Reine Nervensache. Martin Arz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reine Nervensache - Martin Arz страница 7
»Tu nicht so«, antwortete Kriminalkommissar Paul Freudensprung, der zu Pfeffers Team gehörte und sich um Frank kümmerte. »Du bist nur zu spät, weil du eine mickrige Friseusenschleuder fährst, die nicht auf überbreite Schwertransporte ausgelegt …«
»Noch ein Wort zu meinem Gewicht, und du bist tot!« Die Gerichtsmedizinerin ließ sich durch die Frotzeleien nicht aus der Ruhe bringen. Und weil sie wusste, wie sehr Paul Freudensprung es hasste, wenn sein Name als Gaudihupf oder Gaudi verballhornt wurde, platzierte sie nach einer Kunstpause: »Verstanden, Gaudi?« Sie grinste selbstzufrieden vor sich hin, während sie sagte: »So, wo ist der Kopf?«
»Gerda. Paul. Bitte!«, beendete Pfeffer leise aber bestimmt das Gekabbel.
»’tschuldigung.« Die Gerichtsmedizinerin kam an Pfeffer und dem Mädchen vorbei. Sie tätschelte Nathalie mitleidig den Arm. Endlich schloss das Mädchen den Mund. »Hast ihn gefunden, hmmm? Tut mir leid, ich wollte nicht … na ja. Also, wo ist nun das Corpus Delicti?« So schnell es ihr möglich war, entfernte sich Doktor Gerda Pettenkofer.
Pfeffer hielt den Teenager weiter im Arm. Nathalie schluchzte nun leise. Mit einer Hand fuhr sie sich über die Stirn und sah zu Pfeffer hoch. Seine rehbraunen Augen strahlten genau den Beruhigungseffekt aus, den sie brauchte. Pfeffer wusste das. Er kannte die Wirkung seiner Augen, den Kuscheleffekt, den sie ausstrahlten. Nathalie löste sich ein wenig von ihm.
»Sie sind der Vater von Cosmo, nicht wahr?«, sagte sie leise mit heiserer Stimme. »Cosmo, … Cosmo Pfeffer.«
»Ja. Cosmas ist mein Sohn.« Pfeffers Sohn trug eigentlich den guten alten bayerischen Namen Cosmas, doch außer dem Kriminalrat selbst nannte ihn alle Welt Cosmo.
»Cosmo hat auch so tolle Augen wie Sie«, sagte sie und starrte ins Leere. »Ich finde ihn …« Sie brach ab. »Wir sind in einer Klasse.«
Auch das wusste Pfeffer. Er hatte das Mädchen schon auf der einen oder anderen Schulveranstaltung gesehen, vor allem bei Schulmusikabenden, die Pfeffer immer gerne besuchte, weil da sein Sohn Cosmo mit seiner Hiphop-Band auftrat. Und Cosmo machte seine Sache gut, Pfeffer war wirklich stolz auf die Auftritte seines Sohns. Nathalie gehörte ebenfalls zu den festen Programmpunkten bei den Musikabenden, denn für eine Sechzehnjährige spielte sie hervorragend Klavier. Ein begabtes, hübsches Mädchen aus gutem Hause. Pfeffer strich ihr sanft über die wilde Lockenmähne. Er dachte kurz daran, dass er sich immer eine Tochter gewünscht hatte. Eine wie Nathalie. Wahrscheinlich war es besser, dass er stattdessen zwei Söhne gezeugt hatte. Er wäre womöglich einer dieser hypereifersüchtigen Väter gewesen, die ihre Töchter so lange in goldenen Käfige stecken, die sie dann auf Händen tragen, bis aus den verzogenen Prinzesschens zänkische Anspruchsterroristinnen werden.
Wie gerne würde er jetzt eine rauchen. Er wühlte in der Außentasche seines leichten Sommersakkos nach der Packung Gauloises Blondes, die er sich erst vorhin an der Tankstelle, an der der »Tramper« zu den Jugendlichen ins Auto gestiegen war, gekauft hatte. Dass er damit den fünften Versuch mit dem Rauchen aufzuhören in Folge brach, war ihm momentan egal. Lieber Raucherhusten mit Auswurf am Morgen als diese ekligen bitteren Nikotinkaugummis kauen.
»Darf ich auch eine?« Nathalie sah wieder tief in seine kuscheligen Teddybäraugen. Er gab ihr eine Zigarette und Feuer. Sie hustete bei jedem Zug. »Ich rauche eigentlich nicht.« Pfeffer schmunzelte. »Ich … ach, was. Worüber reden wir hier? Cosmo hätte wenigstens nicht so einen Scheiß …«, sie hob die Stimme und wiederholte laut, »… so einen Scheiß gemacht!« Dann sprudelte es aus ihr heraus und sie erzählte Max Pfeffer ihre Sicht der Ereignisse. Pfeffer bremste sie kurz und winkte seine junge Kollegin Annabella Scholz herbei, denn mit dem Mädchen im Arm konnte er sich keine Notizen machen, das musste nun die Kollegin übernehmen.
Als sie geendet hatte, kam Benni, der die ganze Zeit apathisch am Van seines Onkels gelehnt hatte, herüber und streichelte sanft Nathalies Rücken. »Es tut mir so leid«, flüsterte er heiser. »Ich bin …«
»Pfoten weg, du Arsch!«, schrie Nathalie und löste sich von Pfeffer gerade so weit, dass sie noch Körperkontakt hatte und gleichzeitig freie Bahn, um Benni eine herunterzuhauen. Die Ohrfeige schallte so laut, dass die Personen in der näheren Umgebung überrascht herüberschauten. »Du hast das doch alles eingefädelt! Du bist schuld an allem!«
»Ja … nein … Mann, das ist mein Onkel!« Benni hielt sich die Wange und schrie nun ebenfalls. »Mein Onkel! Kapiert! Das ist sein Kopf! Es hätte ein Plastikding in der Tasche sein sollen, kapiert?! Mein Onkel wurde geköpft. Und du regst dich über das bisschen Brimborium auf, das die von dieser Scheißshow hier veranstaltet haben!« Er machte eine fahrige Handbewegung hinüber zu der Gruppe Menschen, die bleich wie Schreckgespenster und scheu wie verlorene Schafe im Licht der Scheinwerfer standen und darauf warteten, von Pfeffers Leuten vernommen zu werden. Es handelte sich um den Kameramann, den Moderator, die Produktionsassistentin und den Redakteur von Voll geschockt!.
»Sie sind Benjamin Veicht? Der Neffe des Ermordeten?«, fragte Pfeffer sachlich, um die Emotionen etwas herunterzukochen. Der junge Mann nickte.
»Benjamin Veicht, neunzehn Jahre«, las Bella Scholz von ihrem Notizblock ab. »Geht wie alle jungen Leute hier – und übrigens wie dein Sohn, Chef –, auf das Geschwister-Scholl-Gymnasium in München, macht nächstes Jahr Abitur. Ich habe ihn schon vernommen, Chef. Der Ermordete ist sein Onkel, Herbert Veicht, Produzent von Voll geschockt! und zahlreichen anderen Reality-Formaten. Der Bruder von seinem Vater Hans-Georg Veicht. Falls dir der Name was sagen sollte – ja, das ist der Veicht von Veicht-Optik. Du weißt schon, das Billigbrillenimperium.«
Zu allem, was die Kommissarin sagte, nickte Benni bestätigend.
»Voll geschockt! finden doch alle voll cool!«, plapperte der junge Mann drauflos. »Das ist nicht so spießig wie die anderen Reinlegshows. Ich wollte schon immer mal dabei sein und habe meinen Onkel bekniet, dass ich irgendwann mal den Lockvogel spielen darf. Und heute … Mann, das ist sein Van, der für die Sendung präpariert war, versteckte Kameras in den Kopfstützen und im Armaturenbrett. Ich dachte, Nathalie und Frank finden das auch voll cool, wenn sie erfahren …«
»Frank hat sich vor Schiss in die Hose gepisst, du Arsch!«, schrie Nathalie ihren Freund an. »Wir sind beide vor Panik fast gestorben, auch ohne den echten Toten. Ist das cool? Ist das cool?«
»Kann ja keiner ahnen, dass Frank so voll rummädelt, der Schwachmat!«
»Rummädelt? Du Arschloch!«, schrie das Mädchen.
»Ganz ruhig«, sagte Pfeffer beschwichtigend. »In der Situation war es nur normal, dass jemand … rummädelt, Herr Veicht.« Der Notarzt gesellte sich mit seinem Koffer zu der kleinen Gruppe. Er löste behutsam das Mädchen aus den Armen des Kriminalrats.
»Kommen Sie mit«, sagte der Arzt. »Wir setzen uns dort drüben hin und dann werde ich Sie untersuchen.« Nathalie folgte ihm artig wie ein Kind.
»Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken«, sagte Pfeffer und tätschelte Benni Veicht den Arm. »Wirklich nicht.« Er bemühte sich nur marginal, nicht allzu zynisch zu klingen, dann ging er mit seiner Kollegin zum Haus. Paul Freudensprung gesellte sich zu ihnen.
»Wenn deine Freundin Gerda Pettenkofer mich noch einmal Gaudi nennt, ist sie tot«, grummelte er.
»Und wieso, Gaudi?«, frotzelte Annabella Scholz.
»Okay, Leute.« Pfeffer blieb kurz stehen, schnippte seine Zigarette auf den Asphalt und trat sie aus. »Alles zu seiner Zeit und jetzt ist wirklich nicht die Zeit für