GAUCHO. Chris Biller

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GAUCHO - Chris Biller

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Mitleid zu erzwingen. Menschen die nur darauf warteten dass man sie bedauert und umarmt. Für mich war das eine Art von ADS, Aufmerksamkeits-Defizits-Syndrom.

      Wenn sie ihr Ziel dann erreicht hatten, fingen sie an noch schlimmer zu werden. Das war auch der einzige Grund warum ich über meine Bewusstlosigkeit, was das anging, positiv dachte. Ich wollte gar nicht wissen wer oder was mich in der ersten Phase nach meiner Einlieferung alles schon besucht hatte. Wer auf mich herab sah und vor lauter Mitleid das Heulen anfing. Es hätte die Sache für mich nur noch verschlimmert. Sie hätten dazu beigetragen meinen Zustand unerträglich zu machen. Es gab meine Vergangenheit, die derzeitige Gegenwart und die leicht kalkulierende Zukunft an der ich mich stets zu erinnern zwang. Denn die war Fakt.

      Auf der anderen Seite im Zimmer befand sich in einem aus furniertem hell orange farbenden Holz die große und breite Zimmertür. Daneben das Nachtlicht für die Schwester und ein leuchtender Druckknopf um sie bei Bedarf zu holen. Die Wände waren in einem leichten gelb gehalten und der kleine Schrank für die persönlichen Sachen neben dem Bett war hellgrün. Es machte alles zusammen irgendwie einen frischen Eindruck. Als ob man darauf sehr bedacht war dass die Patienten sich wohl fühlten. Ein Einzelzimmer in der Nähe einer wunderschönen Parklandschaft ohne Seeblick aber mit Homeservice und mobilen Wellniesbereich.

      Das einzige was fehlte war eine Uhr und ein Kalender, denn ich fühlte mich zeitlich komplett desorientiert. Hatte nicht gerade Dr.Lammers nach der Morgenvisite diesen Raum verlassen, schien es im nächsten Augenblick kurz vor Anfang der Dämmerung zu sein. Für mich kamen zunächst nur zwei Möglichkeiten in Frage. Entweder nahmen die Ärzte das mit der Visite nicht ganz so genau, indem sie ihren Rundgang durch die Zimmer auch mal am späten Nachmittag absolvierten. Oder ich hatte Blackouts, die mich unkontrolliert wegtreten und nach unbestimmter Zeit wieder wach werden ließen. Die letztere These, eher ohne Ernsthaftigkeit von mir aufgestellt, bestätigte sich Erschreckenderweise durch die Antwort, die ich mir im gleichen Augenblick, jedoch mit einem Zeitsprung zur Mitte der Nacht, selbst darauf geben konnte.

      Ich durfte also die Option „Blackouts“ einloggen. Nun stellten sich die nächsten Fragen. Wie lange dauerte einer dieser Zustände an und kann ich das irgendwie kontrollieren?

      War jene Nacht diejenige von dem Tag zuvor oder befand ich mich schon in der übernächsten Nacht? Sind die durchzuführenden Tests die Professor Niehlan angewiesen hatte schon erledigt worden, oder finden sie noch statt? Wenn ja, wie waren sie ausgefallen?

      Das hatte mir zu meinem Glück noch gefehlt. Ich war der Einzige der wusste, wann ich bei Sinnen war aber ich hatte keinen Einfluss darauf wann. Befand ich mich im Wachzustand änderte es nichts daran, dass ich weiterhin zeitlos war. Nachfragen konnte ich nicht und ein Grund mich zu informieren bestand ebenfalls nicht.

      Der Zufall entschied also darüber wann und ob ich ganze Tagesabläufe mitbekam oder nur Minuten. Wenn überhaupt. Informationen über wichtige Ereignisse mich betreffend, waren so sicher wie der Hauptgewinn an einer Losbude auf dem Jahrmarkt.

      Was für ein unerträgliches Desaster. Ich hätte mir am liebsten vor Wut selber eins in die Fresse gehauen. Aber ich wusste ja noch nicht einmal ob ich eine Hand dafür hatte. Dieser physische und nach außen hin komaähnliche Zustand reichte also nicht. Nein!

      Für mich durfte es wie so oft ein wenig mehr sein und somit hatte ich die tollsten Aussetzer als Nachtisch. Als ungewollter Zeitreisender bewegte ich mich unkontrolliert durch die 4. Dimension und fand mich in verschiedensten Situationen wieder. Einige stellten mich auf die Probe oder forderten mich mental heraus. Andere hätten für mich sogar im gesunden Leben bereichernde Auswirkungen gehabt.

      >>Guten Mooorgen Tony! Es ist ein wunderschöner Herbstmorgen und heute ist Waschtag. Das heißt wir machen uns nackiiig. <<

      Ich weiß nicht ob ich komatös oder in einer Schlafphase war, als die liebe Schwester Dora bei meiner ersten Begegnung mit ihr, ihre war es offensichtlich nicht, mit vollem Elan die Zimmertür derartig aufschlug, als ob sie daraus eine Drehtür machen wollte. Es schepperte so laut das man wach werden mußte und mit ihrem Organ hätte sie sogar die alten Inkas aus ihren Gräbern schreien können. Die Tatsache, dass sich der Ort an dem wir uns beide aufhielten, den meisten die erforderliche Ruhe zur groben Genesung verschaffen sollte, war für sie anscheinend nicht relevant.

      Sie war im besten Alter, vielleicht Ende Vierzig oder Anfang Fünfzig und sie sah sehr attraktiv aus. Eine Frau die mit Leichtigkeit in der Lage war in ihrer zweiten Lebenshälfte noch immer den Männern die Köpfe zu verdrehen. Das Problem war nur dieses leicht penetrante Auftreten wie ein fetter Fischverkaufender Marktschreier auf einem Brüllfestival. Nicht das sie dem Äußeren einem so manchen entsprach, im Gegenteil. Wer wie sie, wie ein Zufluchtsuchender bei einem Bombenangriff durch die Gänge eines Krankenhauses raste, konnte keine unsportliche Figur haben. Aber sie hätte sicherlich mit ihrer tiefen Raucherstimme den ersten Platz gemacht.

      >>Na, wie haben wir geschlafen, haben wir etwas Angenehmes geträumt? <<

      Wieso wir? Haben wir? Woher sollte ich wissen ob Dora angenehme Träume hatte, wahrscheinlich eher Feuchte. Ich wusste ja noch nicht einmal von meinen.

      Einer der Gründe mit einem Patienten in der „Wir-Form“ zu sprechen ist der, ihm zu vermitteln, daß er nicht alleine mit seinem Problem ist. Das die Personen die sich um ihn kümmern, an seinen Leid teilhaben und für ihn sorgen.

      Ein anderer Grund ist das verblödete und verhätschelnde Getue von überkandidelten Schwestern, die ihre Patienten und deren Krankheiten oder gar Gebrechen nicht für voll nahmen aber auch besser nicht sollten.

      Fragen wie zum Beispiel: „Haben Wir uns verlaufen?“ in einer erhöhten albernen Tonlage, gleichstellend die einer überzogenen Henne. Das zu dem alten Mann der zwei Wochen nach einer Prostataoperation sich auf dem Gang nur die Beine vertreten wollte und die Fäuste ballt, aber nicht weil er Schmerzen hat.

      „Sind Wir wieder alleine zur Toilette gegangen, das sollen Wir doch nicht Frau Müller, oder?“ zu einer Frau, nicht einmal im Rentenalter, die nach einem Schlaganfall die Zeit vor dem Spiegel für sich selber braucht, um sich mit ihrem neuen Gesichtsausdruck abzufinden. Deren Gedanke in solch einen Moment eher „was weißt du denn schon“ ist.

      Schwester Dora passte nicht in dieses Schema. Gerade heraus vermochte sie zu sagen was sie dachte. Manches zwar überzogen dargestellt wie bei ihren Kolleginnen aber das Gefühl der geistigen Herabwertung blieb bei ihr aus.

      Sie redete viel mit mir und stellte Fragen während sie tätig herumlief. Die Antworten darauf, die ich ihr nicht geben konnte, gab sie sich gleich selber. Einige davon entsprachen zwar nicht ganz meiner Meinung, aber oftmals waren sie erstaunlicherweise deckend und das war sehr unterhaltsam.

      Manchmal, wenn sie nah genug bei mir stand, schwieg sie nach einer Frage für einen Moment und schien auf einer Regung von mir zu hoffen. Sie schaute mir dabei mit ihren saphirblauen Augen tief in die meinen, indem sie sich so weit wie möglich zu mir herunter beugte. Sie roch süßlich nach Flieder und ich spürte ihren warmen Atem. Wie sie ihn am Kinn vorbei bis zum Ende meines Halses hauchte und er sich dann am Saum meiner Bettdecke verteilte. Ihre Aufmerksamkeit galt der ausbleibenden Reaktion meines Gesichtes. Trotzdem war ich sicher, sie wusste um die Wahrscheinlichkeit dass ich sie hören konnte. Dann, wendete sie sich wieder ab und redete munter weiter.

      Ich war ihr Gesprächspartner beim Kaffeeklatsch ohne Kaffee. Die Plauderei beim Wäsche aufhängen ohne Wäsche. Wie ein Wasserfall plauderte sie sämtliche Dinge aus, während sie an mir herumzog, mich aus und anzog, pflegte und das Zimmer auf Vordermann brachte. Die urigsten Themen kamen zur Sprache, als hätte sie nur ein Opfer gesucht, dem sie alles unterbreiten konnte was sonst keiner hören wollte. Sie redete von sich und ihre Familie.

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