Future Angst. Mario Herger

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Future Angst - Mario Herger

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Was zuerst Ängste auslöste wie beispielsweise das Fahrrad, von dem Moralunternehmer erwarteten, dass es Menschen in Verrückte, nach Geschwindigkeit Süchtige verwandelte, wird nun zu einer Lösung. Das Fahrrad hilft Menschen, fit zu bleiben und Entspannung zu finden.

      Die Frage, die sich für uns stellt, ist: Zu welcher Kategorie gehören wir? Bleiben neue Technologien für uns aufgrund unserer Verweigerungshaltung so lange neu, dass wir jahrzehntelang nur die Probleme wahrhaben wollen, aber nie die Annehmlichkeiten der Lösungen erkennen? Wie lange reden wir eigentlich schon vom digitalen Wandel? Das begann vor gefühlten zwei Jahrzehnten und nach wie vor sehen wir ihn als Problem, nicht als Lösung.

      Die digitale Malaise

      Verstehen Sie sich nicht als Opfer von Problemen, sondern als Erfinder von Lösungen.

      Carsten Maschmeyer

      Was hatten Apple, Microsoft und Amazon im Jahr 2020 gemeinsam? Jedes einzelne Unternehmen war an der Börse mehr wert als alle 30 im DAX gelisteten Unternehmen zusammen. Während diese drei Unternehmen jeweils nicht älter als 45 Jahre waren, hatten von den 30 deutschen Unternehmen bereits 24 mehr als 100 Jahre auf dem Buckel. Als im Jahr 1997 Steve Jobs wieder das Steuer bei Apple übernahm, war es drei Milliarden Dollar wert, weniger als ein Zehntel von Siemens. Mitte 2020 war Apple 18-mal so viel wert wie Siemens.

      Alle 100 im Technologie-Index NASDAQ 100 gelisteten Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung sind Mitte 2021 mit 15 Billionen Dollar zusammen mehr wert als alle in Europa öffentlich gehandelten Unternehmen.18

      Unternehmen in den deutschsprachigen Ländern konzentrieren sich dabei auf Maschinen- und Anlagenbau, die Automobilindustrie sowie den Chemie-, Pharmazie-, Werkstoff- und Medizintechniksektor, um nur einige zu nennen. Mit unseren Maschinen werden unter anderem die Produkte weltweit gefertigt, werden wir bewegt und dank dieser auch von Wehwehchen geheilt. Natürlich tut man mit dieser Aufzählung vielen anderen Sektoren unrecht, in denen unsere Hersteller ebenfalls erfolgreich tätig sind – beispielsweise im Lebensmittel- und Sportartikelbereich oder im Energiesektor. Gerade im letzteren haben wir eine Wende geschaffen, die zu nachhaltigeren Energieformen geführt hat und als Vorbild für viele andere Länder dient.

      Doch auch wenn Unternehmen wie SAP und Infineon und viele kleine Softwarehäuser sehr rege sind, so kommt aus unserer Mitte kein digitaler Riese, der angesichts der Größe des Sprach- und Kulturraumes hätte entstehen müssen. Nun ist unser Reflex auf diese Fakten oft einer, der die Börsenbewertung als abgekoppelt von den „tatsächlichen“ Werten eines Unternehmens und dessen Wirken auf die Gesellschaften abkanzelt. Bei nüchterner Betrachtung stehen wir aber nicht einfach vor statistischen Anomalitäten, mit denen wir dieses Phänomen einfach wegerklären und die eigene Wirtschaft schönreden können.

      In den Vorstandsetagen ist man sich darüber im Klaren, doch wirken sowohl das Management als auch die Belegschaft hilflos. Trotz eines Exportbooms und Gewinnen ist man sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass man die neuen Technologien weder beherrscht noch den Funken einer Chance zu haben scheint, diese anzuführen und zu dominieren.

      Dies ist ein Paradebeispiel, wie die Wirtschaft unserer Länder von den Technologien des 21. Jahrhunderts abgehängt wird. Die Wirtschaft der Länder wandelt sich von einer von materiellen Werten dominierten hin zu einer, deren immateriellen Werte immer größere Bedeutung erlangen.

      Wie sehr diese Schere auseinandergeht, sah man bei der Coronakrise. Während dieselben digitalen amerikanischen Konzerne enorme Wachstumsschübe erfuhren und sich beinahe schon für die Gewinnsteigerungen entschuldigten, mussten deutsche Unternehmen teils massive Verluste hinnehmen.

      Digitale Technologie wurde zur Rettungsleine für die Bevölkerung, die wegen der Ausgangsverbote in Seuchenzeiten nur dank E-Commerce, Cloud-Lösungen, Videokonferenzwerkzeugen und Videostreaming-Dienstleistern sich mit dem Lebensnotwendigsten versorgen und teilweise die Arbeit und die Schule von zu Hause fortsetzen konnte. Und da wurde den Bürgern klar, wie sehr man Breitbandinternet und leistungsstarken Mobilfunk bislang vernachlässigt hatte. Unternehmen, für die die digitale Transformation nur ein Lippenbekenntnis war, hatten einige Mühe, die Infrastruktur zur Aufrechterhaltung des Betriebs einzurichten.

      Nicht nur Unternehmen, auch die Regierungen und Behörden waren überfordert. Zwar gibt es seit Jahren, teilweise seit mehr als einem Jahrzehnt großspurige Digitalisierungsinitiativen und Digitalisierungskonzepte, aber getan hat sich wenig. Beispiel gefällig? Aus der Schweiz mussten wir vernehmen, dass

      [d]ie vom Innendepartement (EDI) erlassene Verordnung über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen verlangt, dass Meldungen ans BAG [Bundesamt für Gesundheit] per Post, Kurier oder Fax gemacht werden müssen.19

      Das BAG war so überfordert gewesen mit der eintrudelnden Papierflut, dass sie mit dem Zählen nicht nachkam. Man hatte auch tagelang übersehen, dass das Papier im Faxgerät zu Ende gegangen war, und so keine Meldungen mehr erhalten.20 Man weiß bis heute nicht, wie viele auf diese Weise nicht erfasst worden waren. Wie löste man das Zählproblem? Mit ganz modernen Mitteln: Einerseits bezog man die Zahl der Todesfälle von Wikipedia, andererseits legten die Mitarbeiter den Stapel an Formularen der gemeldeten Fälle auf eine Waage, um auf diese Weise die Fälle abzuschätzen. Es ist nicht bekannt, ob es sich um eine Digitalwaage handelte.

      In England war man nicht besser vorbereitet. Dort fielen fast 16.000 Fälle unter den Tisch, weil man die Tabellenkalkulation Microsoft Excel verwendet hatte, deren Tabellen nur knapp etwas mehr als eine Million Zeilen zulassen.21 Als die gemeldeten Zahlen mehr als eine Million überschritten, war die Exceltabelle voll und weitere Datensätze fielen unter den digitalen Tisch.

      Die Schwierigkeiten, neue Technologien zu akzeptieren, anzuwenden, sie zu entwickeln und innovativ voranzutreiben, birgt noch andere Risiken. Heimische Unternehmen könnten zu attraktiven Übernahmezielen und von gut finanzierten amerikanischen und chinesischen Digitalunternehmen einfach geschluckt werden – wenn sie Glück haben und mit der Zeit nicht einfach schließen müssen.

      Während wir nach wie vor von den Erfolgen der Gründerzeit vor 1900 zehren, sollten wir schon längst die nächste Generation an Unternehmen starten und entsprechende Technologien entwickeln. Doch das will und will uns nicht gelingen. Aus unserer Mitte kommt mit Ausnahme von SAP kein einziges Unternehmen, das in den führenden Technologien des 21. Jahrhunderts allen anderen voranschreitet, das Maßstäbe setzt und zugleich Zehntausende von Arbeitsplätzen schafft. Es sind auch kaum Unternehmen am Start, um diesen Weg zu gehen.

      So führt das Analystenhaus CB Insights eine Liste von sogenannten Unicorn-Start-ups – Unternehmen mit Bewertungen von einer Milliarde Dollar und mehr. Deutschland weist unter weltweit 487 Unicorns 13 und die Schweiz vier dieser seltenen „Einhörner“ auf. Im Vergleich dazu kommen China auf 122, die USA auf 235, das kleine Israel auf sieben und das Vereinigte Königreich auf 27 Unternehmen.22

      Legen wir das auf die Größe der Länder um: Mit einer Basis von knapp 100 Millionen Einwohnern und 17 Unicorns im deutschsprachigen Raum käme Israel mit heute knapp 8,8 Millionen Einwohnern bei gleicher Bevölkerungszahl auf etwa 80 Unicorns, das Vereinigte Königreich mit 67 Millionen Einwohnern auf 40. Würden die USA mit 328 Millionen Einwohnen so schwach abschneiden wie Deutschland, dann dürften dort nur 72 Unicorns sein.

      Wie man es auch dreht und wendet, es lässt sich an der Tatsache nichts ändern, dass wir Underperformer auf der globalen Bühne sind, wenn es um digitale Technologien geht. Die Ursachen sind vielschichtig und wir werden auf diese in späteren Kapiteln noch ausführlicher eingehen und auch Lösungen ansprechen.

      Bezeichnend, wie

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