Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft. Группа авторов

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Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft - Группа авторов Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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zwischen Nutzern und Diensten müssten „durch entsprechende fachliche Konzepte und Instrumente der dialogischen Aushandlung bearbeitet werden“. Dabei solle „die selbstbestimmte Teilhabe im Vordergrund“ stehen.6

      Dieser Grundlinie folgend zielte das Lobbying des Deutschen Caritasverbandes zu Marktordnungsfragen auf eine Sicherung und Stärkung des Sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses und eine Abwehr von Tendenzen, Ausschreibungen nach Vergaberecht zum Regelverfahren im Sozialbereich zu erheben. Eine Reihe verbandlicher Gliederungen haben erfolgreich geklagt, wenn in Abkehr von den Regelungen des deutschen Sozialrechts, Leistungsträger versucht haben, aus dem Sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis auszubrechen und soziale Dienstleistungen nach Vergaberecht auszuschreiben. Da die Befürworter einer verstärkten Nutzung der Vergabe mit vermeintlichen Zwängen des europäischen Wettbewerbsrechts argumentierten und durchaus auch Unklarheiten bei der Interpretation des gültigen Rechtsrahmens bestanden, war es notwendig, sich seitens der Wohlfahrtsverbände dafür einzusetzen, das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis europarechtlich abzusichern. Dies erfolgte auf Brüsseler Ebene gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW). Die Bemühungen hatten Erfolg; in den Erwägungsgründen sowohl der Vergabe- als auch der Konzessionsrichtline der Europäischen Union von 2014 sind Formulierungen aufgenommen worden, die ein Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis mit offenem Marktzutritt vom Anwendungsbereich beider Richtlinien ausnehmen, ohne dabei den nur in Deutschland gebräuchlichen Begriff aufzugreifen. Die Erwägungsgründe argumentieren mit dem freien Zugang zur Dienstleistungserbringung, der an transparente und nichtdiskriminierende Verfahren gebunden ist.7 Seitdem kann man nicht mehr argumentieren, das Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis sei mit dem Europäischen Wettbewerbsrecht nicht kompatibel. Es ist also gelungen, eine Marktordnungsform, die der subsidiären Tradition des deutschen Sozialstaats entspricht, die Wahlrechte sichert und Raum für die Tätigkeit von Wohlfahrtsverbänden lässt, gegen die von einigen Kräften angestrebte Dominanz einer anderen Marktordnungsform zu verteidigen, die – wäre sie zum Standardmodell geworden – all dies gefährdet hätte. Ohne eine ordnungspolitisch fundierte Position, bei einem rückwärtsgewandten Verharren in der vermeintlichen unüberbrückbaren Gegnerschaft des Marktes und des Sozialen, wäre dieser Erfolg in Brüssel nicht zu erzielen gewesen. Alle diesbezüglichen Beschwörungen wären von den Gesprächspartnern auf EU-Ebene als Beweis einer prinzipiellen Gegnerschaft zum Binnenmarkt sowie als Verweigerung aufgefasst worden, sich transparenten und nicht-diskriminierenden Verfahren zu stellen.

      IV. Spannungsverhältnis von Marktbehauptung und anwaltschaftlichem und sozialpolitischem Anspruch

      Eine Ordnungspolitik sozialer Dienstleistungen zielt darauf, diesbezügliche Märkte so zu ordnen, dass sie im Interesse hilfebedürftiger Bürger wirken können. Aber auch auf angemessen geordneten Märkten bleibt ein Spannungsverhältnis zwischen den Herausforderungen und Zwängen, die caritative Dienstleister im Markt ausgesetzt sind, und ihren anwaltschaftlichen und sozialpolitischen Ansprüchen. Die verbandliche Caritas muss eine Doppelrolle einnehmen, sie vertritt sowohl anwaltschaftliche als auch unternehmenspolitische Interessen. Dabei stehen alle Gliederungen und Mitglieder der Caritas unter intensiver Beobachtung, ob sie glaubwürdig handeln, ob ihr unternehmerisches Handeln vereinbar ist mit ihren anwaltschaftlichen und sozialpolitischen Positionen. Wenn sie sich für bestimmte rechtliche Regelungen einsetzen, so stoßen sie nicht selten auf Vorbehalte, dies vorrangig zu fordern, um ihren eigenen Geschäftsbereich zu erweitern. Dieser Vorwurf wird absurderweise auch dann erhoben, wenn sich diese Forderungen auf Hilfefelder beziehen, in denen kaum eine Kostendeckung zu erreichen ist, wie dies bei Hilfen für Menschen in besonders prekären Lebenslagen häufig gegeben ist.

      Um glaubwürdig zu handeln, muss die verbandliche Caritas ihre Hüte sauber sortieren. Wenn es um unternehmerische Interessen geht, etwa bei Fragen der Gemeinnützigkeit oder der Refinanzierung sozialer Leistungen, dann sollten diese offen benannt werden. Die Vertretung unternehmerischer Belange ist schließlich völlig legitim. Tabu muss sein, leistungsrechtliche Reformen, zumal solche, die die Wahlrechte hilfesuchender Bürger stärken, mit anwaltschaftlichen oder fachpolitischen Argumenten zurückzuweisen, wo einen doch in Wirklichkeit die Sorge umtreibt, noch nicht ausreichend gewappnet zu sein, wenn Hilfesuchende mehr Wahlrechte erhalten. In der Auseinandersetzung über das Persönliche Budget sind diese beiden Ebenen anfangs immer wieder vermischt worden. Im Folgenden sollen die letztlich nicht aufzulösenden Dilemmata angesprochen werden, die sich bei Arbeit der verbandlichen Caritas im Spannungsfeld zwischen Marktbehauptung und Leitbild prägen.8

      1. Zwischen Dezentralität und Konzernimage

      Die Caritas hat ein verfestigtes Konzernimage. Die Zahl „ihrer“ beschäftigten beruflichen Mitarbeitenden von mehr als 600.0009 wird mit den Beschäftigtenzahlen großer Unternehmen (Deutsche Bahn, Siemens etc.) verglichen und daraus geschlossen, die Caritas sei der größte private deutsche Arbeitgeber. Dieses Konzernimage ist früher von der Caritas (unbewusst?) befördert worden, wenn zur Hebung der eigenen Bedeutung auf die vielen Mitarbeitenden bei ihren Mitgliedern als Mitarbeitende des Verbandes selbst verwiesen wurde. Das Konzernimage ist aber durch die Binnenstruktur der verbandlichen Caritas in keiner Weise gedeckt. So wird die Mitgliedschaft außerhalb des verbandlichen Einflusses vom jeweils zuständigen Bischof geprüft und anerkannt. Die Organe des Verbandes auf Bundesebene können die Mitgliedschaft im Verband nicht an bestimmte weiterreichende Voraussetzungen (z. B. Qualitätsstandards, Transparenzregeln) binden oder gar Mitglieder ausschließen, wenn sie diese nicht erfüllen.

      Dennoch wird dieses Gebilde als eine vielfältig gegliederte Einheit empfunden. Es gibt durchaus so etwas wie das Bewusstsein einer „Marke“ Caritas in der Bevölkerung. Sie ist eine der Marken mit sehr hohem Bekanntheitsgrad in Deutschland. Dass es ein solches Markenbewusstsein gibt, zeigt sich auch und gerade bei Negativmeldungen, etwa bei fehlender Transparenz, Missständen in einer Einrichtung oder Konflikten um die Bezahlung. Somit bleibt die Spannung zwischen Konzernimage und Dezentralität. Die Caritas ist hier gut beraten, die Grenzen ihrer Steuerungsmacht offen zu kommunizieren. Man muss jeder Rhetorik klar wiedersprechen, die aus der Caritas einen zentral geleiteten Konzern macht. Denn sonst verfestigen sich Erwartungen an die Einheitlichkeit unternehmerischen Handelns der Mitglieder der Caritas, die in einem Verband rechtlich selbstständiger Träger nicht sicherstellt werden können.

      2. Zwischen Marktbehauptung und öffentlicher Erwartung

      Die Dienste und Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände stehen untereinander und mit privatgewerblichen Trägern in einem Wettbewerb, der politisch gewollt ist. Weit verbreitet ist hierzu aber eine schizophrene Haltung bei Politik und Öffentlichkeit: Einerseits soll sich die Caritas im Wettbewerb behaupten, andererseits werden aber unternehmerische Entscheidungen, die damit notwendigerweise verbunden sind, als in Teilen anrüchig empfunden. Dies gilt für alle gemeinnützigen Akteure, für die kirchlichen Verbände aber in verschärfter Weise. Will ein Träger aus Caritas oder Diakonie beispielsweise aufgrund wegbrechender Finanzierung eine Dienstleistung reduzieren oder einen Dienst aufgeben, wird ihm vorgeworfen, „allein des Geldes wegen“ hilfesuchende Menschen im Stich zu lassen. Mit besonderen Risiken der öffentlichen Reputation sind betriebsbedingte Kündigungen verbunden, die angesichts der hohen Abhängigkeit der Leistungserbringer von öffentlicher Refinanzierung ebenfalls nicht immer vermieden werden können. Häufig findet eine den Kritikern nicht bewusste Vermischung zwischen einer individualethischen und einer sozialethischen Argumentationsebene statt. Es erfordert von den Leitungskräften erhebliches Rückgrat, unangenehme unternehmenspolitische Entscheidungen, die zur Sicherung eines Dienstes bzw. der sie tragenden Organisation notwendig sind, gegen die Erwartung durchzusetzen, dass die Kirche „so was nicht tun darf“.

      3. Zwischen Refinanzierungsbedingungen und Qualitätsstandards

      Die beruflichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und die Nutzer ihrer Dienste und Einrichtungen erwarten, dass unter dem Dach der Caritas eine Hilfe

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