Einführung Somatoforme Störungen, Somatische Belastungsstörungen. Annabel Herzog

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Einführung Somatoforme Störungen, Somatische Belastungsstörungen - Annabel Herzog

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Studien aus anderen Settings berichten teilweise aber auch gegenteilige Befunde. Zum Beispiel konnten Limburg et al. bei Patientinnen und Patienten mit Schwindelsymptomen in einer neurologischen Ambulanz feststellen, dass die Kriterien der somatischen Belastungsstörung nach DSM-5 fast doppelt so häufig erfüllt wurden wie die DSM-IV Kriterien der somatoformen Störungen (Limburg et al. 2016). Dass es sich um eine in bestimmten Settings häufig erfüllte Diagnose handelt, zeigte sich auch in einer Studie aus einer psychosomatischen Ambulanz: hier erfüllte mehr als die Hälfte der untersuchten Patientinnen und Patienten (54,6 %) die Diagnosekriterien der somatischen Belastungsstörung (Hüsing et al. 2018).

      Insgesamt gibt es leider erst wenige Resultate aus Studien, die sich empirisch mit den neuen Diagnosekriterien beschäftigen. Hier besteht dringend weiterer Forschungsbedarf.

      1.5 Zusammenfassung

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      1.Was sind drei der häufigsten körperlichen Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung?

      2.Wie hoch wird der Anteil unerklärter Körperbeschwerden in der allgemeinmedizinischen Versorgung geschätzt?

      3.Welche diagnostischen Begriffe für anhaltende Körperbeschwerden werden in unterschiedlichen Kontexten benutzt?

      4.Die somatische Belastungsstörung gemäß DSM-5 und ICD-11 ist das aktuellste diagnostische Konzept für belastende und anhaltende Körperbeschwerden: Welche früheren Konzepte kennen Sie und worin bestehen die Hauptunterschiede zwischen diesen Konzepten?

      5.Für die Diagnose einer somatischen Belastungsstörung nach DSM-5 müssen eines oder mehrere beeinträchtigende somatische Symptome über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten vorliegen. Welches weitere diagnostische Kriterium muss erfüllt sein?

      2 Epidemiologie

      2.1 Prävalenz

      Anhaltende Körperbeschwerden sind ein weit verbreitetes Phänomen. Genaue Schätzungen zur Prävalenz und Inzidenz klinisch relevanter Körperbeschwerden lassen sich nur schwer bestimmen. Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, existieren zahlreiche unterschiedliche Begrifflichkeiten und diagnostische Konzepte zur Klassifikation anhaltender und medizinisch unerklärter Körperbeschwerden, somatoformer und funktioneller Störungen und somatischer Belastungsstörungen. Die Prävalenzzahlen lassen sich entsprechend nur bezogen auf die jeweils zugrunde liegenden diagnostischen Kriterien (Kap. 5) bestimmen und interpretieren.

      2.1.1 Allgemeinbevölkerung

      In der Allgemeinbevölkerung sind körperliche Beschwerden sehr häufig.

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      In einer Studie aus dem Jahr 2006 gaben 82 % der befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer Beschwerden an, die sie innerhalb der letzten sieben Tage zumindest leicht beeinträchtigten, 22 % berichteten sogar mindestens eine Beschwerde, die sie schwer beeinträchtigte (Hiller et al. 2006). Die Teilnehmenden wiesen dabei oft multiple Körperbeschwerden anstatt nur einzelner Symptome auf und berichteten im Durchschnitt sieben verschiedene Symptome. Dabei wurden vor allem Rücken-, Kopf-, Gelenk- und Menstruationsschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten, Verdauungsbeschwerden und mit Sexualität assoziierte Beschwerden wie Erektions- und Ejakulationsstörungen genannt. In einer vergleichbaren Studie aus Großbritannien ergaben sich als häufigste über die vergangenen 2 Wochen berichteten Symptome Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen und Schlafstörungen (McAteer et al. 2011), wobei im Durchschnitt vier belastende Symptome pro befragter Person genannt wurden. In einer Studie aus den USA zeigte sich, dass von 1000 befragten Personen jeden Monat 80 % körperliche Beschwerden verspürten, die sie als beeinträchtigend beschrieben (Green et al. 2001).

      Die Häufigkeitsbestimmung der so genannten „medizinisch unerklärten“ oder „somatoformen“ Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung ist dadurch erschwert, dass die somatoforme Symptomatik oftmals nicht als solche erkannt wird und somit auch nicht die passende Diagnose gestellt werden kann. Angaben zur Prävalenz medizinisch unerklärter Körperbeschwerden schwanken daher massiv (Hilderink et al. 2013).

      Auch die Häufigkeit somatoformer Störungen nach ICD-10 (WHO 1996) oder DSM-IV (APA 2000) lässt sich in der Allgemeinbevölkerung, außerhalb eines klinischen Kontextes, nur schwer bestimmen. In repräsentativen Bevölkerungsstichproben werden nur selten standardisierte klinische Interviews (Kap. 5) durchgeführt, mit denen sich die Häufigkeit somatoformer Störungen zuverlässig ermitteln lassen könnte.

      images Prävalenz in Deutschland

      Im Bundesgesundheitssurvey 1998 / 1999, einer Umfrage zur Häufigkeit psychischer und körperlicher Erkrankungen in der deutschen Allgemeinbevölkerung, wurde eine Lebenszeitprävalenz von 16,2 %, eine 12-Monats-Prävalenz von 11 % und eine 4-Wochen-Prävalenz von 7,5 % für die gesamte Diagnosegruppe der somatoformen Störungen nach ICD-10 ermittelt (Jacobi et al. 2004).

      Knapp ein Drittel der Patientinnen und Patienten gaben dabei zwei oder mehr Schmerzsymptome an; am häufigsten wurden Kopf-, Unterbauch- und Rückenschmerzen berichtet (Fröhlich et al. 2006). Bezogen auf die Lebenszeitprävalenz sind somatoforme Störungen damit die dritthäufigste Störung nach Suchtstörungen und Angststörungen (Jacobi et al. 2004).

      Für die undifferenzierte Somatisierungsstörung (zu den diagnostischen Kriterien (siehe Kap. 5) wurde in einer weiteren Studie aus der deutschen Allgemeinbevölkerung eine Punktprävalenz von 19,7 % festgestellt (Grabe et al. 2003). Für die Somatisierungsstörung, die durch sehr streng definierte diagnostische Kriterien gekennzeichnet ist, wurde in einer repräsentativen Studie aus den USA eine Lebenszeitprävalenz unter 1 % gefunden (Robins / Regier 1991).

      Prävalenz

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