Der Histamin-Irrtum. Sascha Kauffmann
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Die DAO baut also in erster Linie Nahrungs-Histamin und Histamin in der Gebärmutter ab. Aber auch in der Niere – unserem Blutreinigungsorgan – sitzen jede Menge Diaminoxidasen, die, während das Blut gefiltert und rückresorbiert wird, ebenfalls noch Histamin abbauen können. Daher ist eine ausreichende Trinkmenge so enorm wichtig bei Histamin-Erkrankungen.
Die Histamin-N-Methyl-Transferase (HNMT)
Histamin-N-Methyl-Transferasen befinden sich im Gegensatz zur DAO innerhalb der Zellen, oft in der Nähe der Histamin-Rezeptoren, und kümmern sich in erster Linie um den Abbau von körpereigenem, selbst produziertem Histamin (Mastzellen- und Gehirn-Histamin). Mehr als die Hälfte des täglich anfallenden Histamins gehen damit zulasten der HNMT. Diese Enzymgruppe ist daher viel mehr gefordert als die DAO. Darüber hinaus ist sie auch für den Abbau von Histamin zuständig, wenn die DAO ihren Job nicht schafft. Dann gelangt überschüssiges Histamin aus dem Darm ins Blut und wird in der Leber über die HNMT abgebaut.
Der Umfang der Synthese von HNMT und damit des Abbaus von körpereigenem Histamin hängt in erster Linie von der Methylierungsfähigkeit unseres Körpers ab. Die Methylierung ist ein Stoffwechselprozess, bei dem ein Molekülteil, bestehend aus einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen (sogenannte Methylgruppe), von einem Molekül auf ein anderes übertragen wird. Die Entgiftung von Histamin über HNMT erfolgt im ersten Schritt über die Methylierung des Histamins, d. h. das Anfügen einer Methylgruppe.
Dreh- und Angelpunkt des Histaminabbaus über die HNMT ist die Synthese von s-Adenosylmethionin (SAM/SAMe). Diese chemische Verbindung ist der wichtigste Methylgruppenüberträger, den wir haben. Seine ausreichende Produktion ist die zwingende Voraussetzung für den regelrechten Abbau von körpereigenem Histamin, aber auch für die Bildung von Neurotransmittern, wie Adrenalin und Melatonin, für die Entgiftung und für viele andere Prozesse. Daher möchten wir ein wenig detaillierter darauf eingehen.
Der Methylierungszyklus läuft fast in jeder Körperzelle ab und regelt die optimale Bereitstellung von Methylgruppen. Er besteht im engeren Sinne aus dem Methionin- und dem Folsäure-Zyklus; im weiteren Sinne auch aus dem Biopterin-Zyklus. Der Methioninzyklus sichert die Bereitstellung des wichtigsten Methylgruppen-Übertrages, des s-Adenosylmethionins (SAMe). Ausgangspunkt ist die essenzielle Aminosäure Methionin. Diese wird unter Verbrauch von Mangan, Magnesium, Vitamin B12 und mitochondrialem ATP zu SAMe. Sobald dieses wiederum seine Methylgruppe abgibt, zum Beispiel an das HNMT, wird es zu S-Adenosyl-Homocystein, das wiederum in einem weiteren Schritt zu Homocystein enzymatisch umgewandelt wird. Dieses neurotoxische und gefäßschädigende Molekül wird über drei Wege abgebaut, zwei davon recyceln es über den Verbrauch von B12/Folat bzw. Betain/Cholin zu Methionin zurück. Im dritten Weg wird Homocystein unter Verbrauch von Vitamin B6 in Cystathionin und Cystein umgewandelt und weiter zu Glutathion und Taurin umgebaut.
Bei der Methylierung spielen vor allem die Enzyme MTHFR, CBS und MAT eine entscheidende Rolle. Der sehr häufig vorkommende Polymorphismus beim MTHFR-Gen kann die Methylierung nachhaltig stören und somit auch den Histaminabbau beeinträchtigen.
Monoaminoxidase B (MAO-B)
Monoaminoxidasen (MAO) sind ebenfalls am Abbau von körpereigenem Histamin beteiligt, allerdings erst im allerletzten Schritt. N-Methyl-Histamin, methyliertes Histamin, wird durch das Enzym MAO-B in N-Methyl-Imidazol-Essigsäure abgebaut und dieses dann über den Urin ausgeschieden. Die MAO haben aber eigentlich noch viele weitere Aufgaben, wie zum Beispiel auch den Abbau von Tyramin, das vor allem nach dem Verzehr von Schokolade und Käse anfällt.
WENN DAS FASS üBERLäUFT: HISTAMINOSEN
Der Mensch ist ein lebendiges System, das sich ständig an seine Umwelt anpassen muss. Dadurch kommt es kurzfristig zu Veränderungen, wie beispielsweise einem Anstieg der Körpertemperatur oder des Blutdrucks. Wenn es zu einer Abweichung kommt, beispielsweise Fieber, verfügt der Körper über Regulationsmethoden (zum Beispiel Schwitzen, Schüttelfrost), um bestimmte Werte wieder zurück zum Sollwert zu bringen. Die Natur hat dafür ausgeklügelte Systeme, die sich in Millionen von Jahren der Evolution entwickelt und bewährt haben.
Ist der Mensch gesund, regelt der Körper dieses im Allgemeinen selbstständig ohne Eingriff von außen. Einen akuten Anstieg des Histaminspiegels, zum Beispiel weil uns ein Insekt gestochen hat, kann der Körper normalerweise gut selbstständig in den Griff bekommen. Nach wenigen Tagen ist die Schwellung vorüber, der Juckreiz und die Schmerzen lassen nach.
Ein chronisch hoher Histaminspiegel bedeutet für den Körper hingegen ein Zustand wie ein Heer unter Dauerbeschuss. Zur Verteidigung erhalten alle Zellen Befehle – und der Generalbefehl lautet: »Achtung, seid bereit, ihr seid bedroht!«
• Nervenzellen: Seid wachsam und konzentriert!
• Muskelzellen: Seid angespannt!
• Herzmuskelzellen: Schlagt kräftig und schnell!
• Schleimhautzellen: Werdet den Feind schnell wieder los durch Durchfall, Husten und vermehrte Magensäure.
Der Körper kann aus eigener Kraft nicht mehr einen gesunden Histaminspiegel wiederherstellen. Er hat die Fähigkeit zur Regulation verloren. Dieser Daueralarmzustand kann einzelne oder mehrere Organsysteme betreffen und zeigt sich durch entsprechende Symptome. Diesen Zustand nennen wir Histaminose.
Histaminose = Histaminzufluss > Histaminabfluss
Nur der Vollständigkeit halber möchten wir kurz erwähnen, dass es auch das Gegenteil gibt: zu wenig Histamin im Körper. Dieser Zustand heißt »Histapenie«. Er kommt deutlich seltener vor als die Histaminosen, daher gehen wir hier nicht weiter darauf ein.
Je nachdem, wo genau der Fehler im System liegt – eher auf der Zufluss- oder auf der Abflussseite, lassen sich die Histaminosen klassifizieren (siehe Abbildung).
Ein Problem bei der Verstoffwechselung oder der Freisetzung von Histamin ist keine Histaminintoleranz, sondern eine Histaminose. Wir möchten daher im Folgenden nur diesen Begriff verwenden.
Was lässt das Histamin-Fass überlaufen?
Wenn die »Abflussrohre«, unsere DAO und HNMT, verstopft oder nicht richtig aufgedreht sind, und das Fass dabei ständig Nachschub erhält, läuft es irgendwann über. Genauso verhält es sich auch mit unserem Körper.
Schauen wir uns also genauer an, welche Ursachen auf der Abflussseite die häufigsten sind, die das Histamin-Gleichgewicht chronisch aus der Bahn werfen, sodass der Körper von alleine nicht wieder in die Balance zurückfindet. Es gibt sechs verschiedene Ursachen für Defekte bei/Mangel an den histaminabbauenden Enzymen, die teilweise einfach, teilweise kompliziert, zu beheben sind.
Abflussstörung 1: Mikronährstoffmängel