Oh,