Speyerer Altlasten. W. W. Pook
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„Was du nicht wissen kannst, die Inger ist doch eine Polizeipsychologin!“, wobei sich Ulla verschwörerisch zu Ernst über den Tisch beugt und ihm mit ihrer Gabel beinahe in die Nase sticht.
„Das Mädchen ist berühmt, sag ich dir, hat noch jeden Fall gelöst, der ihr vor die Nase kam. Ein echtes Naturtalent als Profilerin. Nur zu blöd, dass sie es hier nicht mehr tun will, weil die deutschen Behörden ihre eigenen Leute haben. Aber ich arbeite daran, das darfst du mir glauben!“
Drei alte Augenpaare blitzen mir wie auf Kommando zu, als ob ich eine Bosheit getan hätte. Vergebens lange ich nach meinem Stein und finde ihn nicht, weil ihn der Kellner mitgenommen hat. Verlegen rühre ich im Rest Sauerkraut, als ob ich eine Perle darin finden könnte.
„Weiter im Text. Am Mittwochabend, also gestern, telefonierte ich noch mit Oskar, dass er auf der Hut sein solle und das ich mit Verstärkung käme, um ihm alles Nähere zu erklären. Doch als wir eintrafen, Gretchen, Inger und ich, war die Haustür nur angelehnt und was fanden wir im Wohnzimmer?“
Gebannt lauschen die Gäste an den anderen Tischen und so mancher hat den Kopf in Ullas Richtung gebeugt, um ja nichts zu verpassen.
„Den Oskar, auch erdrosselt bis der Kopf ab war, mit einem Draht, auch ein 38er, auch ein ehemaliger Lehrer des Klosters zur hl. Bernadette.
Halten wir die Gemeinsamkeiten fest:
Alle drei waren 38er.
Alle waren Lehrer oder Lehrerinnen im Kloster.
Alle wohnten sie in Speyer, Nähe Dom, Nähe Kloster.
Alle waren, auf Neudeutsch gesagt: Single.
Alle waren gute, unauffällige Bürger der Stadt.
Alle wurden auf dieselbe Weise getötet.
Von wem? Warum? Und vor allem, wer noch?“
Jetzt erhebe auch ich wieder meine Augen. Was soll diese unmögliche Frage? Grete sperrt ungläubig den Mund auf, schweigt aber fassungslos. Ernst starrt Ulla an und deutet mit dem Zeigefinger auf ihren Busen und stammelt:
„He Mädchen, du warst doch auch Lehrerin im Kloster. Du bist auch eine 38er. Du wohnst auch hier in der Nähe und bist Single. Und wenn meine Recherchen all die Jahre stimmen, dann warst auch du immer ein braves Mädchen, nicht wahr?“
Ulla bestätigt mit einem majestätischen Kopfnicken. Grete schlägt die Hände vor ihren Mund. Ernst rauft sich erregt die Haare und stöhnt.
Ich verschränke die Arme vor der Brust und forsche in Ullas Gesicht. Sie muss übergeschnappt sein, denke ich bei mir, aber ich sehe nichts dergleichen in ihren Ausdruck.
„Nun, Mädchen meiner Träume!“, ruft Ernst in die aufgekommene Stille.
„Ich weiche ab jetzt nicht mehr von deiner Seite. Betrachte mich als deinen Bodyguard und verfüge über mich. Ich niste mich in deinem Gemäuer ein, schlaf auch auf deinem Bettvorleger, wenn du das forderst, aber du gehst keinen Schritt mehr ohne mich, verstehst du, das ist ein Befehl!“
Erleichtertes Gekichere schlägt ihm entgegen, was nicht zuletzt vom Bier herrührt, das wir alle intus haben. Doch bevor Ernst enttäuscht dreinschauen kann, hält ihm Ulla die Hand vor die magere Brust und sie beschließen den Pakt gegen Tod und Teufel.
Gretchen ist gerührt vor Glück. Mit einem Blick zur Uhr stellt Ulla fest, dass es Zeit für einen Schönheitsschlaf ist und sie bezahlt die Zeche.
Wie Kadetten folgen wir dem Käp’ten zum Hof hinaus, leicht schwankend vom Speyerer Bier.
Ernst holt seinen Koffer und den guten Anzug aus dem Wagen, der auf dem Domparkplatz steht und dann tauchen wir in die Kühle von Ullas Haus ein.
Stimmen wecken mich. Die Kirchenuhren schlagen sieben Mal. In Ullas Wohnung herrscht Hochbetrieb, alle laufen hin und her.
Im Wohnzimmer treffe ich auf die anderen Bewohner, die sich bereits in Schale geworfen haben für das bevorstehende Klassentreffen. Ulla rückt Ernst die Krawatte zurecht, zieht hier am Kragen und dort an einem Ärmel. Prüft, ob sein Scheitel durch die wenigen Haare gerade gezogen ist und er hält grinsend still wie ein Lämmchen.
Grete sitzt am großen Tisch und sortiert die Handtaschen um, wobei mein Blick auf ihre Waffe fällt.
„Holla Mädchen, hast du dafür auch einen Waffenschein?“, frage ich neugierig und sofort steht Ernst neben mir wie ein Wachhund in Habachtstellung.
„Uiii!“, ist sein ganzer Kommentar und mit Daumen und Zeigefinger nimmt er die Waffe hoch vor die Augen und dreht sie im Licht.
„Natürlich habe ich einen Waffenschein!“, erwidert Gretchen pikiert.
„Bei den vielen Narkotika, die ich im Hause haben muss, meiner verbliebenen Krebspatienten wegen, muss ich eine Waffe haben und regelmäßige Schießübungen ablegen. Die Beamten selbst haben mich beraten, nachdem mein Mann gestorben war, denn das Vorgängermodell war mir viel zu schwer geworden!“
„Das ist eine Pony-Pocketlite, wenn ich mich nicht irre. 9 mm kurz, 6 Patronenmagazin, 370 Gramm schwer!“, stellt Ulla fest und nimmt die Pistole an sich. Sie dreht und wendet das Modell in ihren Händen, als würde sie tagtäglich nichts anderes tun.
Ernst und ich staunen. Dann nimmt Ulla ihre Handtasche und genehmigt uns einen Blick auf ihre Waffe. Ernst fällt die Kinnlade herab und ihm entwischt ein fassungsloses:
„Mädchen?“, das gleichzeitig Hochachtung und Bewunderung ausdrückt. In der Hand hält sie eine Mini-Gun von Smith & Wesson, 9 mm, 8+1 Patronen, 705 Gramm schwer.
„Extra für Linkshänderinnen, wie ich eine bin!“, ergänzt Ulla mit Stolz und steckt die Waffe in die Handtasche, die sie für das Klassentreffen ausgewählt hat.
Für den Abend steht mein Entschluss fest. Ich suche mir im Domnapf einen ruhigen Tisch im Freien, mit Direktblick auf den Dom, wähle aus der Weinkarte einen lieblichen Weißherbst, der rosé in der Abendsonne glänzt.
Meine Alten sind im Nebenzimmer des Gasthauses verschwunden und ich genieße es zutiefst, endlich allein zu sein.
Die vielen Gäste um mich herum stören mich wenig, denn das Stimmengewirr aus Dialekten und anderen Sprachen ist beinahe wie Musik, die im Hintergrund abläuft.
Meine neuen Basler Sandalen habe ich gegen ein Paar leichte Lederschuhe getauscht und jetzt bewege ich genüsslich die Zehen unter dem Tisch.
Während ich den ersten Schluck Wein in meinem Mund schwenke, so wie Maarten mir das beibrachte, fällt ein Schatten über meinen Tisch und ich blicke erstaunt in die braunen Augen der Polizistin vom Morgen.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen, Frau Babajaga?“
Mit der Hand weise ich auf einen freien Stuhl zu meiner Rechten und sie setzt sich und legt ihre Mütze auf den Tisch. Neugierig erwarte ich weitere Worte aus ihrem Mund und sie winkt