DAS OPFER. Michael Stuhr
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Schnell bringe ich mein Tablett zu einem der Metallregale. Im Vorbeigehen bleibt mein Blick an den Köstlichkeiten des Büffets hängen. Ich spüre noch immer, dass ich gestern einfach zu wenig gegessen habe. Mein Hungergefühl ist noch nicht besänftigt. Kurz entschlossen nehme ich mir ein neues Tablett, auf das ich mir Teller und Schüsseln mit Obst, Joghurt, kaltem Braten, Brot und Salat häufe. Ein großes Glas Fruchtsaft macht das Ganze komplett. Äußerst befriedigt über meine Beute jongliere ich das Tablett zum Aufzug. Die Frau hinter der Theke schaut mir belustigt nach, aber sie sagt nichts, also darf man das wohl. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich heute Mittag mein Zimmer nicht wegen Hungergefühlen verlassen muss. Das ist auch gut so.
Heute kann ich mir keine Ausreden mehr leisten, um mich vor der Arbeit zu drücken, auch wenn sich immer wieder neue Fragen aufdrängen: Haben die Cops am Ende irgendwelche Beweise gegen Diego gefunden?
Entschlossen schiebe ich diesen Gedanken beiseite. Es wird sich alles aufklären, so oder so. Ich glaube einfach nicht, dass Diego so etwas tut oder auch nur veranlasst!
In meinem Zimmer angekommen, stelle ich das Tablett auf Biggys Schreibtisch. Lous Bücher baue ich auf meinem Schreibtisch auf und schalte das Notebook ein.
Die Bücher sind klasse und ich komme gut voran. Bald habe ich schon zahlreiche Beispiele der Unterwasserarchäologie gesammelt und stichwortartige Beschreibungen dazu formuliert. Natürlich ist das noch längst kein fertiger Text, aber immerhin ergibt sich aus dem Ganzen schon eine gute Gliederung.
Auch das Bildmaterial ist beachtlich. Das sind schon ganz besondere und bestimmt auch sehr teure Bücher, die Lou mir da gegeben hat. So etwas gibt es hier in der Bibliothek gar nicht. Einiges davon werde ich einscannen und auf meinen Stick ziehen. Das wird eine tolle Power Point Präsentation ergeben. Seufzend lehne ich mich zurück. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit mir.
Die Luft des späten Nachmittags ist mild und ein leichter Wind spielt mit den Vorhängen am offenen Fenster. Ich schaue hinaus in den schönen kalifornischen Spätnachmittag mit seinem goldenen Licht, atme tief ein und bin stolz darauf, dass mein Kopf trotz all der Anspannung doch noch recht gut funktioniert.
Mitten in meinem Hochgefühl fällt mein Blick auf einen schmalen Band, der noch unberührt auf dem Schreibtisch liegt. Es scheint ein reiner Bildband zu sein. Ich habe ihn mir gewissermaßen als Belohnung bis zum Schluss aufgehoben.
Neugierig beuge ich mich vor und ziehe das Buch zu mir heran. Planlos blättere ich darin herum. Wunderbar fotografierte Unterwassermotive mit Textzeilen darunter in einer Schrift, die altertümlich wirkt. Nein –nicht nur altertümlich, sie ist überhaupt nicht zu entziffern. Was ist das für eine Schrift? In was für einer Sprache ist dieses Buch gedruckt?
Ich betrachte den Band genauer und stoße auf Bilder, die mich verwirren: Was wird denn da gezeigt? Ich sehe nackte Leute unter Wasser, die vor Höhlen herumschwimmen. Männer und Frauen mit strengen Gesichtern, langen, dunklen, wild schwebenden Haaren und kraftvollen Körpern. Sie wirken feierlich und ernst. Aber das Ganze hat absolut nichts mit Unterwasserarchäologie zu tun.
Auf einem Bild erkenne ich eine Gestalt, die liegend in eine Höhle geschoben wird. Ich betrachte das Bild genauer. Irgendwie erinnert mich das Ganze plötzlich an Caetan und an Hamilton. Ist das etwa - ich atme tief ein - eine Darksiderbestattung?
Gespannt blättere ich weiter und sehe die Textzeilen zu den verschiedenen Bildern. Ich würde sie so gern lesen können. Was ist das für ein Buch?
Auch der Einband ist ungewöhnlich: Er zeigt einen bronzefarbenen Dreizack, der kunstvoll mit Schlangen und irgendwelchen Schriftzeichen verziert ist. Die Spitzen, die mit Widerhaken versehen sind, schimmern in einem unwirklich goldenen Licht.
Der Hintergrund des Bildes ist dunkelblau bis grünlich. Es sieht so aus, als würde der Dreizack über eine Menge gehalten. Man erkennt zahlreiche, im diffusen Licht weiß-bläulich schimmernde Gesichter. Ihre hell schillernden Augen blicken zu den leuchtenden Spitzen des Dreizacks auf.
Das ganze Bild wirkt irgendwie mystisch – ja fast schon satanisch. Ziemlich unheimlich! Mich schaudert, als ich den Band erneut aufschlage. Dieses Buch muss ich mir genauer anschauen.
Plötzlich klingelt mein Handy. Das ist Diego! Er ist endlich frei! Mit der rechten Hand schmeiße ich das Buch zur Seite, während meine Linke zielgenau nach vorne schießt, das Handy schnappt und den Empfang sofort aktiviert. „Diego!“ rufe ich atemlos.
„Lana, endlich!“, dringt Diegos sanfte Stimme an mein Ohr und in mein Herz.
In meiner Erregung bin ich aufgesprungen, doch nun lasse ich mich wieder auf den Schreibtischstuhl sinken. Mir wird ganz weich zumute. „Diego!“ flüstere ich. „Endlich!“ Ich springe wieder auf und beginne aufgeregt im Zimmer herumzulaufen. „Wie geht es dir? Können wir uns sehen? Warum haben sie dich so lange festgehalten?“
„Ich komme zu dir, okay?“ antwortet Diego. „Jetzt sofort.“
Ich höre, dass er lächelt und ich muss auch lächeln. „Ja“, flüstere ich und eine zärtliche, warme Welle zieht durch meinen Körper. „Jetzt sofort!“
„Dann bis gleich.“
Das Gespräch ist beendet, aber ich presse das Handy trotzdem noch an mein Ohr. Der Spiegel über dem Waschbecken zeigt mir eine ziemlich dümmlich grinsende Lana. Ich nehme das Handy vom Ohr, nicke meinem Spiegelbild würdevoll zu und sage: „Siehst du, nun wird alles wieder gut.“
Die Minuten ziehen sich in die Länge, wie Kaugummi. Ich drehe in dem Zimmer eine ruhelose Runde nach der anderen. Zwischendrin hetze ich zum Fenster, wenn ich ein Auto höre. Ich weiß doch, wie Diegos Porsche klingt und trotzdem reagiere ich hektisch auf jedes Motorgeräusch, sogar als jemand mit einem knatternden Miniquad vorbeifährt.
Während ich wieder einmal aus dem Fenster spähe, höre ich hinter mir ein Klopfen. Erschrocken drehe ich mich um. „Ja?“
Die Tür geht auf und ich sehe in Diegos lächelndes Gesicht. Mit schnellen Schritten ist er bei mir und nimmt mich in die Arme.
Warum kann ich jetzt nichts sagen? Warum stehe ich hier rum wie eine Idiotin? Warum passiert mir das immer wieder? Ich lache und weine gleichzeitig.
Diego küsst mir die Tränen weg. Wir sinken auf mein Bett. Ich halte mich an ihm fest. Ich kann ihn nicht loslassen. Meine Fingerspitzen schieben sich durch die Knopfleiste seines Hemds. Die Wärme seiner Haut macht, dass ich mich noch fester an ihn presse. Es ist so schön, seine Hand auf meinem Rücken zu spüren. Endlich wieder zusammen! Wir können einfach nicht mehr aufhören, und schon bald verschmelzen wir in einer sehnsuchtsvollen, zärtlichen und gleichzeitig stürmischen Umarmung.
Liebevoll zieht mich Diego danach in die Arme, küsst mir auf die Haare und flüstert: „Du Lana, wir müssen zu Lou und alles bereden, was passiert ist.“
Ich drehe mich zu ihm um, stütze mich auf einen Ellbogen und streiche mit der Hand sacht über seine glatte Haut Ich folge dem leicht behaarten Pfad, der direkt unterhalb des Bauchnabels beginnt mit dem Finger. „Ich will aber noch mehr.“
Diegos Reaktion ist unverkennbar,