Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft. Группа авторов

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Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft - Группа авторов Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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Modell nach Abb.1 legt nahe, dass besser abgestimmte politische Rahmenbedingungen der vier Politikpole dazu führen könnten, den sozialräumlichen Akteuren genügend Freiheiten zu geben, vor Ort das gemeinwohlorientierte Optimum zu erreichen, vgl. Abb. 3.

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      1. Ebene 1: Setzung von Rahmenbedingungen

      Eine Chance, dies zu erreichen, könnte darin liegen, die derzeitigen politischen Entscheidungs- und Verhandlungssettings um neue Verhandlungssettings zu ergänzen. Bei diesen sollen nicht ein oder zwei Pole handeln und jeweils versuchen ihre Interessen zu maximieren oder in bilateralen Verhandlungen konkrete Ergebnisse zu erzielen, sondern es sollen sich Akteure aller vier Pole treffen. Die Akteure müssen versuchen, einen gemeinsamen ordnungspolitischen Rahmen abzustecken, der in den Sozialräumen bessere Chancen bietet, dort das gemeinwohlorientierte Optimum zu erreichen (vgl. Abb. 3). Ob dadurch die benannten vier Settings nur ergänzt oder sogar ersetzt werden können, bleibt abzuwarten. Auch Treffen von Akteuren der Verhandler, der Pole Q, F, und M ohne O können hilfreich sein; zum Beispiel als Lösungsmodell, wenn Tarifverhandlungen und Kostensatzverhandlungen isoliert nicht mehr zu Ergebnissen führen.

      Sozialpartnerschaftliche Verhandlungsmodelle in dieser Weise neu zu denken, kann nur über einen längeren Prozess der Vertrauensbildung zum Erfolg führen. Druckmittel bzw. Schiedssprüche zur Erreichung eines Verhandlungsergebnisses, wie in den zweipoligen Verhandlungen, scheiden für die drei- oder vierpoligen Verhandlungen aus. Alle Verhandlungspartner als Repräsentanten der vier Pole müssen sich dabei auf Gespräche einlassen, die alle vier Pole gleichzeitig im Blick haben. Das wird nur gelingen, wenn man sich vorher auf gemeinsame Ziele einigt.

      Das heißt etwa für das Hilfefeld Alter- und Pflege: Die doppelte demografische Herausforderung soll im Sinne des Gemeinwohls besser bewältigt werden. Der einzige Verhandlungsdruck, der für alle besteht, ist, dass man im Fall des Misserfolges wieder auf die schlechteren Ergebnisse der oben benannten vier Settings angewiesen sein wird.

      2. Ebene 2: Förderung von sozialräumlicher Kooperation und notwendiger Beschränkung von Wettbewerb

      Kommt es auf der Ebene 1 zu einem erfolgreichen Ergebnis, können innerhalb eines neu gewährten Spielraumes, die sozialräumlichen Akteure ihre eigenen Überlegungen zur Beschränkung des örtlichen Angebotswettbewerbs im Verhältnis zu den örtlich sinnvollen Kooperationen anstellen. Eine Clearingstelle auf Landkreisebene (Konferenzen für Gesundheit, Alter und Pflege), in der Repräsentanten aller vier Pole vertreten sind, könnte diese Überlegungen sozialraumbezogen anregen und am Ende auch das Ergebnis bewerten. Auch solche örtlichen und landkreisbezogenen Strukturen lassen sich nur über einen längeren Weg der Vertrauensbildung aufbauen.

      VI. Schlussbemerkung

      Derzeit befindet sich die verbandliche Caritas in einer sehr spannenden Entwicklungsphase. Einerseits sind die Trends der Säkularisierung und Ökonomisierung ungebrochen, anderseits nehmen Versorgungsnöte zu und legen die Grenzen von Angebotswettbewerb und Ausschreibungssystemen deutlich offen. Zudem steht die Sozialwirtschaft an der Schwelle der digitalen Revolution und vor massiven Herausforderungen für die Organisation von lebenswerten Sozialräumen. Das bedeutet für die katholische Kirche und ihre verbandliche Caritas große Chance und großes Risiko zugleich. Für diese Herausforderungen – neben dem weiter notwendigen großen praktischen innovativen Anpassungsvermögen der Rechtsträger – erscheint es von höchster Bedeutung, die dazu passende hochkomplexe und hoch innovative verbandliche Theoriebildung und Strukturbildung zu intensivieren, zu dynamisieren und nachhaltig/inklusiv am Zusammenhalt unserer Gesellschaft für die darin lebenden Menschen auszurichten.

      1 Rund 660.000 Hauptamtliche und mindestens 340.000 Ehrenamtliche im Jahr 2016.

      2 Deutscher Caritasverband, 2007: Tarifpolitische Leitlinien. URL: https://www.caritas.de/cms/contents/caritasde/medien/dokumente/tarifpolitischeleitl/tarifpolitische_leitlinien_endfassung.pdf?d=a&f=pdf, abgerufen am 21.05.2019

      3 Deutscher Caritasverband, 2008: Leitlinien für unternehmerisches Handeln der Caritas. In: Neue Caritas 20/2008, S. 31–39, URL: https://www.caritas.de/cms/contents/caritasde/medien/dokumente/dcv-arbeitsbereiche/sozialwirtschaft/leitlinienfueruntern/nc20_2008_doku_unternehmensleitlinien.pdf?d=a&f=o, abgerufen am 21.05.2019

       Georg Cremer

      I. Zumutungen einer neuen Rolle: Unternehmen in den Märkten sozialer Dienstleistungen

      Norbert Feldhoff wurde 1996 Vizepräsident des Deutschen Caritasverbandes, in einer Zeit, in der sich die Architektur der Erbringung sozialer Dienstleistungen in Deutschland und die Beziehungen zwischen öffentlichen Leistungsträgern und privat-gemeinnützigen Leistungserbringern stark veränderten. In Folge dieser Veränderungen müssen die sozialen Dienste der Caritas heute als unternehmerische Einheiten in einem wettbewerblichen Umfeld gesteuert werden. Mit der Einführung der Pflegeversicherung (SGB XI) Mitte der 1990er Jahre hat sich die bundesdeutsche Sozialpolitik de facto von der über lange Zeit unangefochtenen Vorstellung verabschiedet, „der Markt“ und „das Soziale“ stünden per se im Widerspruch. Der Markt zur Erbringung von Pflegeleistungen wurde stark ausgeweitet und gegenüber privat-gewerblichen Anbietern geöffnet. Auch bei anderen sozialen Dienstleistungen ist der Wettbewerb intensiviert worden. Dies warf große Herausforderungen auch für die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahren auf. Als Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes von 1996 bis 2010 wirkte Norbert Feldhoff in herausgehobener Funktion an einer der entscheidenden Schaltstellen mit, die Veränderungen zu bewältigen. Der folgende Beitrag thematisiert die Herausforderungen für die verbandliche Caritas, auf die verstärkte Nutzung von Markt und Wettbewerb bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen eine angemessene ordnungspolitische Antwort zu finden und sich in den Märkten sozialer Dienstleistungen glaubhaft zu behaupten.

      Die mit der Pflegeversicherung angestoßenen, aber den gesamten sozialen Dienstleistungssektor erfassenden Veränderungen waren nicht das Ergebnis eines die Hilfefelder übergreifenden Reformplans zur Stärkung des Wettbewerbs bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen; sie verliefen in den einzelnen Hilfefeldern sehr unterschiedlich und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Sie war auch nicht begleitet von einer ordnungspolitischen Debatte darüber, wie die Märkte sozialer Dienstleistungen zu gestalten seien. Auch war die Haltung der Leistungsträger durchaus widersprüchlich. Sie betonten die Bedeutung des Wettbewerbs insbesondere dann, wenn sie mit der Einführung wettbewerblicher Elemente tendenziell eine Kostensenkung erwarteten, bewerteten aber dennoch die einer wettbewerblichen Gestaltung inhärente Vielfalt von Anbietern als „überflüssige“ Doppelstruktur.

      Trotz aller Umbrüche blieb das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis das in Deutschland dominierende Marktordnungsmodell für die Märkte sozialer Dienstleistungen: Der Staat garantiert den Zugang der Bürger und Bürgerinnen

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