Drei Lästerschwestern auf Borkum. Erich Hübener

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Drei Lästerschwestern auf Borkum - Erich Hübener

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gebeten. Schon nach drei Tagen erhielt sie einen DIN A 4 Briefumschlag mit allerlei Prospekten, einer Inselkarte, einem Veranstaltungskalender und folgendem Brief:

      „Moin, Frau Schwarz,

      wir freuen uns über Ihre Anfrage und Ihr damit verbundenes Interesse an unserer schönen Insel Borkum mitten im Hochseeklima.

      Anbei die von Ihnen gewünschten Informationen.

      Ob für eine Atempause, einen Kurzurlaub oder einen ausgedehnten Ferienaufenthalt: Borkum wird Ihnen gut tun. Unsere Insel ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Genießen Sie den endlosen Strand, die sanft geschwungenen Dünen und den faszinierenden Weitblick über das Meer. Bei uns auf der Insel trennt Wasser nicht, es verbindet. Überall spürt man die Begeisterung für die reizvolle Landschaft, wohltuende Natürlichkeit und Lebendigkeit.

      Herzliche Grüße von der Insel Borkum.“

      „Das gefällt mir jetzt schon“, sagte sie zu ihrem Mann, „die Ostfriesen scheinen wirklich nette Leute zu sein.“

      Erika war noch nie in Ostfriesland und auch nicht auf einer ostfriesischen Insel gewesen. Sie war in Kassel geboren und aufgewachsen, hatte eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht und war viele Jahre in diesem Beruf tätig gewesen. Als ihr dann eines Tages die Leitung des Kindergartens übertragen worden war, erfüllte es sie mit Stolz. Aber als dann eine weitere Gruppe eröffnet wurde ohne zusätzliches Personal einzustellen, hatte sie es nur eine gewisse Zeit durchgehalten. Dann war sie zusammengebrochen.

      „Burn-out“, hatte ihr Hausarzt festgestellt und sie bis auf weiteres krankgeschrieben. Und nun war es endlich soweit: Raus aus der Familie, raus aus der gewohnten Umgebung, raus aus Kassel. Sie liebte diese Stadt zwar, das pulsierende Leben in den verschiedenen Einkaufszonen, die kulturellen Angebote und vor allem das Grün, das es überall gab, in der Aue und im Naturpark Wilhelmshöhe. So oft es ihre Zeit erlaubt hatte war sie dort spazieren gegangen. Der Park war riesig, dazu die Kaskaden und die Wasserspiele am Herkules, das Schloss und die Löwenburg.

      Das würde sie sicher vermissen. Andererseits konnte das auch durchaus reizvoll sein, was die Prospekte versprachen: Dünen und Strand, das weite Meer und der schier unendliche Himmel. Sie freute sich auf die neue Erfahrung.

      Als ihre Kinder sie am Abreisetag am Bahnhof Wilhelmshöhe verabschiedeten, gaben sie ihr noch einige gutgemeinte Ratschläge mit auf die Reise: „Vergiss nicht, immer deinen Strohhut aufzusetzen, sonst bekommst du wieder einen Sonnenstich.“ - „Schwimm nicht so weit raus, die Nordsee ist gefährlich.“ – „Hast du genug Sonnenmilch eingepackt? Und ruf uns an, wenn du angekommen bist.“ - „Und bring‘ uns was Schönes mit wenn du heimkommst.“

      Maria

      Elvira, Renate, Brigitte, Maria und Stefanie trafen sich im chinesischen Restaurant. Elvira war mit Renate befreundet. Sie wohnten in der selben Straße und hatten sich "vor Jahren" im kleinen Cafe beim Bäcker um die Ecke kennengelernt. Brigitte war Elviras Arbeitskollegin und mit Renates Genehmigung in die Runde aufgenommen worden. Maria war durch Renate hinzugekommen. Sie waren beide ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde tätig und kümmerten sich dort um alleinstehende ältere Frauen, die Hilfe brauchten: Einkaufen, Arztbesuche, Behördengänge oder einfach nur mal ein bisschen reden, denn sie hatten festgestellt, dass das Alleinsein für ältere Menschen manchmal ein größeres Problem ist, als eine Erkrankung. Stefanie war mit 49 Jahren das "Küken" in der Runde. Sie kannte Elvira und Renate aus dem "Oma-Club" im Kindergarten. Dort waren sie bei allen Festen und Feiern für Kaffee und Kuchen zuständig. Aber sie brachten auch schon mal Kinder in den Kindergarten, quasi als "Leih-Oma", wenn die Eltern verhindert waren. Elvira und Renate, Brigitte und Maria hatten irgendwann beschlossen sich "Kleeblatt" zu nennen. "Stammtisch" fanden sie blöd, so nannte sich jede Männerrunde. Als Stefanie dazu stieß hatte sie gleich eingewandt, dass sie nicht das "fünfte Rad am Wagen" sein wolle. Aber Maria hatte gemeint, dass es auch Kleeblätter mit fünf Blättern gäbe. Und die wären noch seltener als vierblättrige und darum noch wertvoller.

      Es gab immer etwas, über das man reden konnte. Zuforderst die Ehemänner oder die "Ex", die Familie, die Arbeit und die Arbeitskolleginnen oder Kollegen, die Nachbarn, die neueste Mode und die neue Geliebte des Bankdirektors. Natürlich wurden auch Witze erzählt. Und die waren nicht unbedingt "stubenrein".

      Elvira legte vor: "Kommt 'ne Frau zum Arzt..." und schon lachten alle.

      "Kenne ich schon", fiel Brigitte ihr ins Wort.

      "Hör doch erst mal zu", beharrte Alvira. "Also: Kommt 'ne Frau zum Arzt und sagt: Herr Doktor, ich habe aus Versehen einen Zehn-Euro-Schein verschluckt. Was soll ich machen? Sagt der Arzt: Ach, das ist nicht so schlimm, der kommt in den nächsten Tagen auf natürlichem Wege wieder heraus. Die Frau kommt nach zwei TAgen wieder. Fragt der Arzt: Na, hat es geklappt? Die Frau sagt: Ja, schon irgendwie, aber das komische ist, immer, wenn ich aufs Klo gehe kommt 1 Eurostück heraus. Sagt der Arzt: Klarer Fall, Sie sind in der Wechseljahren." Und das Gelächter wollte kein Ende nehmen.

      Es gab sowieso immer viel zu lachen. Natürlich wurde zwischendurch auch gegessen und getrunken und meist löste sich die Runde erst auf, wenn sie merkten, dass sie die letzten Gäste im Restaurant waren. Aber in letzter Zeit war die Stimmung allerdings manchmal ein bisschen gedrückt. Es ging um Maria, die in einer Krise steckte.

      Maria war in Augsburg geboren und aufgewachsen. Ihr Vater war Beamter gewesen, immer korrekt gekleidet, pünktlich und ordentlich, so wie es sich für einen Beamten gehört. Sein Ordnungsbedürfnis war Marias Meinung nach schon manchmal an der Grenze zur Pedanterie gewesen, was ihr als Kind ziemlich auf die Nerven gegangen war. Ihre Mutter war Lehrerin gewesen.Trotzdem hatte Maria sich für ein pädagogisches Studium entschieden. Sie hatte Geschichte und Deutsch auf Lehramt studiert. Aber sie war zum Studium bewusst in den Norden gegangen, nach Hannover. Dort sollte - wie es hieß - das beste und reinste Hochdeutsch gesprochen werden. Maria fiel es zunächst schwer. Einerseits wegen der Entfernung zu ihrer Heimat, andererseits weil sie echte Probleme mit der hochdeutschen Sprache hatte. Das begann schon im Alltag. Man sagt dort z.B "Guten Tag" und nicht "Grüß Gott" und man verabschiedete sich mit "tschüß" und nicht mit "pfuid di". Aber das hatte sie schnell gelernt. Schwerer war es mit der Aussprache. Sie war gewohnt "Augschburg" zu sagen, mit "sch", und nicht Augsburg. Und auch alle andern Vokale und Konsonanten wurden dort oben im Norden korrekt ausgesproch. Aber sie hatte es ja so gewollt. Eine große Hilfe war ihr dabei Maik, ein Kommilitone, gewesen. Er wiederum hatte ihren bayrischen Dialekt geliebt. Letztendlich waren sie dann 15 Jahre miteinander glücklich verheiratet gewesen, bis ein tödliche Verkehrsunfall sein Leben frühzeitig beendete. Der zweite Mann in ihrem Leben war Tom, mit dem sie fünf Jahre zusammenlebte, bevor er sie wegen einer Jüngeren verlassen hatte. Damit endete dann auch Marias Interesse an Männern. Sie widmete sich voll und ganz ihrem Beruf und genoß in ihrer freien Zeit ihre Freiheit. Sie traf sich mit Freundinnen im Restaurant am Kuhsee oder nutzte mit ihnen bei schönem Wetter den inoffiziell geduldeten FKK-Strand auf einer Sandbank im Lech.

      Sie hatte ihren Beruf von Anfang an als "Berufung" verstanden und war inzwischen mehr und mehr darüber enttäuscht, dass die meisten ihrer Schüler in den oberen Klassen wenig Interesse an ihrem Unterricht hatten, weder an der Schönheit der deutschen Sprache noch an geschichtlichen Zusammenhängen. Dabei lebten sie in einer Stadt, die wie kaum eine andere schon vor Jahrhunderten in der europäischen Geschichte eine wesentliche Rolle gespielt hatte: Die legendäre Schlacht unter Bischof Ulrich gegen die Hunnen auf dem Lechfeld, die Belagerung durch die Schweden, die Zeit der napoleonischen Kriege und letztendlich der wirtschaftlich Aufstieg durch die Fugger.

      Hinzu kam die Disziplinlosigkeit im Unterrischt, die in der letzten Zeit so zugenommen hatte, dass Maria eines Tages mitten im Unterricht die Stimme versagte. Eine "funktionale Dysphonie" hatte der HNO-Arzt festgestellt, "ein stressbedingtes Versagen der Stimme wegen psychischer

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