Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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      Das europäische Aufenthalts- und Ausländerrecht ist ein besonderer Teil des Schengen-Besitzstandes. Seine historische Entwicklung ist daher parallel zu jener der → Schengener Abkommen verlaufen, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.

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      Ähnliches gilt für das europäische Asylrecht. Bereits die Art. 28 ff. des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) in seiner ursprünglichen Fassung enthielten zahlreiche Bestimmungen zu asylrechtlichen Zuständigkeiten. Parallel dazu wurde jedoch auch schon das (erste) Dubliner Übereinkommen geschlossen, und zwar vier Tage vor dem SDÜ am 15.6.1990. Vertragsstaaten waren sämtliche zwölf Mitgliedstaaten der damaligen EWG. Mit diesem völkerrechtlichen Vertrag sollte der jeweils für die Prüfung eines Asylantrags zuständige Staat verbindlich festgelegt werden. Das Übereinkommen trat am 1.10.1997 in Kraft.

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      Parallel dazu setzte eine gewisse Vergemeinschaftung des Asylrechts ein. Zunächst wurde im Vertrag von Maastricht (in Kraft getreten am 1.11.1993; → Europäische Union: Geschichte) – dort Art. K.1 Nr. 1 – die Asylpolitik zu einer Angelegenheit von gemeinsamem Interesse erklärt. Tatsächlich in das (damalige) Gemeinschaftsrecht überführt wurde die Asylpolitik mit dem Vertrag von Amsterdam (in Kraft getreten am 1.5.1999), dort über dessen Art. 63 Nr. 1 und 2 EGV. Seitdem konnte – parallel zu den Entwicklungen der Schengener Abkommen – → Sekundärrecht auf dem Gebiet des Asylrechts erlassen werden. Dies geschah recht bald in Gestalt der VO (EG) Nr. 343/2003, die in Anlehnung an das Dubliner Übereinkommen auch Dublin-II-VO genannt wurde. Sie diente dazu, den Besitzstand des Dubliner Übereinkommens von der völkerrechtlichen auf die supranationale Ebene zu überführen. Es folgten zahlreiche weitere Harmonisierungen auf Sekundärrechtsebene.

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      Seit dem Vertrag von Lissabon (in Kraft getreten am 1.12.2009) existieren über die Europäische → Grundrechtecharta (GRCh) auf Unionsebene sowohl ein Grundrecht auf Asyl, Art. 18 GRCh, als auch ein Grundrecht auf Freizügigkeit für Unionsbürger (→ Unionsbürgerschaft), Art. 45 Abs. 1 GRCh. Überdies sind nunmehr primärrechtliche sedes materie des europäischen Aufenthalts- und Ausländerrechts Art. 77 und 79 AEUV, des europäischen Asylrechts Art. 78 AEUV. Beide Bereiche sind damit im unionsrechtlichen Gefüge zu Bestandteilen des → Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) geworden. In diesem Kontext ist als wichtigste Veränderung im europäischen Asylrecht der Erlass der sog. Dublin-III-VO – VO (EU) Nr. 604/2013, in Kraft getreten am 1.1.2014 als Nachfolgeregelung zur Dublin-II-VO – zu nennen.

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II. Aufenthalts- und Ausländerrecht

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      Unter Aufenthaltsrecht wird hier die Summe der Rechtsnormen verstanden, welche die Berechtigung einer Person betreffen, die Grenze des Unionsgebiets zu überschreiten und in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der EU physisch zu verweilen. Dieses Recht verhält sich unabhängig von möglichen Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Union oder des Schengen-Raums (→ Schengener Abkommen); die tatsächliche Möglichkeit, eine EU-Binnengrenze ungehindert zu überschreiten, verleiht weder ein Recht zur Grenzüberquerung noch zum Aufenthalt in dem betroffenen Mitgliedstaat. Ein unbeschränktes Aufenthalts- und Freizügigkeitsrecht (→ Freizügigkeit, allgemeine) im gesamten Unionsgebiet genießen jedoch die Unionsbürger (→ Unionsbürgerschaft) gem. Art. 45 Abs. 1 GRCh, Art. 3 Abs. 2 EUV und Art. 21 Abs. 1 AEUV. Gleiches gilt aufgrund von Assoziierungsabkommen auch für Staatsangehörige bestimmter Drittstaaten, also v.a. für Staatsbürger der Schengen-Staaten, die nicht der EU angehören (Island, Norwegen, Schweiz, Liechtenstein). Dagegen ist das Aufenthaltsrecht für die Bürger aller anderen Drittstaaten differenzierter zu betrachten.

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      Die primärrechtlichen Regelungen zum EU-Aufenthaltsrecht finden sich in Art. 77 und 79 AEUV, sie sind also Bestandteil des RFSR. Sie flankieren den Grundsatz offener Binnengrenzen (→ Schengener Abkommen), indem sie den Rahmen dafür vorgeben, eine kontrollierte Einreise in das Unionsgebiet sicherzustellen und das Aufenthaltsrecht Drittstaatsangehöriger mit Inhalt zu füllen. Sekundärrechtlich werden diese Programmpunkte v.a. durch die sog. Visa-VO (VO [EG] Nr. 539/2001), den sog. Visakodex (VO [EG Nr. 810/2009) und den sog. Schengener Grenzkodex (VO [EU] 2016/399) konkretisiert. Während die ersten beiden Rechtsquellen im Kern die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt bestimmen, regelt letztere die Modalitäten der Einreise. Für den Anwendungsbereich dieses Sekundärrechts gelten die andernorts erläuterten Restriktionen (→ Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts [RFSR], → Schengener Abkommen), insbesondere in Bezug auf Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich. Das europäische Aufenthaltsrecht ist in Deutschland in Form des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) – soweit erforderlich – umgesetzt worden.

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      Abgesehen davon, dass Unionsbürger und privilegierte Drittstaatsangehörige (s. Rn. 163) keinen gesonderten Aufenthaltstitel benötigen, sind legale Einreise ins und Aufenthalt im Unionsgebiet nur mit gültigem Aufenthaltstitel möglich. Nach § 4 des deutschen AufenthG kommen folgende Aufenthaltstitel in Betracht: Schengen-Visum, nationales Visum, Aufenthaltserlaubnis, Blaue Karte EU, ICT-Karte, Mobiler-ICT-Karte, Niederlassungserlaubnis sowie EU-Erlaubnis zum Daueraufenthalt. Davon ist die Aufenthaltserlaubnis ein rein nationaler Aufenthaltstitel, der nicht zum Aufenthalt im gesamten Unionsgebiet, sondern nur auf deutschem Staatsgebiet berechtigt; sie soll daher hier nicht weiter behandelt werden.

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      Grundsätzlich müssen Drittstaatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen eines Mitgliedstaates im Besitz eines Visums sein, Art. 1 Abs. 1 Visa-VO. Die Visa-VO regelt im allgemeinen die Visumspflicht sowie Ausnahme- und Befreiungstatbestände für sämtliche Arten von unionsrechtlich determinierten Visa.

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