Im Auto um die Erde. Max Reisch

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Im Auto um die Erde - Max Reisch

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aus Wien und London und Zeitungsausschnitte über die geplante Reise liegen geordnet in der Mappe. Ich fühle, dass hier die Geschicke unserer Reise in eine weltumspannende Organisation verwoben sind und dass uns nun ein guter Stern führen wird.

      »Was also kann ich für Sie tun?«

      »Wie kommen wir am besten nach Bagdad?«

      »Oh – das ist alles schon vorbereitet. Sie sind Gäste der I.P.C. und erhalten die Erlaubnis, unsere Privatstraße durch die Wüste zu benützen. Die Straße ist nur für die Dienstautos der I.P.C.; jeden anderen Verkehr weisen unsere Patrouillen zurück. Aber hier sind Ihre Ausweise.« Damit eröffnen sich für die Wüstendurchquerung völlig neue Perspektiven. Wir werden nicht den üblichen Weg über Damaskus und die Oase Rutbah Wells nehmen, sondern entlang der Erdölleitung bis El Hadithe am Euphrat und von dort auf bekanntem Weg nach Bagdad.

      Sofort gehen fünf Telegramme an die entsprechenden Pumpstationen in der Wüste und liebenswürdig verabschiedet uns Mr. MacPherson: »Sie werden staunen, wie angenehm wir Engländer auch in der Wüste zu leben verstehen.«

      Voll hochgespannter Erwartungen und guter Laune treten wir noch am selben Nachmittag die Fahrt in die Wüste an. Über siedend heißen Asphalt gleitet der Wagen durch die Schluchten Judäas abwärts, bis eine Tafel auf Arabisch, Hebräisch und Englisch das Wort »Meereshöhe« verkündet. Vierhundert Meter geht es dann noch tiefer und es ist ein eigenartiges Gefühl, »über sich« Berge vom Wasser aller Weltmeere zu wissen.

      Nun stehen wir an der bleiern schweren Fläche des Toten Meeres. Kann man darin wirklich nicht untergehen? Wir machen einen praktischen Versuch. Regungslos, gleich einem Kork, liegt man auf dem Wasser. Schwimmen im üblichen Sinn ist kaum möglich, weil man mit Händen und Füßen mehr in der Luft als im Wasser herumrudert. »Man raucht eine Zigarette, liest ungestört die Zeitung oder beschattet sich mit einem Schirm«, so steht es in den Prospekten. Solche Ansichtskarten kann man kaufen und in dieser Pose kann man sich fotografieren lassen. Ein jüdischer Fotograf wartet ständig auf neue Opfer. Wie wird doch Miss Liddledale in Nashville, Tennessee, staunen über das Bild von Mrs. Tucker: »Myself in the Dead Sea, in the beautiful Holy Land!«

      Indessen ist das gemütliche Zeitunglesen nur geschäftstüchtige Theorie. Schon nach wenigen Minuten tut das Salz seine Wirkung. Es kribbelt und brennt in den Poren und man hat nur einen Wunsch: Heraus aus der Tunke! Zwanzig Prozent Salzgehalt wollen mit Vorsicht genossen sein. Schnell in den Jordan hinein und die Salzkruste gründlich abgespült! Mag sein, dass just an dieser Stelle einst Johannes Jesum Christum taufte. Sicher ist, dass dort, wo einst der tüchtige englische General Allenby den Fluss überquerte, jetzt eine schöne Brücke, nach diesem General benannt, den Fluss überspannt. Wir sind ihm weniger für seine Taten als für diese Brücke dankbar. Damit hört aber auch alles auf, was mit Straßenbau und Zivilisation zusammenhängt. Wir verlassen Palästina und treten ein in das selbständige Emirat Transjordanien.

      Damit beginnt endlich das wirkliche Asien.

      Steinig und steil steigt der Weg aus der Depression des Toten Meeres an den Hängen des Jordantales aufwärts. 1200 Meter Höhe sind im El-Barka-Gebirge zu überwinden bis nach Amman, der Hauptstadt Transjordaniens. Mörderisch brennt die Maisonne auf die kahlen Felswände und schwer arbeitet sich der Motor im ersten Gang höher. Das Kühlerthermometer zeigt schon über 90 Grad.

      »Der Wagen ist viel zu schwer!«

      Helmuth nickt schweigend. Ich schiele zu ihm hinüber und sehe sein besorgtes Gesicht. Die überlasteten Federn ächzen auf dem holprigen Weg.

      100 Grad. Der Kühler pfeift und kocht. Ich halte den Wagen an. Helmuth kramt eine Landkarte von Asien hervor: »Da ist Palästina und da ist China. Etwa 400 Kilometer sind wir schon gefahren und rund 23.000 sind es noch.«

      Wir saßen lange grübelnd nebeneinander, die große Asienkarte auf den Knien. Wir waren beide sehr bedrückt und ich dachte mit einer gewissen Wehmut an die Indienfahrt mit dem Motorrad zurück. Damals gab es keinen kochenden Kühler und keine Möglichkeit, Berge von Gepäck mitzuschleppen …

      Unser Ballast war die Ursache allen Übels und in dieser Erkenntnis sagte ich schließlich: »Wir müssen uns bescheiden! Der hintere Teil der Karosserie muss radikal beschnitten und das Gepäck nochmals reduziert werden.«

      Ob das aber gegen die Überhitzung des Motors bei diesem Klima entscheidend hilft? Im Bordbuch steht: »Warum hat der Motor keine Wasserpumpe?« Dazu ist zu sagen: »Die serienmäßige Thermosiphon-Kühlung war für Europa sicher ausreichend. Aber für diese Expedition? Warum hat die Fabrik keine Wasserpumpe eingebaut? – So schiebe ich die halbe Schuld auf andere: Andererseits wäre es wohl meine Aufgabe gewesen, die Fabrik auf die Klima-Probleme aufmerksam zu machen. Und wiederum andererseits: Die Direktion hatte darauf bestanden, dass nichts geändert werde; ein serienmäßiger Wagen, wie ihn jeder Kunde kaufen kann, soll Asien durchqueren! Das war sicherlich ein gewichtiges Werbeargument. Aber wir hatten darunter zu leiden.

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      Helmuth lächelte, aber er sagte nichts. Wir wurden uns einig, dass in Bagdad der Umbau der Karosserie erfolgen sollte.

      Zumindest seelisch erleichtert fuhren wir bei Einbruch der Dunkelheit weiter. Schön sind die Nachtfahrten im Orient. Ein satt funkelnder Sternenhimmel, fast greifbar nahe, wölbt sich über der Landschaft. In den Felsen der Schlucht sitzen eng beisammen Scharen von Störchen. Wie Schneeflächen leuchten sie auf, wenn das Licht auf ihr Gefieder fällt. Sie scheuen nicht auf, denn sie sind müde von der langen Reise. Vom Sudan kommen sie und wissen, morgen geht es weiter, den nordischen Gefilden, dem europäischen Frühling entgegen. Einige heben verschlafen den Kopf aus dem Gefieder und sehen uns mit den ernsten Philosophenaugen lange nach. Vielleich denkt einer: Komische Menschen, jetzt nach dem Süden zu reisen!

      Um elf Uhr abends schlagen wir das Zelt auf. Es ist das erste Nachtlager der Expedition unter freiem Himmel. Auf den Feldbetten schläft es sich herrlich und ich dachte an die vielen, endlos langen Nächte zurück, die ich auf früheren Motorradfahrten auf nackter Erde verbracht hatte. Aber ich konnte mich meines weichen Bettes nicht richtig freuen. Dieser Komfort war teuer erkauft.

      Wir schlafen kaum, als grelles Licht uns weckt. Aus einem Auto springen verwegene Gestalten und eilen auf uns zu. Auch wir springen von den Betten hoch. Arabische Stimmen reden auf uns ein, bis wir uns auf Englisch einigen: Nein, wir sind keine Briganten und Räuber. Nein, wir fühlen uns ganz sicher hier und brauchen keinen Schutz. Vielen Dank!

      Die Militärpatrouille des Emirs Abdullah salutiert, besteigt ihren Wagen und ist bald im Dunkel der Nacht verschwunden.

      Sechzig Kilometer nördlich von Amman verläuft in ziemlich genauer Ost-West-Richtung die Ölleitung. An sie wollen wir baldmöglichst Anschluss gewinnen. Mehrmals quert die sandige Piste die Schienen der berühmten Hedschasbahn, auf der jetzt nur mehr einmal die Woche ein Zug bis Maan in Südtransjordanien fährt. Früher verkehrte diese Bahn 1300 Kilometer lang bis Medina, heute besteht sie nur mehr auf der Karte. Schwellen, Schienen, Signalanlagen, ja selbst die Stationsgebäude wurden stückweise von den Beduinen verschleppt. Ich möchte kein Aktionär der Hedschasbahn sein, schon lieber von der Iraq Petrol Company, deren Ölleitung jetzt vor uns in der gleißenden Wüste liegt. Sehen kann man sie freilich nicht. Nur ein endlos langer Erdwall deutet an, dass unter ihm das dreißig Zentimeter starke Stahlrohr liegt, durch das das »flüssige Gold« pulsiert. Von unserem Standort sind es achthundert Kilometer bis nach Kirkuk, wo das Erdöl aus der Tiefe quillt. Nach der anderen Seite hundertfünfzig Kilometer bis zum Mittelmeer.

      Nach Osten wendet sich der Blick. Immer kleiner und kleiner

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