Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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und der britischen Staatsbürger in der EU sowie die finanziellen Folgen betreffen, und der Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und diesem Staat. Das Abkommen wird (wie auch sonstige völkerrechtliche Verträge der EU) nach Art. 218 Abs. 3 AEUV ausgehandelt. Dies hat grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren zu geschehen. Eine Verlängerung dieser Frist um eine normativ nicht näher determinierte Zeit kann der Europäische Rat im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat beschließen. Dies setzt allerdings eine politisch schwer zu erlangende Einstimmigkeit voraus. Der austretende Staat nimmt während dieser Phase weder an den Beratungen im → Rat (Ministerrat) oder Europäischen Rat, welche seinen Austritt betreffen, noch an den Beschlussfassungen teil. Im Übrigen bleiben seine aus der EU-Mitgliedschaft folgenden Rechte während der Verhandlungsphase unberührt.

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      Bei dem zu schließenden Abkommen handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen Parteien ausschließlich die EU und der austretende Staat sind. Es wird seitens der EU nach Zustimmung des → Europäischen Parlaments vom Rat in deren Namen geschlossen. Der Rat entscheidet dabei mit (erhöhter) qualifizierter Mehrheit i.S.v. Art. 238 Abs. 3 Buchst. b) AEUV. Die verbleibenden Mitgliedstaaten sind hieran nicht beteiligt. Die mit dem Austritt einhergehende → Vertragsänderung im Hinblick auf die Verringerung der Zahl der Mitgliedstaaten erfolgt automatisch, da nicht dieser, sondern seine Folgen Gegenstand des Abkommens sind und der Austritt als solcher einseitig durch die diesbezügliche Erklärung herbeigeführt wird. Es erfolgt jedoch eine zeitliche Verknüpfung des Wirksamwerdens des Austritts und des Inkrafttretens des Abkommens, sofern nicht die (ggf. verlängerte) Zweijahresfrist zuvor abläuft.

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      Da der EU-Austritt als langwieriger Prozess ausgestaltet ist und auch die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen dem austrittswilligen Staat und der EU nicht vorhersehbar sind, kann sich der politische Wille in dem betreffenden Staat während dieser Zeit ändern. Solange der Austritt noch nicht gegenüber dem Europäischen Rat erklärt wurde, wirft dies juristisch keine Schwierigkeiten auf, da das Austrittsverfahren in diesem Fall noch nicht begonnen hat. Umstritten ist dagegen die Frage, ob ein Mitgliedstaat von einem formell erklärten Austritt einseitig wieder Abstand nehmen kann. Hierfür spricht v.a. das Integrationsziel der EU. Dagegen spricht allerdings, dass Art. 50 Abs. 3 EUV die Geltung der Gründungsverträge für den betreffenden Staat bei Fehlen eines Abkommens und unterbliebener Verlängerung der Verhandlungsfrist nach Ablauf von zwei Jahren automatisch entfallen lässt. Damit weist das Primärrecht das Risiko eines Scheiterns der Verhandlungen dem austretenden Mitgliedstaat zu. Hätte es dieser in der Hand, durch einen „Widerruf“ der Austrittserklärung bei einem aus seiner Sicht unbefriedigenden Verhandlungsverlauf den Austrittsprozess zu stoppen, könnte er das für die Verlängerung der Verhandlungsfrist vorgesehene Einstimmigkeitserfordernis leerlaufen lassen und im Nachhinein einen „neuen Anlauf“ nehmen.

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      Darüber hinaus sprechen auch die Wertungen des Völkerrechts gegen eine Widerrufbarkeit der Austrittserklärung. Ein einseitiges Rechtsgeschäft kann nach dem Völkergewohnheitsrecht dann zurückgenommen werden, wenn dies nicht mit dessen Inhalt unvereinbar ist oder dem die Grundsätze von Vertrauensschutz, acquiescence und estoppel entgegenstehen. Letzteres ist regelmäßig dann gegeben, wenn die beabsichtigten Rechtswirkungen nicht nur das handelnde Völkerrechtssubjekt betreffen. Dies ist auch bei der Erklärung des EU-Austritts der Fall. Erklären sich dagegen alle Mitglieder des Europäischen Rates (und damit alle Mitgliedstaaten) mit dem Widerruf der Austrittserklärung einverstanden, ist dieser wirksam, das Austrittsverfahren beendet und der vormals austrittswillige Mitgliedstaat verbleibt in seiner zuvor bestehenden Mitgliedschaftsposition (einschließlich etwaigen Sonderrechten). Art. 50 Abs. 5 EUV ist insoweit tatbestandlich nicht einschlägig.

      AAustritt (aus der EU) (Matthias Knauff) › IV. Konsequenzen

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      Mit Wirksamwerden des Austritts endet die Mitgliedschaft des betreffenden Staates in der EU. Art. 50 Abs. 3 Hs. 1 EUV formuliert dies dahingehend, dass „[d]ie Verträge […] auf den betroffenen Staat […] keine Anwendung mehr [finden]“. Dies betrifft nicht nur das gesamte Primärrecht, sondern den gesamten acquis communautaire, sofern dessen Fortgeltung nicht innerstaatlich angeordnet ist. Hieraus können sich schwierige juristische und tatsächliche Übergangsprobleme ergeben. Mit dem Wirksamwerden des Austritts einher geht auch, dass der bisherige Mitgliedstaat seine Mitgliedschaftsrechte verliert, insbesondere Sitz und Stimme in den EU-Organen. Von seitens der EU mit Drittstaaten abgeschlossenen völkerrechtlichen (Handels-)Verträgen wird er infolgedessen ebenfalls nicht mehr erfasst.

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      Welche Rechtsstellung der ausgetretene Staat nachfolgend im Verhältnis zur EU hat, richtet sich grundsätzlich nach den Vereinbarungen des Austrittsabkommens. Tritt er zugleich in ein anderes Staatenbündnis ein, etwa den → Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder die → Europäische Freihandelszone (EFTA), wird er auch von den zwischen diesem und der EU geschlossenen Vereinbarungen erfasst. Im Falle des Fehlens eines Austrittsabkommens wird der ausgetretene Staat aus Sicht der EU zum Drittstaat. In diesem Falle richtet sich das Verhältnis ausschließlich nach dem allgemeinen Völkerrecht.

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      Will ein aus der EU ausgetretener Staat dieser erneut beitreten, steht es ihm frei, einen Beitrittsantrag zu stellen. Über diesen ist, wie Art. 50 Abs. 5 EUV klarstellt, im Beitrittsverfahren nach Art. 49 EUV zu entscheiden. Etwaige vormals bestehende Ausnahmen und Sonderrechte leben dabei nicht wieder auf, da es sich juristisch um eine gänzlich neue EU-Mitgliedschaft handelt, nicht um eine Fortführung der durch den Austritt endgültig beendeten.

      A › Auswärtiges Handeln der Union (Charlotte Kreuter-Kirchhof)

      I.Grundlagen285 – 287

      II.Außenkompetenz der EU (Verbandskompetenz)288 – 294

       1.Ausschließliche Zuständigkeiten der Union291, 292

       2.Parallele Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten293

      

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