Speyerer Altlasten. W. W. Pook

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Speyerer Altlasten - W. W. Pook страница 4

Speyerer Altlasten - W. W. Pook

Скачать книгу

Die grünen Augen glänzen, die Zähne sind makellos, was will ich mehr. Meine jugendliche Figur mit harmonischen Rundungen habe ich mir auch bewahrt, obwohl ich dem guten Essen gerne zuspreche.

      Gretchen sagte immer, ich entspringe der Rasse der Babajagas, die alle schlank waren, hoch aufgeschossen und essen konnten, soviel und was sie wollten.

      Nur die Größe habe ich von meiner Mutter, oh, und auch die psychologische Ader. Eine spezielle Kunst, im Umgang mit Menschen und ihren Schattenseiten, die an keiner Universität gelehrt wird. Ein vererbtes Talent, eine angeborene Schnüfflernase, gepaart mit einem Gehirn, das Assoziationen und Verknüpfungen herstellen kann, die uns von allen anderen unserer Zunft unterscheidet.

      Ich wähle für den Tag eine helle Leinenhose und eine bunte Bluse und da draußen die Sonne scheint, schlüpfe ich in meine neuen Basler Sandalen, die mir Maarten mitgebracht hat.

      In der Küche sitzen die alten Mädchen bereits beisammen.

      „Inger, mein Mädchen, hast du gut geschlafen?“, tönt mir Ullas Ruf entgegen und ich nicke freundlich in ihre Richtung.

      Auch Gretchen thront am Esstisch, die Nase hinter der Tageszeitung verborgen. Ich gebe ihr ein Küsschen und richte Maartens Grüße aus.

      „Ohh, das Mädchen hat einen Freund?“, ruft Ulla zu Gretchen, die wie eine Schlange den Hals reckt, über den Zeitungsrand lugt und erwidert:

      „Und was für einen. Zwei Meter lang, dünn wie eine Bohnenstange, Beine wie ein Storch, Hände und Füße so groß wie Windmühlenflügel und das Gesicht unter lauter rauen Stoppeln vergraben. Der Kerl ist über sechzig und wenn er mal was sagt, was selten vorkommt, dann sind das messerscharfe wohlbedachte Worte, die selbst dich und mich mit einem Schlag mundtot machen!“

      Damit verschwinden die blitzenden Augen wieder hinter der Zeitung und Ullas offener Mund und staunender Blick schießen zu mir herum, als hätte sie unerhörte Dinge über mich gehört.

      „Mijn Vader!“, sage ich schnell zwischen zwei Schlucken Kaffee, womit sich Ullas Blick entspannt und Gretchen von der Freundin einen Knuff erhält.

      „Au!“, schreit Frau Doktor. „Wodurch habe ich den verdient? Ich sagte nichts weiter als die Wahrheit, die reine Wahrheit, so rein wie der Rhein bei Rheinhausen!“

      Gekicher wird laut und ich esse Schnittchen vom Vorabend.

      „Was steht heute auf dem Plan?“, frage ich und als hätten die Geier nur auf die Futterglocke gewartet, wenden sich mir zwei grinsende Gesichter zu und legen mir eine handgeschriebene Liste vor. Das Schnittchen stellt sich mir quer im Hals. Ich huste und bereue bereits meine Frage.

      -Klosterbesichtigung mit Audienz bei Oberin Sr. Bryonia. Tatortbesichtigung und Befragung.

      -Besuch in der Löwengasse 13, Wohnsitz des verstorbenen Oskar Metzger, Putzfrau ist vor Ort.

      -Besichtigung des Nebenzimmers im Domnapf. Nachfrage, ob für heute Abend - Klassentreffen - alles gerichtet ist.

      -Kranzbestellung und Kirchendekoration für die Beerdigungen, zuvor Nachfrage beim Bestattungsunternehmen, ob die Leichen freigegeben sind.

      -Schorsch anrufen, ob er die Feierlichkeiten übernimmt.

      -Kontaktaufnahme zur Kripo LU Verknüpfungspunkte aufzeigen.

      -Hut kaufen für Gretchen.

      Änderungen vorbehalten.

      „Klosterbesichtigung und Tatortbesichtigung?“, frage ich über den Esstisch hinweg und ernte nur erstauntes Schnauben. Ich ziehe die Achseln hoch, weil mir der Zusammenhang noch immer nicht klar ist, und Gretchen geht ein Licht auf.

      „Kindchen, ich vergaß, dir zu erzählen. Wie konnte ich das nur vergessen? Drei Mädels aus unserer Abiturklasse gingen ins Kloster. Liesel, Maria und Johanna. Da, hinter dem Dom wo wir lange Zeit gemeinsam die Schulbank drückten. Sie traten ein in das Kloster zur hl. Bernadette und wurden Nonnen!“

      Ulla ergänzte Gretes Worte.

      „Es waren genau die drei, von denen das keiner je gedacht hätte. Wir fielen nach dem Lehrerstudium aus allen Wolken, als die Mädels uns das verkündeten. Ich weiß noch, dass ich Gretchen sofort nach Heidelberg schrieb, aber die hatte noch schlechtere Nachrichten. Sie hatte bereits die Koffer gepackt für Holland!“

      Wieder Gekicher wie von kleinen Schulmädchen und ich schiebe das Blatt von mir weg.

      „Wenn ich das alles recht verstehe, so waren die ersten Opfer Nonnen aus einem Speyerer Kloster zur hl. Bernadette?“

      „Genau richtig erkannt!“, ruft Ulla,

      „Und in welcher Beziehung stand der getötete Mann zu ihnen?“

      „Na das ist doch der springende Punkt!“, schreit Ulla, dass mir die Ohren tönen.

      „All die aus unserem Abiturjahrgang, sechs Stück, zwei Buben und vier Mädchen, arbeiteten von der Uni weg im Kloster zur hl. Bernadette. Das war eine Sensation, sag ich dir. Männliches Lehrpersonal an einer Mädchenschule, einer Klosterschule und auch noch mit Internat!“

      Ich kann die Sensation nicht mal halbwegs erahnen, von der Ulla hier so aufgeregt berichtete und stehle mich aus der Situation mit der Frage:

      „Und wer ist der Schorsch?“

      „Na, der Schorsch ist der Domdekan von Speyer, Georg Schmidt, auch ein 38er. Der soll die Beerdigungen und die Feierlichkeiten übernehmen!“

      Langsam ziehe ich mich aus den Tagesplanungen zurück, denn die fordern mein Sprachverständnis zu sehr. Nur ein Hellseher könnte den Abmachungen und Planungen der alten Mädchen folgen, die von mir viel zu viel Wissen voraussetzen. Domdekan Schorsch, wie sollte ich auf dessen richtigen Namen schließen können?

      Mit einer weiteren Tasse Kaffee gehe ich zum Fenster, das mir den Blick zum Dom bei Tage präsentiert.

      Ein herrlicher Julitag ist angebrochen und die ersten Fußgänger sind unterwegs. Ein kleiner Mann mit schütterem Haar blickt lange zu mir herauf und schließlich winkt er freundlich und zieht seinen Hut vor mir. Lächelnd winke ich zurück und werde irgendwie das Gefühl nicht los, dass ich den Mann nicht zum letzten Mal gesehen habe. Er verschwindet in Richtung des Denkmals des Jakobspilgers, der auf dem Weg nach Santiago de Compostella seinen Standort auf dem gegenüberliegenden Gehsteig nie verändert.

      Die Schulkinder radeln unter mir vorbei, obwohl es erst zwanzig Minuten vor acht Uhr ist. Ihre Sprache verstehe ich kaum, ansonsten unterscheiden sie sich nicht von den Kindern meiner Heimat.

      „Kindchen!“, ruft Grete, „Mach dich fertig, wir wollen gleich los!“

      In der Küche höre ich Geschirrklappern und meine Tasse stelle ich in den Spülautomat dazu. Ulla verschwindet in ihrem Zimmer und ruft mir zu, als wäre ich ein Kind:

      „Wird heiß heute, Ingerchen, die Rheinpfalz meldet Temperaturen bis 30° C. Wenn du gelüftet hast, schließ die Fenster und zieh’ die Vorhänge zu, damit die Hitze draußen bleibt, ja?“

      „Aye, aye, Käp’ten!“, rufe ich als Antwort und wieder antwortet mir das Altweibergekichere.

      Vor

Скачать книгу