Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle. Sonja Müller
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Auf alle unmarkierten Vorfeldbesetzungen aus (3) trifft folglich zu, dass dort dasjenige Element im Vorfeld platziert wurde, dessen Basisposition im Mittelfeld die höchste Position einnimmt. Im Gegensatz dazu ist die Basisposition der Elemente, die in den markierten Strukturen ins Vorfeld versetzt werden, nicht die höchste Position im Mittelfeld.
Die Markiertheit von (9) folgt daraus, dass die Basisposition des Objekts tiefer als die des Subjekts ist (vgl. (14)).
(14) | a. | dass [der Hans] [fast jeden Kollegen] schätzt |
b. | #dass [fast jeden Kollegen] [der Hans] schätzt |
Der markierte Status der Beispiele in (10) erklärt sich, da (15) und (16) nachweisen, dass ereignisbezogene LokaladverbialeEreignisbezogenes lokales Adverbial und instrumentale AdverbialeInstrumentales Adverbial zwischen dem Subjekt und dem Objekt eines transitiven Verbs stehen.
(15) | a. | dass [Eva] [im Görlitzer Park] [den Grill] aufgebaut hat |
b. | #dass [im Görlitzer Park] [Eva] [den Grill] aufgebaut hat |
(16) | a. | dass [Otto] [mit der Axt] [den Baum] gefällt hat |
b. | #dass [mit der Axt] [Otto] [den Baum] gefällt hat |
Aus diesen Beobachtungen leitet Frey ab, dass es einen Mechanismus gibt, durch den das Vorfeld mit der höchsten Konstituente des Mittelfeldes gefüllt werden kann. Die semantisch-pragmatischen Eigenschaften der vorangestellten Phrasen bleiben erhalten. Eine besondere Akzentuierung der Vorfeld-Konstituenten liegt nicht vor. Der Mechanismus hat folglich nicht den Effekt, eine ganz bestimmte DiskursfunktionDiskursfunktion zu lizenzieren. Es handelt sich um einen rein formalen Mechanismus, der das höchste Mittelfeldelement ins Vorfeld umstellt. Frey vertritt folglich, dass nicht jede Vorfeldbesetzung durch die Lizenzierung einer Diskursfunktion bedingt ist. Weitere Evidenz für diese Annahme stammt aus Sätzen wie in (17).
(17) | Es regnet. |
Es, dessen lexikalischer Gehalt sehr arm ist, lässt sich keinerlei Diskursfunktion zuschreiben: Es ist weder Topik noch Fokus.
Die Art der Bewegung, die das höchste Mittelfeldelement ins Vorfeld voranstellt, ohne dessen Diskursfunktion zu verändern, bezeichnet Frey (2006: 241) alsFormale Bewegung F(ormal) M(ovement).Formal MovementFormale Bewegung
Diese höchste Mittelfeldposition muss allerdings nicht die Basisposition des versetzten Elements sein. Es kann auch erst durch eine vorangehende Bewegung in diese Position gelangt sein. Zum Beispiel kann der formalen Bewegung auch eine Umstellung im Mittelfeld (sogenanntes ScramblingScrambling) vorangehen. Aus (18a) wird durch Scrambling (18b), indem das instrumentale Adverbial vor das Subjekt gestellt wird. Nach dieser Umstellung weist mit der Axt die höchste Mittelfeldposition auf und kann durch Anwendung des Mechanismus der Formalen BewegungFormale BewegungFormale Bewegung ins Vorfeld gelangen (vgl. (18c)).
(18) | a. | (dass) Otto [mit der Axt] [den Baum] gefällt hat |
b. | (dass) [mit der Axt]1 Otto t1 [den Baum] gefällt hat | |
c. | [Mit der Axt]1 hat t1' Otto t1 [den Baum] gefällt. (Frey 2006: 241) |
Das Adverbial kann nur vorangestellt werden, indem es zunächst an den linken Mittelfeldrand gescrambelt wird. Andernfalls wäre nicht die höchste Mittelfeldposition die Position, aus der die Bewegung erfolgt. Da gescrambelte Strukturen ohnehin als markiert bewertet werden (vgl. (19a) vs. (19b)), ist die Struktur ebenfalls markiert, wenn die gescrambelte Phrase anschließend ins Vorfeld bewegt wird.
(19) | a. | Hans erzählt, dass Otto mit der Axt den Baum gefällt hat. |
b. | #Hans erzählt, dass [mit der Axt]1 Otto t1 den Baum gefällt hat. |
Formale Bewegung führt zu keiner semantisch-pragmatischen Veränderung. Der Status der ins Vorfeld angehobenen Konstituente bleibt erhalten, weshalb Formale Bewegung auch keinen Einfluss auf Markiertheitsgrade nimmt.
2.1.2 Basisgenerierung
Obwohl es – wie wir zu Beginn dieses Abschnitts gesehen haben – eine Standardannahme ist, dass das Vorfeld stets die Landeposition für eine vorangestellte Konstituente ist, führen Daten wie in (20) und (21) Frey zu der Annahme, dass das Vorfeld auch durch eine dort basisgenerierte PhraseBasisgenerierung gefüllt werden kann.
(20) | a. | Am Rande bemerkt bin ich etwas enttäuscht von dir. |
b. | Kein Wunder spricht Peter so gut Französisch. | |
c. | Ein Glück habe ich den Regenschirm dabei. |
(21) | a. | *Ich bin am Rande bemerkt etwas enttäuscht von dir. |
b. | *Peter spricht kein Wunder so gut Französisch. | |
c. | *Ich habe ein Glück den Regenschirm dabei. (Frey 2006: 243) |
Der Vergleich von (20) und (21) zeigt, dass es anscheinend Phrasen gibt, die im Vorfeld, nicht aber im MittelfeldMittelfeld stehen können. Die Sätze in (21) sind ungrammatisch, außer man verwendet