Der Totenflüsterer. Dietmar Kottisch

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Der Totenflüsterer - Dietmar Kottisch

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Auf Seite 134 seines Buches >Überleben wir den Tod? < schreibt er: >Monika, die Tochter meines Bruders, starb 1944 als zwölfjähriges Kind an Lungenentzündung. Sie starb, als der Krieg herrschte, ohne medizinische Hilfe. Der Durst, den sie beim Sterben erlitt, beschäftigte ihre Seele auch nach dem Tode: „Die kleine Monika bittet um Wasser….“

      Die Mitteilung >Ich esse< war außer der Stimme das wesentlichste Kriterium, an dem er seinen Vater erkannt hatte.

      Es hatte eine Zeitlang gedauert, bis ihm bewusst wurde, dass hier wirklich und wahrhaftig sein Vater aus der anderen Dimension zu ihm gesprochen hatte.

      Hier die zwölfjährige Monika, deren irdische Qual vor dem Tod der Durst war, und die diesen Durst dann artikulierte quasi als letzte Erinnerung vor dem Übergang (< die kleine Monika bittet um Wasser>)

      … dort sein Vater, dessen irdische Qual vor dem Tod der Hunger war, und der ihn ebenfalls aus der jenseitigen Dimension artikulierte (<Ich esse>)

      Dann kamen von seinem Vater weitere kurze Nachrichten (>Dein Vater Bernhard hier<), und immer wieder der Hinweis auf die Kraft der Gedanken (>Bernhard – Gedanken – sind –sprechen – sprechen <). Seine Mutter Luise beobachtete diese Experimente mit Ängsten und Misstrauen. Sie konnte nicht glauben, dass es ihr Mann sein sollte, dessen teils für sie zuerst unverständliche Wörter auf dem Tonband waren. Eines Abends rief Paul sie in sein Zimmer und spielte ihr die Stimme vor: > Luise – glaub – das <. Sie sah ihren Sohn an und sagte: „Eigenartig ist das schon, denn ich habe die ganze Zeit über deine Stimmen nachgedacht!“ Sein Vater schien über Paul zu wachen, denn sporadisch nahm er Bezug auf Alltäglichkeiten. Auch die Stimme seiner Mutter, die im Februar 1972 bei einem Verkehrsunfall getötet wurde, spielte er ein. Eine etwas seltsame Botschaft erreichte ihn von seiner Mutter im April 1974: >dein Bruder – Gefahr für dich<. Er fragte immer wieder nach, erhielt aber keine Reaktion mehr. Weshalb sollte sein Bruder Gustav eine Gefahr für ihn sein?

      Diese Botschaft kam aber immer wieder, 1975, 1979.

      Paul begann darüber nachzudenken. Es war sehr schwer, ein tief verwurzeltes Denkschema „umzukrempeln“, nämlich dass der körperliche Tod das absolute Ende des Menschen bedeutete. Und jetzt stellten er und ein Teil der forschenden Menschen fest, dass sich dieser Tote mit seiner Stimme wieder meldete, dass er „mit seiner Seele“ sprach. Dass er von seinen Erlebnissen auf der Erdendimension redete und von seinen Gefühlen, die er hatte, und vieles mehr. Diese Erkenntnis war mehr als revolutionär.

      Klara räumte das Geschirr weg und wollte sich gerade fürs Bett fertig machen, da klingelte es wieder an der Haustüre. Paul ging hinaus. Dann hörte sie Holänders Stimme: „Tut mir leid, dass ich noch mal störe, aber…. kann ich noch ein paar Minuten mit Ihnen sprechen?“

      Klara verdrehte die Augen, Paul zuckte mit den Schultern. Wie konnte er so ein Nervenbündel abweisen?

      „Schatz, ich komme gleich …. Warte nur auf mich, ja?“ Er warf ihr eine Kusshand zu und machte mit der anderen Hand eine eindeutige Geste. „Mach schon mal die Flasche Rotwein auf…“

      „Von wegen…“ Sie rauschte hinaus.

      „Natürlich, kommen Sie rein.“

      Holänder schüttelte den Kopf. „Ich bin so unruhig, ich… ich ..können Sie das verstehen?“ Natürlich konnte Paul das verstehen

      „Was möchten Sie denn jetzt machen,?“ fragte er und ahnte es schon.

      „Können Sie noch eine Einspielung machen? Vielleicht höre ich Ute.. noch einmal..!“

      Paul nickte und sie gingen ins Arbeitszimmer. Es klang wie eine Rechtfertigung von Holänder: „Weil sie vorhin gesagt haben, >wenn wir weitermachen, könnten wir noch mehr erfahren<, ja?“

      Er setzte sich, und Paul stellte das Band wieder an. Er nahm seinen Kuli und seinen Block, drückte auf Aufnahme: „Liebe Freunde – hier ist wieder Paul und sein Gast Dietrich Holänder. Er möchte gerne noch einmal seine Frau hören, wäre das möglich?“ Dann ließ er das Band laufen.

      Holänder hatte seine Hände wie zum Gebet gefaltet und rieb vor Nervosität seine Daumen aneinander, während er auf die Spulen starrte. Paul schaute auf seinen Schreibtisch.

      Nach ein paar Minuten stoppte er das Band ab, spulte zurück, nahm seine Kopfhörer und drückte auf Play. Und dann konzentrierte er sich, schloss die Augen und hörte.

      Holänder zuckte zusammen, als ihm Paul zunickte. Es war etwas da! Nach ein paar Minuten nahm Paul die Kopfhörer ab: „Also, wir haben zwei Stimmen, aber hören Sie selbst.“

      Holänder beugte sich zu den Lautsprechern und hörte eine roboterhafte schnelle Stimme: >Uta – komm – raus - < und dann sofort hinterher diese weibliche Altstimme: > Dietrich – Grippe Virus<.

      Paul wollte immer wieder neue Beweise auf die Frage, woher die Stimmen kommen, und auf welche Weise sie Bezug auf die momentane Situation während der Einspielung nahmen. Zwar glaubte er fest an seine These, dass es die Toten sind, aber er wollte sich gegen die skeptischen Menschen mit festen Argumenten wappnen. Falls die Skeptiker überhaupt mit Gegenargumenten kamen und nicht einfach sagten, sie glauben es nicht.

      Gewiss, diese Stimmen waren teils abgehakt, verdreht, waren Wortfetzen, Fragmente, abgehakte Substantive, Konsonanten, schnelle oder langsame Vokale, manchmal singend, manchmal roboterhaft eisern, waren verdrehte Grammatik, scheinbar nicht zusammen hängend, es kamen Flüsterstimmen oder rufende Stimmen aufs Band, sprachen in Symbolen, und waren manchmal sehr deutlich. Klar, exakte Wissenschaften haben Fakten, Logik und Beweise nach Messungen als Grundlage. Weshalb aber bezweifeln sie die Ernsthaftigkeit der Stimmen? Sind die Stimmen etwa keine hörbaren Fakten? Wenn es irgendwelche Stimmen im Raum wären, die man zwar hören, aber nicht verifizieren könnte, und die manchmal nicht auf die momentane Situation eingehen würden, könnte man die Skepsis oder Ablehnung nachvollziehen. Aber die guten Stimmen sagten ihm im Hier und Jetzt, was Sache war, sie gaben sich zu erkennen, manchmal durch ein Codewort oder ein sonstiges Zeichen, sie melden sich mit ihren Namen und Erinnerungen, sie zeigen Gefühle und manchmal nicht ganz jugendfreie! Einige Botschaften waren klar in ihrer Aussage. Zum Beispiel die Stimme >Gedanken bedeuten sprechen-sprechen<. Die Stimme sagte zweifellos, dass unsere Gedanken sofort bei ihnen ankommen, bevor wir sie aussprechen, so als würden wir sie laut sagen.

      Alles im allem ein Phänomen mit vielen noch ungelösten Antworten. Und dann die Zeiten. Wenn schon hier die Zeit ein relativer Begriff und ein relatives Empfinden ist, dachte Paul, was verbirgt sich wohl in der anderen Dimension dahinter?

       7.

      Klara fand den Brief! Es war ein Sonntagmorgen. Sie hatten zusammen gefrühstückt. Paul hatte sich dann in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, Klara war ins Wohnzimmer gegangen, wo immer noch der geöffnete Koffer vom Dachboden lag.

      Sie hatte ihn gerade wieder schließen wollen, da fiel ihr jener >Silvia-Roman< in die Hände, den Sarah damals zuletzt gelesen hatte und der lange aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Sie hatte das Buch beim Hausverkauf zugeschlagen und in den Koffer gelegt, ohne darin zu blättern. Weshalb auch? Ein Blatt Papier lugte hervor und sie holte es heraus. Es lag zwischen den Seiten 178 und 179, also kurz vor dem Ende des Romans. Und plötzlich drang ein irrer Gedanke in ihr Bewusstsein: Seite 178 wäre der Todestag von Sarah, der 17.8.

      Sie entfaltete es, las die oberste Zeile. In dem Moment schoss ihr Adrenalinspiegel hoch und ihr Herzschlag

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