Vollzug. Hansjörg Anderegg

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vollzug - Hansjörg Anderegg страница 6

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Vollzug - Hansjörg Anderegg

Скачать книгу

Nase hatte sich Erbrochenes angesammelt. Wenig nur, aber die rote Farbe trieb Caros Puls auf 180.

      »Chris, um Gottes willen!«, krächzte sie entsetzt. »Was ist geschehen?«

      Chris regte sich nicht. Atmete sie überhaupt noch? Während Caro auf die Antwort der 112 wartete, suchten ihre Finger zitternd die Halsschlagader der Freundin. Chris‘ Herz schlug schwach und unregelmäßig.

      Betäubender Rosenduft stieg Chris in die Nase. Sie schlug die Augen auf. Sie lag in einem fremden Bett. Gedämpftes Licht drang durch die halb geschlossenen Jalousien ins fremde Zimmer. Sie wusste nicht, wo sie sich befand und wie sie hierher gekommen war, aber sie erinnerte sich an die gleiche Situation vor nicht allzu langer Zeit. Inklusive Nadel im Arm und Infusionslösung am Haken neben dem Bett. Als sie den Kopf auf die andere Seite drehte, sah sie die Rosen. Schon halb verwelkt steckten sie in einer schmucklosen Vase. Daneben schlummerte Jamie leise schnarchend.

      »Willst du dich nicht zu mir legen?«, fragte sie. »Im Bett schläft sich‘s bequemer.«

      Zum ersten Mal seit dem Einsatz in Hamburg lächelte sie wieder. Jamie sprang auf beim Klang ihrer Stimme. Er setzte sich auf die Bettkante, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie vorsichtig auf die Stirn. Sie schlang die Arme um ihn, um ihm zu zeigen, wie man es richtig machte.

      »Lieb von dir, mich zu besuchen«, flüsterte sie nach dem langen Kuss, »aber warum liege ich im Krankenhaus?«

      »Das ist eine unappetitliche Geschichte. Willst du sie wirklich hören?«

      »Aber sicher.«

      »Man hat dir den Magen ausgepumpt. Caro hat angerufen.«

      »Das war doch nicht nötig.«

      »Doch!«, widersprach er heftig. »Bei der Menge Barbiturate und dem Alkohol …«

      »Ich meine, dass Caro dich anruft und du extra herfliegst.«

      Er blickte sie mit dem betroffenen Ausdruck an, dem sie seit der ersten Begegnung nicht widerstehen konnte, und meinte kopfschüttelnd:

      »Dich kann man aber auch wirklich nicht allein lassen, Liebes.«

      Sie richtete sich auf, zog ihn sanft an sich, gerade eng genug, damit er ihre harten Brustwarzen spürte, und säuselte ihm ins Ohr:

      »Musst du eben bleiben.«

      Wiesbaden

      Chris sah es kommen. Sie wusste, was sie erwartete, als Oberstaatsanwalt Richter »Dr. Hegel« zwei Tage nach ihrem Kollaps zu einem Zwiegespräch in sein Büro bestellte.

      »Ich bin nicht verrückt«, sagte sie mit wenig überzeugender Stimme nach seiner Ankündigung.

      »Das hat doch damit nichts zu tun«, wehrte Richter ab. »Ich biete Ihnen lediglich professionelle Hilfe an. Es ist einfach zu viel auf Sie eingestürzt in den letzten Tagen. Ihr Partner liegt schwer verletzt auf der Intensivstation und jetzt ihr Suizidversuch …«

      »Das war kein Suizidversuch!«, fuhr sie auf. »Ich habe nur einen über den Durst getrunken.«

      Er lächelte verständnisvoll, wie man Verständnis zeigt für den bedauerlichen Irrtum eines Kindes.

      »Ich mache mir große Sorgen um meine beste Ermittlerin«, fuhr er fort. »Lassen Sie sich helfen, Dr. Hegel.«

      Sie sah eine Weile durch ihn hindurch, dann entgegnete sie entschlossen:

      »Ich gehe nicht zur Psychotante. Eher müssen Sie mich feuern. Sie wissen, was ich von Psychologen halte. Die lesen ein paar Märchenbücher und glauben, das Leben da draußen zu kennen. Hat einer von denen je ins Mündungsfeuer einer ›SIG Sauer‹ geblickt?«

      Er setzte zu einer Antwort an, schloss den Mund wieder und betrachtete sie lange nachdenklich. Schließlich stieß er einen leisen Seufzer aus und sagte:

      »Ich erinnere mich. Sie haben seinerzeit das psychologische Seminar abgebrochen …«

      »Sie selbst haben mich da rausgeholt«, korrigierte sie schnell. »Vielen Dank auch.«

      »Was mache ich nur mit Ihnen«, klagte er kopfschüttelnd.

      »Lassen Sie mich einfach normal arbeiten … Entschuldigung.«

      Ihr Handy summte. Hauptkommissar Hansen vom LKA Hamburg war am Apparat.

      »Ich habe soeben erfahren, dass sich die Prognose für Ihren Partner verbessert hat. Dachte, das müssten Sie wissen.«

      Ihr Herz hüpfte vor Freude. »Und ob! Vielen Dank. Was sagen die Ärzte?«

      »Soviel ich mitbekommen habe, ist jetzt so gut wie erwiesen, dass keine bleibenden Hirnschäden zu erwarten sind.«

      »Gut, ausgezeichnet. Hoffentlich täuschen sie sich nicht. Wann wird er – geweckt?«

      »Darüber schweigt die Medizin.«

      »Und die Moussouni Brüder?«

      »Noch keine Spur von Hassan. Ahmed wird überleben, ist aber noch nicht ansprechbar.«

      Richter nahm die gute Nachricht gelassen zur Kenntnis. Er saß ihr schweigend gegenüber und strich sich dabei in Gedanken versunken übers Kinn. Ihre Abneigung gegen den psychologischen Dienst schien ihn ordentlich zu erschüttern.

      »Vielleicht nehme ich einige Tage Urlaub«, schlug sie als Zeichen guten Willens vor.

      Ein Ruck ging durch seinen Körper. Begeistert schlug er mit der flachen Hand auf die Tischplatte, als hätte sie sein schwierigstes Problem gelöst.

      »Unbedingt«, betonte er. »Etwas Abstand wirkt wahre Wunder, glauben Sie mir. Ich erlebe das jedes Mal auf dem Golfplatz.«

      Wunder geschahen also wesentlich häufiger, als sie angenommen hatte. Ihr schien, der Staatsanwalt blühe geradezu auf beim Gedanken, sie für ein paar Tage loszuwerden.

      »Apropos Golf …«, sprudelte es weiter aus seinem Mund, »da fällt mir ein, dass uns der BND noch einiges schuldet.«

      Dieser Gedankengang war selbst für ihr analytisch geschultes Hirn nicht nachzuvollziehen.

      »Klären Sie mich auf«, sagte sie etwas ratlos.

      »Ein alter Golfspezi beim BND besitzt ein schönes Haus in Port Grimaud an der Côte d‘Azur, das dauernd leer steht. Der ideale Ort, um ein paar Tage auszuspannen. Ich rufe ihn gleich an.«

      Er griff zum Telefon. Sie überlegte einen Augenblick, ihn daran zu hindern, verzichtete aber darauf. Ihr Quantum Widerspruch war erschöpft für diesen Tag. Beim Verlassen des Büros sprang ihr die reißerische Schlagzeile der Boulevardzeitung ins Auge, die neben der braven ›FAZ‹ im Eingangskorb lag:

       ISLAMISTISCHER TERROR IN HAMBURG!

       Wie sicher sind wir noch in Deutschland?

      Hamburg

      Die Berichterstattung

Скачать книгу