Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft. Группа авторов

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Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft - Группа авторов Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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und ehrenamtliches Engagement einwerben. Diesen Anspruch zu stellen und ihm trotz Widrigkeiten einigermaßen gerecht zu werden, sollte ein Markenzeichen der Caritas bleiben.

      V. Nicht die Schlachten der Vergangenheit schlagen

      In der Literatur mangelt es nicht an harschen Urteilen daran, wie die Wohlfahrtsverbände und mit ihr die verbandliche Caritas die Umbrüche auf den Märkten sozialer Dienstleistungen bewältigt haben. Sie hätten die Marktorientierung verinnerlicht, dies habe „zu starken Einbußen des traditionellen verbandlichen Selbstverständnisses [geführt], welche die Identität und Legitimität der Freien Wohlfahrtspflege dauerhaft in Frage stellen.“12 „Das neue Leitmedium: Geld entfernte die Wohlfahrtsverbände vom Gedanken der gelebten Solidarität. Ein freiwilliges Engagement der Bürger in Wohlfahrtsverbänden – als nunmehr zu Wirtschaftsverbänden konvertierten Organisationen – wird immer unwahrscheinlicher.“13 Auch werfen sie den Wohlfahrtsverbänden eine „passive Anpassungsstrategie“ und „ein offenkundiges Strategie- und Philosophiedefizit“ vor.14 Und Möhring-Hesse konstatiert „die langsame Auflösung der Freien Wohlfahrtspflege bei gleichzeitiger Stabilität ihrer Institutionen“:

      „Sie entwickelt sich in der Bundesrepublik prächtig, aber sie entwickelt sich in eine Richtung, dass sie immer weniger die Freie Wohlfahrtspflege ist, die man unter dem Begriff „Freie Wohlfahrtspflege“ u. a. in normativer Absicht erwartet, – und dies obgleich die Institutionen, an die diese Erwartungen adressiert werden, in hoher Kontinuität bestehen.“15

      Diese Kritiken beruhen auf der Grundposition, eine stärker wettbewerbliche Steuerung der Erbringung sozialer Dienstleistungen sei ein Irrweg; den Wohlfahrtsverbänden wird implizit oder offen vorgeworfen, diese Entwicklung nicht verhindert zu haben. Ob sie den dazu erforderlichen politischen Einfluss gehabt hätten, ist mehr als zweifelhaft. Der Vorwurf der Strategielosigkeit stimmt für den Caritasverband, wie die obigen Darlegungen zum verbandlichen Einsatz zur Sicherung eines offen gestalteten Sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses zeigen, nicht – auch wenn die eingeschlagene Strategie zweifelsohne nicht diejenige war, die die Kritiker sich gewünscht hätten.

      Das Bild der „Auflösung“ der Freien Wohlfahrtspflege durch die „Vermarktlichung“ hat Elemente der Verklärung der Verhältnisse unter den Bedingungen des Neokorporatismus. Unternehmerische Interessen, die mit den Interessen der Nutzer im Konflikt stehen können, gab es auch zu Zeiten des Selbstkostendeckungsprinzips, es wurde über sie aber wenig gesprochen. Auch in diesen Zeiten war Geld ein „Leitmedium“. Auch damals gab es zum Beispiel ein Spannungsverhältnis zwischen den Interessen an Bestandssicherung großer stationärer Einrichtungen und Bedürfnissen der Nutzer nach stärker individualisierten, dezentralen, wohnortnahen Hilfeformen. Die Auseinandersetzung hierzu war etwa in der Behindertenhilfe von Bedeutung.

      Ohne Zweifel haben die Herausforderungen der Marktbehauptung die Wohlfahrtsverbände verändert. In Leitungspositionen arbeiten vermehrt Betriebswirte statt allein oder vorrangig Fachkräfte sozialer Professionen; in Vorständen örtlicher Gliederungen arbeitet häufig ein Tandem beider Qualifikationen. Eine gewisse Mitverantwortung an dieser Verschiebung zwischen den Professionen dürften auch die Hochschulen für Soziale Arbeit tragen; wenn in der Ausbildung für die Sozialberufe Studierende in einer Aversion gegen „das Ökonomische“ bestärkt werden, werden sie nicht darauf vorbereitet, fachliche und betriebswirtschaftliche Herausforderungen gemeinsam im Blick zu behalten. Die Hochschulen haben so auf Leitungsebene zu jener „Verbetriebswirtschaftlichung“ beigetragen, die aus ihren Reihen so vehement kritisiert wurde.

      Ob Wohlfahrtsverbände, wie unterstellt, ihr sozialanwaltschaftliches Engagement reduziert haben, ist eine empirische Frage. Bis heute halten alle Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege den Anspruch hierauf aufrecht. Nicht plausibel ist, dass die stärker wettbewerbliche Erbringung sozialer Dienstleistungen einen solchen Rückzug erzwingen würde oder, falls er zu konstatieren wäre, erklären könnte. Wenn man argumentiert, dieser erfolge aus Rücksichtnahme auf die Interessen der Leistungs- und Kostenträger, so wird man konzedieren müssen, dass auch im „Ancien Régime“16 des gefestigten Korporatismus die Leistungserbringer von den Leistungs- und Kostenträgern abhängig waren. Man kann sogar vermuten, dass die Abhängigkeit unter den Bedingungen der Objektfinanzierung höher war als sie heute bei der Subjektfinanzierung in einem Markt mit freiem Zutritt ist; denn die Objektfinanzierung erzwingt Ermessensentscheidungen, bei denen Wohlverhalten eine Rolle spielen kann. Für Verbände, die sich als frei bezeichnen, sollte es eher mit der verbandlichen Identität vereinbar sein, von den tagtäglichen Wahlentscheidungen leistungsberechtigter Nutzer abhängig zu sein als von nach Ermessen getroffenen Bewilligungsentscheidungen der Objektfinanzierung. Die Gefahr einer schleichenden Transformation der Wohlfahrtspflege hin zu reinen Abnehmern staatlicher Aufträge wäre vermutlich real geworden, wenn Ausschreibungen nach Vergaberecht zum Regelverfahren der Beziehung zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern geworden wären. Das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis blieb aber die dominante Marktordnungsform.

      Auch der Vorwurf, mit der „Vermarktlichung“ die Sachzielorientierung aufgegeben zu haben,17 ohne die gemeinnützige Organisationen ihre Berechtigung verlieren, ist empirisch nicht untermauert. Diesen Vorwurf könnte man erheben, wenn sich die Freie Wohlfahrtspflege aus den Hilfefeldern zurückgezogen hätte, mit denen keine über Rechtsansprüche gesicherte Refinanzierung verbunden ist, etwa aus der Straffälligenhilfe oder der Hilfe für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität oder aus zum Teil prekär finanzierten Beratungsdiensten. Eine systematische Forschung gibt es dazu nicht. Bei den Ortsverbänden der Caritas ist das Bewusstsein hoch, dass eine Caritas, die nicht an den Rändern der Gesellschaft präsent ist, ihre Legitimität gefährdet. Auch der behauptete Rückgang ehrenamtlichen Engagements18 ist empirisch nicht untermauert. Wie die 2018 abgeschlossene quantitative Erhebung zum Ehrenamt im Deutschen Caritasverband19 zeigt, kann von einem Wegbrechen des Ehrenamts keine Rede sein.

      Weder bietet eine in fest gefügten korporatistischen Strukturen arbeitende Caritas die Gewähr dafür, besonders anwaltschaftlich zu sein, noch muss sie dies in einem stärker wettbewerblich geprägten Umfeld zwingend aufgeben. Die Caritas muss die Spannungen zwischen Marktbehauptung und sozialpolitischem Anspruch aushalten, gestalten und offen kommunizieren. Unkenrufe, eine Caritas, die sich selbstbewusst in den Märkten sozialer Dienstleistungen behauptet, gebe in einem schleichenden Prozess ihre anwaltschaftlichen und sozialpolitischen Ansprüche auf und werde zum reinen Unternehmensverband, haben sich nicht bewahrheitet. Das sollte doch ermutigen, nicht die Schlachten längst vergangener Zeiten zu schlagen, ob Markt und Wettbewerb zur Erbringung sozialer Dienstleistungen genutzt werden sollten. Es geht dagegen um viele, hochkomplexe Fragen, wie Märkte sozialer Dienstleistungen zu ordnen sind, damit sie gute Dienstleistungen für Bürger sichern können, die bei allen Einschränkungen, die es in ihrer jeweiligen Situation geben mag, autonom handeln wollen. Und es geht um eine Marktordnung, die in einem sozialrechtlich verlässlichen Rahmen Raum lässt für das Engagement der Caritas und anderer nicht-staatlicher Organisationen, die die Sorge für die Bürgerinnen und Bürger in einem subsidiär gestalteten Sozialstaat mittragen.

      1 Cremer/Goldschmidt/Höfer, Soziale Dienstleistungen. Ökonomie, Recht, Politik (2013), S. 115 ff.

      2 Deutscher Caritasverband, Leitbild des Deutschen Caritasverbandes, (2016), https://www.caritas.de/cms/contents/caritas.de/medien/dokumente/dcv-zentrale/leitbild-des-deutsch/caritas_leitbild_210x270_d_web.pdf (Zugriff: 27.04.2019).

      3 Den Vorsitz des Forums hatte der damalige Direktor des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn, Volker Odenbach. Der Autor war in der Antragskommission der Vertreterversammlung für dieses Forum zuständig.

      4 Siehe u.a. Kloos,

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