Ein schönerer Schluss. Bekim Sejranović

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Ein schönerer Schluss - Bekim Sejranović Transfer Bibliothek

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und danach gibt es nichts mehr, worüber wir reden könnten. Nach ein paar Minuten der Stille sagt Egil, er gehe jetzt in sein Zimmer, denn er müsse lernen, und ich gehe duschen.

       3.

      Nach dem Duschen mache ich mir das Bett auf dem Sofa vor dem Fernseher. Egil und die beiden Mitbewohner kommen und gehen abwechselnd ins Bad und ziehen sich dann in ihre Zimmer zurück.

      Morgen ist ein neuer Arbeitstag, da muss man früh in die Klappe, um ausgeschlafen zu sein. Ich lege mich aufs Sofa, decke mich mit dem Schlafsack zu und schalte den Fernseher ein. Fünfzig Programme, aber kein einziges halte ich länger als fünf Sekunden aus, ich mache den Fernseher aus und versuche zu schlafen. Aber bevor ich einschlafe, gehen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Zuerst überlege ich, was ich jetzt anfangen werde. Mir einen Job suchen, von 8 bis 16 Uhr arbeiten, allein in meinem Zimmer von 17 bis 24 Uhr Haschisch rauchen, mich am Wochenende betrinken, versuchen, eine flachzulegen, sonntags meinen Rausch ausschlafen, mir einen Porno reinziehen oder vor dem Fernseher liegen und durch die fünfzig Programme zappen, auf Montag warten, auf Dienstag warten, auf Mittwoch warten, auf … Oder mich in ein Mädchen verlieben, die Wochenenden mit ihr verbringen, auf Ausflüge gehen, ihr kleine Geschenke machen, an ungewöhnlichen Plätzen Liebe machen, sie betrügen, darauf warten, dass sie mich betrügt, die Beziehung beenden, sich wieder versöhnen, sie trösten und ihr die Tränen abwischen, die Beziehung in die Länge ziehen, bis einer von uns jemand anderen findet oder sie schwanger wird. Das stelle ich mir vor und muss fast lachen, denn ich erinnere mich natürlich an meine Ex. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob sie real ist oder nur ein Dämon, dazu da, meine Seele zu quälen.

      Nach solchen Gedanken kann ich nicht einschlafen. Ich habe kein Haschisch und kriege allmählich die Krise. Ich nehme ein Valium, schlucke es und drehe den Kopf zur Rückenlehne.

      VI

       1.

      Als ich aufwache, ist es still in der Wohnung, es scheint, als wäre ich allein. Alle sind schon zur Uni oder zur Arbeit. In der Wohnung lebt, außer Egil, noch ein Norweger, ein Student, den ich gestern Abend, als ich ankam, kaum zu Gesicht bekommen habe. Er ist es, der demnächst auszieht und dessen Zimmer ich in einer Woche übernehmen kann. Im letzten Zimmer, gleich neben der Küche, wohnt ein Franzose, Korrespondent mehrerer französischer Zeitungen. Ihn habe ich gestern Abend kennengelernt. Er ist groß und kräftig, mit seinen roten Bäckchen erinnert er an ein wohlgenährtes verwöhntes Kind.

      Ich stehe auf und rolle den Schlafsack zusammen. Ich gehe ins Badezimmer und dusche lange und heiß. Ich rasiere mich, putze mir die Zähne, nehme frische Wäsche, ziehe Hose, T-Shirt, das Oberteil des Trainingsanzugs an, sehe mich im Spiegel an, denke an nichts.

      Ich setze mich im Wohnzimmer aufs Sofa und weiß nicht, was ich tun soll. Ich sehe durchs Fenster auf die Straße hinaus. Es ist bewölkt und die Straßen sind nass. Der Regen hat mit Sicherheit schon mehrere Male angefangen und wieder aufgehört. Ein kleiner, kalter, vorhersehbarer Regen. Autos fahren vorüber und halten vor der Ampel an der Kreuzung gleich vor dem Haus. Ein paar eilige Passanten klammern sich an ihre Schirme.

       2.

      Fünf Tage sind vergangen. Ich stehe auf, sobald Egil, der Franzose und der Dritte, der ausziehen soll und dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, weggegangen sind, um ihren täglichen Verpflichtungen nachzukommen. Ich dusche, rasiere mich, ziehe mich an, als würde ich rausgehen, setze mich aufs Sofa am Fenster und sehe auf die Straße hinunter. Draußen hat sich nichts geändert. Derselbe graue Himmel, dieselbe nasse Straße, dieselbe Kreuzung, die Ampel, an der die Lichter wechseln, eilige Silhouetten, die mit großen Schritten zu ihren Bestimmungsorten eilen. Zu einer bestimmten Zeit, kurz nach Mittag, gehe ich zum Laden, kaufe eine Zeitung, Brot und eine Dose Makrelen in Tomatensoße, kehre nach Hause zurück, lese die Zeitungsüberschriften, kaue den Fisch. In einer Dose Makrelen in Tomatensoße ist alles, was der Mensch für einen Tag braucht.

      Wenn meine Mitbewohner nach Hause zurückkehren, nachmittags gegen fünf, grüßen sie mich flüchtig und gehen sich in der Gemeinschaftsküche etwas zu essen machen. Ich warte ab, bis sie ihre Speisen angerichtet haben, dann gehe ich hinaus, um sie beim Essen nicht zu stören. Sie essen im Wohnzimmer und sehen dabei fern. Egil lädt mich ein, mit ihnen zusammen zu essen, aber ich bedanke mich höflich und lehne ab. Ich sage, dass ich Makrele in Tomatensoße gegessen habe und dass das alles ist, was ich für einen Tag brauche. Er antwortet nicht, sondern isst ruhig weiter. Auch der Franzose hat mir angeboten mitzuessen. Er spricht verhältnismäßig schlecht Norwegisch, und so verständigen wir uns auf Englisch. Er spricht wie René aus der britischen Sitcom ’Allo ’Allo!. Der dritte Mitbewohner hat mir weder Essen angeboten noch etwas gesagt. Am sechsten Tag meines Aufenthalts in der Wohnung, am Samstag, ist er aus dem Zimmer ausgezogen, und ich ziehe ein.

       3.

      Ich habe meine zwei Rucksäcke hineingetragen und sie in die Ecke gestellt. Das Zimmer ist geräumig, mit einem Bett, einem Arbeitstisch, zwei Stühlen und einem Schrank. Die Fenster sehen auf dieselbe Straße hinaus wie die im Wohnzimmer. Ich stehe da und sehe auf die ursprünglich weißen Wände, die eine schmutzig gelbe Farbe angenommen haben. Hier und da sind kleine Löcher oder abgerissene Stückchen Tapete zu sehen. Ich gehe zum Bett und setze mich. Ich sehe aus dem Fenster und sehe die gleiche Szenerie, die ich die letzten paar Tage gesehen habe.

      Mir kommt der Gedanke, dass sich doch etwas bewegt hat. Jetzt hast du dein Zimmer und kannst es dir einrichten, wie es dir gefällt. Du kannst auf dem Bett sitzen und den ganzen Tag auf die Straße hinaussehen. Du brauchst ihnen nicht mehr aus dem Weg zu gehen, wenn sie zum Essen nach Hause kommen. Du brauchst nicht mehr hinauszugehen und auf das Dach des Hauses zu steigen, von wo sich der Blick auf Oslo öffnet. Vom Dach aus ist auch die Moschee zu sehen, die die Muslime vor ein paar Jahren gebaut haben. Im Ostteil von Oslo gibt es genügend Zuwanderer aus muslimischen Ländern. Die Moschee ist aus Steinen gebaut, die aus dem Nahen Osten gebracht wurden. Sie hat zwei schlanke Minarette, aber die norwegischen Behörden erlauben nicht, dass der Gebetsruf erschallt, denn sie nehmen an, dass das die Mitbürger, die keine Muslime sind, beunruhigen könnte.

      Ich erhebe mich vom Bett und gehe zu meinen Rucksäcken. Den großen Rucksack schiebe ich zum Schrank und fange an, meine Kleidung herauszunehmen und sie auf den Regalen zu verteilen. Als ich fertig bin, ist der kleine Rucksack dran, ich nehme den Laptop, die paar Bücher und meine Schreibhefte heraus und lege alles auf den Arbeitstisch. Ich schalte den Laptop ein, lasse einen kurzen Porno laufen und onaniere. Als ich fertig bin, setze ich mich wieder aufs Bett und sehe aus dem Fenster hinaus auf die Straße.

      VII

       1.

      Als die Pflaumen um Großvaters Hütte endlich abgefallen waren und verfaulten, kam der Herbst. Es setzten Regen ein, die in Bosnien „heftenjaće“, also „Sieben-Tage-Regen“ genannt werden, was bedeutet, dass es eine Woche lang durchregnet. Die Stimmen in meinem Kopf begannen allmählich leiser zu werden, und es gab Tage, an denen sie überhaupt nicht mehr sprachen, weder mit mir noch miteinander. Die Bilder, die mich im Schlaf ansprangen, aber auch wenn ich wach war, verblassten immer mehr. Vielleicht war der Grund auch, dass ich angefangen hatte, über das, was in Oslo geschehen war, zu schreiben. In dem rosafarbenen Schreibheft hatte ich zunächst damit begonnen, darüber zu schreiben, was in der Hütte war, aber da gab es nicht viel zu erzählen. Nach einiger Zeit hatte ich angefangen, neurotisch einzelne Wörter, die Geschehnisse

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