Vollzug. Hansjörg Anderegg

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Vollzug - Hansjörg Anderegg

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Sie war selbst ausgebildete Kriminaltechnikerin. Ihr entging normalerweise keine noch so kleine Spur. Dennoch fand sie nichts in der trostlosen Leere dieser Bleibe, die keine Wohnung war, eher ein Loch, in das man sich verkroch, um nicht gehört und gesehen zu werden. Was plante Hassan Moussouni in Hamburg? Er und wer immer sonst hier gewohnt haben mochte waren nicht zufällig in dieser Stadt abgestiegen. Vielleicht wollte der Algerier hier eine Terrorzelle aufbauen. Es wäre nicht sein erster Versuch. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu spekulieren.

      Noch einmal streifte sie durch die Wohnung, klopfte an die Wände auf der Suche nach versteckten Hohlräumen. Irgendeinen Anhaltspunkt musste sie finden! Die Kriminaltechnik hatte das Wenige mitgenommen, das Moussouni hinterlassen hatte. Alles außer dem Fernseher und der Satellitenanlage. Dort genügte offenbar die Sicherstellung von Fingerabdrücken, Haaren und Hautpartikeln für DNA-Abgleiche. Vorwurfsvoll betrachtete sie das Empfangsgerät, als müsste wenigstens der schwarze Kasten zu ihr sprechen. Sie drehte ihn um, überprüfte gedankenverloren die verwirrende Vielfalt der Anschlüsse. Schon wollte sie sich abwenden, als sie plötzlich stutzte. Sie sah genauer hin, las die kryptische Beschriftung, dann nickte sie befriedigt. Das unscheinbare Gerät war kein primitiver Satellitenempfänger. Es enthielt ein Modem für den Internetverkehr über Satellit und eine Festplatte mit der Kapazität von hundert Gigabytes. Falls sie für einmal Glück hatten, konnten die Techniker damit Moussounis Netzaktivitäten rekonstruieren.

      »Immerhin ein Hoffnungsschimmer«, sagte sie zum schwarzen Kasten.

      »Wer sind Sie, was tun Sie hier?«, fragte eine schneidende Stimme auf dem Flur.

      Chris fuhr erschrocken herum und blickte in die Mündung einer Pistole. Sie gehörte einem uniformierten Polizisten frisch von der Polizeischule, der vorsichtig auf sie zutrat.

      »Oberkommissarin Hegel von BKA«, antwortete sie erleichtert. »Mein Ausweis steckt in der linken Hosentasche. Ich ziehe ihn jetzt heraus …«

      Der Uniformierte wartete, die Pistole im Anschlag. Er entspannte sich erst, als er den Dienstausweis sah.

      »Entschuldigen Sie, Kommissarin. Ich bemerkte das zerschnittene Siegel.«

      »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es war Ihre Pflicht, nachzusehen. Mein Fehler. Ich hätte Sie über meinen Besuch informieren müssen. Wieso sind Sie überhaupt hier?«

      »Man hat uns gerufen, um allzu aufdringliche Presse-Fritzen zu vertreiben.«

      Dabei grinste er unsicher und konzentrierte sich auf das Verstauen seiner Pistole.

      »Die verlieren wirklich keine Zeit«, brummte Chris, während sie das Gerät von den Kabeln befreite. »Können Sie mich mitnehmen zum LKA? Ich bin mit dem Taxi gekommen.«

      Der junge Beamte sah sie mit geweiteten Augen an, als hätte sie ihm ein unanständiges Angebot gemacht.

      »Äh – ja, klar, kein Problem«, stammelte er nach einer Schrecksekunde. »Wir sind hier fertig.«

      Ihre immer noch sportliche Figur und der lange, dicke, goldene Haarzopf wirkten offenbar selbst in ihrem lausigen Gemütszustand Wunder. Vielleicht lag es auch nur am angedeuteten Stupsnäschen.

      

      

       Kapitel 2

      Wiesbaden

      Oberstaatsanwalt Richter fing sie vor dem Sitzungszimmer ab und stellte ihr die Frage, mit der sie die Kollegen im BKA neuerdings grüßten:

      »Alles in Ordnung?«

      Der Zusatz »Dr. Hegel« in lauerndem Ton fehlte. Ein sicheres Zeichen, dass der Staatsanwalt keinen heimtückischen Angriff auf sie plante. Sie nickte ihm mit gezwungenem Lächeln zu und trat ein. Richter eröffnete die Lagebesprechung, diesmal unterstützt vom leitenden Ermittler des LKA Hamburg, Hauptkommissar Justus Hansen, einem schmächtigen Mittfünfziger mit kahlem Schädel. Der nickte ihr freundlich zu, bevor er ausholte, um die Erkenntnisse im Fall Hassan Moussouni zusammenzufassen. Die ›Lage‹ verlief professionell emotionslos, als ginge alles seinen gewohnten Gang. Sie erwartete nichts anderes, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Gedanken wiederholt abschweiften. Im Geiste stand sie am Bett ihres Partners, der in diesen Minuten in einem Zustand zwischen Leben und Tod schwebte, während Hansen über Haare und Hautschuppen referierte. Seine letzte Bemerkung ließ sie aufhorchen.

      »In der ganzen Wohnung gibt es nur DNA einer einzigen Person.«

      »Das ist unmöglich«, protestierte sie. »Moussouni wird kaum abwechselnd in einem der beiden Schlafsäcke gelegen haben.«

      Hansen nickte schmunzelnd. »Das hat uns auch stutzig gemacht, zumal Fingerabdrücke zweier verschiedener Personen sichergestellt worden sind.«

      »Ganz was Neues. Ein Mensch hinterlässt Fingerabdrücke aber keine DNA«, brummte ein Kollege aus der KT.

      »Das wäre in der Tat verblüffend«, gab Hansen zu. »So ist es aber nicht. Die zweite Person hat ebenfalls DNA hinterlassen, identische DNA.«

      »Eineiige Zwillinge«, rief Chris überrascht. »Hassan Moussouni hat einen Zwillingsbruder. Warum wissen wir nichts davon?«

      Sie richtete die Frage an den Oberstaatsanwalt. Die Peinlichkeit prallte an ihm ab wie die Billardkugel an der Bande und rollte direkt vor Hansens Füße. Der Hauptkommissar antwortete schnell und schneidig, als hätte er genau auf diese Frage gewartet:

      »Der BND wusste Bescheid.«

      Ein Raunen ging durch die Versammelten. Einzelne gedämpfte Flüche waren zu vernehmen.

      »Ich bitte Sie, meine Herrschaften!«, fuhr Richter dazwischen. Dann fragte er Hansen lauernd: »Der BND hat Sie informiert?«

      »Erst auf unsere hartnäckige Nachfrage hin. Hassan Moussounis Zwillingsbruder heißt Ahmed. Der BND weiß von seiner Existenz. Es gibt jedoch keine Akte über ihn. Ahmed Moussouni sei ein weißes Blatt, behauptet der Nachrichtendienst.«

      Richter murmelte etwas, das gar nicht nett klang.

      »Das dicke Ende kommt erst noch«, fuhr Hansen weiter. »Die Fingerabdrücke des Verletzten sind nicht diejenigen des Terrorverdächtigen Hassan Moussouni. Auf der Hamburger Intensivstation liegt sein Bruder Ahmed.«

      Dieser Gedanke hatte Chris schon beim Hinweis auf die Zwillingsbrüder gestreift.

      »Schätze, Ahmed Moussouni ist ab sofort kein weißes Blatt mehr«, bemerkte sie trocken.

      Richter nickte nachdenklich. »Was die Gewaltbereitschaft betrifft, scheint er seinem Bruder in nichts nachzustehen.«

      Eine Pause entstand, während sein Blick über die versammelten Ermittler schweifte, als müsste er sie zählen. Schließlich fügte er eindringlich hinzu:

      »Das bedeutet, meine Herrschaften: Die Suche nach Hassan Moussouni hat eben erst begonnen.«

      Und wir haben wertvolle Zeit verloren, ergänzte Chris im Stillen. Laut fragte sie den LKA-Kommissar Hansen:

      »Was hat die Untersuchung der Satellitenanlage ergeben?«

      Zu ihrer

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