GAUCHO. Chris Biller

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GAUCHO - Chris Biller

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Jeden dazu. So oder so!

      Ich war überzeugter Atheist und hielt nichts von dieser Glaubensschwafelei. Das war allerdings nicht immer so. Als Kind ging ich sogar gerne in die Kirche und manchmal betete ich vor dem zu Bett gehen. In der Zeit als die Sache mit Elena passierte und nicht lange danach meine Mutter verstarb, richtete ich oft meine Gebete an Jesus. Der hatte meiner Meinung nach aber nichts Besseres zu tun, mit der Missachtung meiner Gebete, mir zu zeigen dass ich für ihn nicht existent war. Ich fühlte mich von ihm verleugnet und später tat ich mit ihm dasselbe. Das mag naiv klingen aber aus Kindestrotz vertretbar.

      Dann war da noch der große Strahler über meinem Bett. Er hatte bald einen Durchmesser von einen halben Meter, schien mir jedenfalls so. Er erinnerte mich an diesen Strahler von meinem Zahnarzt. Rund mit einem hochglänzenden breiten Chromring drum herum und innen, hinter einer hellorange getönten Scheibe, zwölf kleine Lampen die zusammen ein großes Licht ergaben. An der rechten Seite ging ein dicker Gelenkarm ab, der wiederum irgendwo neben mir am Bett befestigt war.

      Im groben war das eigentlich alles auf das sich mein Sichtfeld beschränkte. Zumindest solange bis ich mir dann den Strahler genauer betrachtete.

      Der spiegelnde Chromring ermöglichte mir meinen Blickwinkel, der aufgrund meiner völligen Bewegungs-einschränkung fast auf Null war, über das ganze Zimmer auszubauen. Durch die Wölbung des Ringes verzog sich alles was seitlich vom Strahler im Zimmer war für mich in eine parabolische Ansicht. Gewöhnungsbedürftig aber mit der Zeit lernte ich damit um zu gehen.

      Gar nicht schön der Moment als ich auf der inneren Seite des Ringes zur Mitte des Strahlers schaute. An dieser Stelle war keine Wölbung und in der getönten Scheibe war genau das zu sehen was sich unmittelbar darunter befand. Ich sah mich, ja mich! Wie in einem dunklen Spiegel, glasklar.

      War ich das wirklich? Ich sah ein verzerrtes, in sich Schläuche steckendes und fremdes Gesicht. Erst dachte ich, es liegt an meine Augen aber je länger ich mich auch auf mein Gesicht konzentrierte, es wurde nicht besser. Alles andere um mich herum gab ein klares Bild ab und so musste ich mich letztendlich damit abfinden, dass die Fratze die sich im Strahler widerspiegelte, die meine war.

      Schockiert und fassungslos wollte ich heulen, schreien. Diese Fratze berühren, versuchen sie irgendwie zu Recht zurücken aber es ging nicht.

      Sämtliche Gesichtszüge waren entglitten oder nicht mehr vorhanden.

      Schlapp und zerflossen, hängend wie ein Wachsfigurengesicht was zu lange in der Sonne lag, ohne jeglichen Ausdruck. Es war tot!

      Die Haare waren ab. Sie hatten mir den Kopf kahl geschoren. Zumindest an den Stellen wo noch Haare hätten wachsen können. Von Narben und Nähten übersät, sah mein Kopf aus wie der Grand Canyon, zusammengeflickt wie ein 3D Puzzle. Ungewiss was noch original in meinem Kopf war, wie viel Titan in Schrauben- oder Plattenform meinen Schädel zusammen hielt.

      Das einzige aufheiternde waren die tollen Schläuche die aus Mund, Nase, Kopf, Hals und dem Bett ragten. Sie verhinderten glücklicherweise aufgrund ihrer für mich lebensnotwendigen Funktion, den direkten Blick auf mich.

      Flüssigkeiten wie Wundwasser, Blut und anderen Sekrete die der Körper in meiner Lage absorbierte, wurden durch sie abgepumpt oder abgelassen. Zwei kamen allein schon seitlich aus meinem Hinterkopf und verhinderten das aufblähen meines Kopfes zur Größe eine Medizinballes.

      Die in der Nase und im Mund versorgten mich mit Sauerstoff und künstlichen Mahlzeiten in Flüssigform.

      So sah ich also aus….am Kopf!

      Die Bettdecke hing mir fast bis zum Hals und es war schwer, das was sie abzeichnete sicher zu definieren. So konnte ich nur raten wie der Rest aussehen könnte. War noch alles da? Wenn etwas fehlte, war es ein Arm oder ein Bein? War vielleicht nur noch der Rumpf vorhanden? Wenn ja, wie sah er aus? Würde ich es überhaupt jemals erfahren?

      Ich lag also da mit mir im Wissenskonflikt, wie es wohl um mich und der Anzahl meiner Körperteile stehen könnte.

      Sämtliche Geräte in allen Größen und Formen standen um mein Bett herum und jedes von ihnen machte andere Geräusche. Tropfständer, Sauerstoffsättigungsapparatur, Monitore und sogar ein Defibrillator rundete diese großzügige Ansammlung von Pharmaschrott ab. Um mich herum war alles derart mit diesem Zeug dichtgemüllt, das selbst wenn ich hätte aufstehen können, ich nicht von der Stelle gekommen wäre. Selbst der nur indirekte Blick zum einzigen Fenster war fast verbaut worden.

      Mich erinnerte das an Bilder die ich aus Filmen oder Reportagen kannte, bei denen ich derjenige war der am lautesten rief:„Schalte die Geräte aus, der merkt doch eh nichts mehr!“

      Ich habe mir nie die Frage gestellt, was denn mein Wille wäre, wenn ich eines Tages so liegen würde. Maschinell am Leben gehalten, mit oder gegen den eigenen Willen ohne Einfluss, weil das Gesetz es so vorschreibt. Wer denkt schon an einer Patientenverfügung um Lebenserhaltende Maßnahmen zu untersagen? Die Wenigsten!

      Jetzt lag ich also da in der Hoffnung dass ich nicht selbst den Gedanken bekomme, das mich Irgendwer von meinen Leiden erlöst und den Stecker zieht. Es würde sich nämlich nichts ändern. Wie ich mich auch entscheiden würde, nach der unvermeidlichen Offenbarung meines restlichen Seins, es würde kein Ende finden.

      Sie würden weiter machen die Professoren und Doktoren mit der vom Pflichtgefühl umwogenden Zielstrebigkeit nach Erhaltung eines Lebens und der Suche nach neuen medizinischen Errungenschaften. Wer kennt das nicht, das wissenschaftliche Experiment mit der langbeinigen Spinne.

      Man reiße ihr nach und nach ein Bein heraus und dokumentiert, wann sie wohl mit dem Laufen aufhören würde. Gut, man würde mir hier keine Körperteile herausreißen, sofern überhaupt welche vorhanden waren. Aber davonkommen lässt mich auch keiner. Mir blieb also nichts anderes übrig, als zu warten. Warten auf die Dinge, die da kommen.

      Ich studierte den Raum akribisch um mein Sichtfeld perfekt auszubauen. Ich musste die Abstände zu den Gegenständen die sich im Raum befanden durch meine parabolische Sichtweise neu einschätzen. Das stellte sich als nicht ganz einfach heraus. Rechts von mir war also das einzige Fenster durch das ich einige eng zusammenstehende Baumkronen erkennen konnte. Die meisten Blätter die noch hingen waren schon gelb. Mir wurde klar wie lange ich nicht bei Bewusstsein war. Demnach hatten wir Herbst und wenn es nicht Jahre waren die ich nicht bei Sinnen war, wovon ich ausging, dann mussten es mindestens über zwei Monate gewesen sein.

      Links neben den Baumkronen war ein freies Stück mit dem Blick zum Himmel der an jenem Tag meines Er-wachens strahlend blau war. Die Sonne schien mit herrlicher Kraft und einem schon fast gellenden Strahl in mein Krankenzimmer herein. Ein goldener Oktobertag wie er schöner nicht sein konnte. Ich machte mir durch diesen Eindruck für einen Augenblick Illusionen. Gerade zu euphorisch fing ich an mich auf die nächste Tour mit meinem Bock zu freuen. Die Sonne, die Straßen, die Cafes und die Mädels. Ich verspürte dieses Gefühl etwas zu verpassen in dieser Gefangenheit. Ich wollte frei sein und zwar so wie ich es immer war. Hätte mich Jemand hören können aus meiner offensichtlichen ausweglosen Lage mit dem Wissen wodurch diese letztendlich zu Stande kam, ich glaube man hätte mich aufgrund meiner Unbelehrtheit auf der Stelle erschlagen. Es hörte mich aber keiner und so reichte ein Blick zum Strahler über mir, der mich aufs härteste wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Ein Blick genügte nach solch gedanklichen Ausschweifungen um eine psychische Keule zurück in die Realität zu bekommen. Es war grauenhaft ernüchternd, sehen zu müssen dass es vorbei war. Wie lange ich auch so leben würde, niemals käme mein altes Leben wieder in Betracht.

      An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass dies kein Selbstmitleid sein sollte, im Gegenteil. Ich versuchte der Lage Herr zu werden

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