"I"- Achtung Spyware!. Til Erwig
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Читать онлайн книгу "I"- Achtung Spyware! - Til Erwig страница 16
Bernhard wollte sich eigentlich abregen, cool bleiben, aber dass im Streitfall immer die Kinder herhalten müssen will ihm nicht einleuchten. „Das Mädchen ist irgend so ein neumodischer Cyber-Typ und sonst nix. Ein Anti-Virus Programm in die Kiste - und puffff, schon ist sie weg!“ „Kommt nicht in Frage. So was musst du mit Amelie und Mick ausmachen. Das ist M o r d!“ Einer zu viel für Bernhard. Drama in allen Ehren aber ein gelöschtes Computerprogramm als Mord zu bezeichnen, das geht über jeden Verstand. Sein Vater hätte gesagt ´über die Hutschnur`! Deshalb macht er gute Miene zum bösen Spiel, steht auf, umarmt seine Moni, (Na bitte, sein Entspannungsvorhaben funktioniert doch) und flüstert ihr ins Ohr. „Jetzt spinnst du aber, Moni Bär! Das Mädchen besteht aus … aus … aus Silikon und Energie und aus was weiß ich noch. Risiko! Hoch riskant, die Kleine, das sag i c h dir!“ Und irgendwie ist Monika froh, dass ihr Mann nicht noch mal ausrastet und deshalb stimmt sie seinem Genuschel, Gegrummel und beginnenden Gefummel zu und sagt halbherzig „Sie ist doch noch ein Kind. Du wolltest doch immer noch so was Süßes wie Amelie, oder?“
„Hummmh, hummmmh, grrrrruuuh!“ macht Bernhard das wilde Raubtier und schleppt sein nur leicht widerstrebendes Opfer zur Küche hinaus ins obere Stockwerk des Hauses.
*
Mick hockt mit gegrätschten Beinen in seinem Zimmer und starrt auf den Bildschirm. Er betrachtet Eigenartiges, das gerade in Schnurres Modelädchen passiert. Wenn man ganz genau hinsieht, kann man erkennen, sozusagen durch die Augen von „I“, wie Amelies Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger den ausgestreckten Zeigefinger des Mädchens berührt. Wenn Leonardo da Vinci noch lebte, würde er sich über den dreisten Versuch seine 1508 geschaffenen ´Schöpfung des Menschen` in der Sixtinischen Kapelle in Rom zu kopieren sicher beschweren, vielleicht sogar eine Klage einreichen, wenn er noch leben würde. Tut er aber nicht und wo kein Kläger – da kein Richter, sagt Papa manchmal und der hat den Spruch von seinem Vater und der wiederum …
Aber so berühren sich die Finger der beiden Mädchen und – es passiert nichts. Mick lehnt sich erstaunt zurück, eigentlich war mit einem Stromschlag zu rechnen, der seine Schwester aufkreischen lässt und ihn, den Experten für elektrische Spannungsfelder, der ja schon im Vorfeld vor Experimenten gewarnt hat, zum Retter über Leben und Tod gemacht hätte. Naja, mit Zitronen gehandelt, würde Mama sagen, die ja gar nichts wissen darf von der Sache und angeblich mit Papa zusammen ziemlich geräuschvoll das Frühstück vorbereitet.
Ins Modelädchen sind die beiden Mädchen ja nur um rasch ein paar witzige Klamotten für „I“ zu finden, sie kann schließlich nicht ein Leben lang in Onkel Henrys Ami-Klamotten herumlaufen. Amelie betrachtet immer noch ihren ausgestreckten Zeigefinger – und ist doch einigermaßen erleichtert, dass nichts passiert ist. Unter Strom zu stehen soll fürchterlich unangenehm sein, bei Blitzschlag hat es sogar schon Todesfälle gegeben, behauptet zumindest Mick, der Fachmann in Energiefragen, aber man kann ihm eben nicht immer glauben. In Sachen Stromschlag jedenfalls ist sein Prognose nicht eingetroffen, das hat der Finger Test soeben eindeutig bewiesen. „Nix passiert!“ Amelie hält ihren Finger dem Mädchen unter die Nase und die wiederholt emotionslos „Nix … passiert!“ „Das ist gut so“, sagt Amelie und das Mädchen echot „Das ist gut so“.
Danach aber - und zur großen Überraschung Amelies - stellt sie nun sogar eine Frage „Was ist das … gut so?“ Amelie klatscht erfreut in die Hände und antwortet „Gut so heißt, dass es gut ist, wenn ich dich anfassen kann und dabei keinen Schlag kriege. Du stehst nämlich unter Strom, verstehst du?“ „Ich bin unter Strom, wenn Menschen … anfassen. Doktor Mundfohl … darf nicht anfassen. Das ist gut so.“ „Und warum darf Doktor Mundfohl nicht anfassen?“
„Amelie ist … ist … kompa …“ „Kompatibel! Da hab´ ich Glück gehabt“ , lacht Amelie und umarmt die neue Freundin heftig. Die echot was sie soeben abgespeichert hat „Da hab ich Glück gehabt.“ „Da hast d u Glück gehabt“, korrigiert Amelie. „Da hast du Glück gehabt“, antwortet „I“ und zugleich ertönt wieder das nun schon zur Gewohnheit gewordene „Dida dadadadidadaaa“.
„Nee, nee, neee!”, sagt Amelie und legt dabei die Hand auf den Mund des Mädchens, als ob sie damit das Abspeichern verhindern könnte. „Nicht alles speichern, das musst du noch lernen. Aber jetzt suchen wir erstmal was für dich zum anziehen, okay?“ Sie hält „I“ ein modisches Kleidungsstück hin. Das Mädchen betrachtet und befühlt es, weiß aber im Grunde nicht recht was damit anzufangen. Amelie versucht es ihr zu erklären „Mein kleiner Bruder Mick nennt das abartig, aber mir gefällt´s. Probier´s an. Anziehen, verstehst du? A n z i e h e n! Warte, ich helf ´ dir. Ist super stylisch.“
*
Im Garten des Schnurre Hauses rennen Monika und Bernhard hin und her um
den Frühstückstisch für Familie und Gast schön zu decken. Die Anspannung ist nach dem Besuch des Schlafzimmers einer fühlbaren Entspannung gewichen, dennoch geht das Streitgespräch in locker geführtem Ton weiter. „Entschuldige mal“, sagt Monika und Bernhard antwortet wie aus der Pistole geschossen mit einem verbindlichen und gleichwohl desinteressierten Lächeln. „Ich entschuldige.“ Eigentlich ist Monika nicht an einer Fortsetzung der Diskussion um die merkwürdige Schaufensterpuppe und um das inzwischen kaum weniger merkwürdige Mädchen interessiert. Vielmehr hatte sie gehofft, dass Bernie noch ein wenig in der zärtlich vertraulichen Stimmung der vergangenen Minuten verweilen würde. Sie ärgert sich über sich selbst. Nach all den Jahren ihres gemeinsamen Lebens – wie viele sind es doch gleich - hat sie immer noch dieselben Hoffnungen und Wünsche und Gefühle wie in ihrer Teenagerzeit. Ein Vermächtnis von Mammelie, denkt sie, und ist irgendwie stolz darauf sich wenigstens etwas von ihrer Mutter erhalten zu haben, auch wenn sie sich kaum an sie erinnern kann und auch Fotos oder Erinnerungsstücke sind ihr nur wenige geblieben. Ausgenommen das Wiegenlied vielleicht, das die hippe Künstlermutter noch kurz vor der Geburt des zweiten Töchterchens auf inzwischen vergilbtem Originalnotenpapier textete und komponierte, von Monika immer noch irgendwo sicher aufbewahrt.
Schlaf nun bald, Schlaf nun bald, Kleiner Wiegenschatz
In der Hütt´
Auf dem Herd
Schläft schon Hund und Katz´.
Fuchs und Has´
Maus und Reh´
Schlafen auch im Wald
Silbermond blickt herein,
Schlaf mein Kind nun bald.
Morgens