Drei Lästerschwestern auf Borkum. Erich Hübener

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Drei Lästerschwestern auf Borkum - Erich Hübener

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      Die Frau nickte und ging. Rebekka sah abwechselnd auf das Meer und auf den Rücken des Mannes. Als er zur Seite blickte, sah sie sein Profil. Sieht verdammt gut aus, dachte sie. Auch seine Frisur gefiel ihr, blond, nicht zu lang und nicht zu kurz, vom Fahrtwind zerzaust. Ein echter Friese, oder? Fast wie auf dem Traumschiff, dachte sie, nur ein bisschen kleiner. Was hatte Miriam gesagt: Vielleicht findest du ja was für den kleinen Hunger zwischendurch. „Pfui“, sagte sie zu sich selbst und wandte den Blick ab, „du bist noch nicht einmal auf der Insel und hast schon dumme Gedanken.“

      Sie genoss den Kaffe und das Hörnchen, blickte auf das Meer und bemerkte dann erst, dass der gutaussehende junge Mann in der Zwischenzeit fortgegangen war. Sie sah sich um, aber auf dem Oberdeck war er nicht. Sie bemerkte verwundert, dass es sie beunruhigte. Vielleicht war er ja nur zur Toilette gegangen. Aber mit dem Trolley? Und ihr fiel das Lied von Udo Lindenberg ein „Vorbei, verweht, nie wieder.“

      Der Pott Kaffee drückte auf ihre Blase und sie suchte die Toilette auf. Sie ließ ihren Rucksack stehen und sagte im Vorbeigehen zu der Bedienung „Ich komme gleich wieder.“ Die Frau nickte nur. Viele Worte machen die hier nicht, dachte Rebekka, aber sie kannte es ja, sie war ja schließlich auch im Norden aufgewachsen. Sie folgte dem Schild mit dem Hinweis WC und stieg die eiserne Treppe hinunter. Das Damenklo war gerade besetzt. Rebekka stellte sich neben die Tür und wartete. Wenn das noch lange dauert gehe ich gleich auf das Männerklo, dachte sie. Nach einiger Zeit kam ihr der Gedanke, dass das WC vielleicht aus irgendeinem Grunde geschlossen sei. Sie klopfte an die Tür und hörte sogleich von innen eine weibliche Stimme „Einen Moment noch.“ Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür mit einem solchen Ruck, dass Rebekka zur Seite springen musste, um nicht getroffen zu werden. Eine etwas beleibte Frau mit einem weißen Strohhut und einem Trolley kam heraus und sagte: „Entschuldigung, die Tür klemmt.“

      Rebekka verstand nicht, wie die Frau trotz Trolley in dem engen Raum noch ihr „Geschäft“ hatte erledigen können. „ Außerdem ist das Papier alle“, sagte sie noch, „brauchen Sie ein Tempo?“

      „Nein, danke, hab‘ ich selbst“, antwortete Rebekka und dachte, hoffentlich lässt sie mich nun endlich hinein, es wird so langsam dringend.

      „Soll ich der Bedienung Bescheid sagen?“, hörte Rebekka sie noch sagen, als sie die Tür schon geschlossen hatte, aber sie antwortete nicht.

      Eigentlich unhöflich von mir, dachte Rebekka, während sie ihre Jeans wieder hochzog. Die Frau hatte es doch nur gut gemeint. Na, vielleicht sieht man sich ja noch mal wieder. Dann werde ich mich entschuldigen und gleichzeitig bedanken. Aber als Rebekka an ihren Platz zurückkehrte, war von der Frau nichts zu sehen. Stattdessen räumte die Bedienung gerade das Geschirr ab.

      „Wi bünt gliks door“, sagte sie und nickte mit dem Kopf in Fahrtrichtung nach vorn. Während Rebekka bezahlte, sagte sie „Das Klopapier ist alle.“

      „Jo“, antwortete die Frau und besann sich dann, dass sie höchstwahrscheinlich einen Kurgast vor sich hatte, der nicht unbedingt der plattdeutschen Sprache mächtig war und fuhr deshalb hochdeutsch fort, „das ist immer alle. Manchmal denk ich, die Leute nehmen die ganzen Rollen mit. Son Blödsinn, als ob es in den Hotels auf Borkum kein Klopapier gibt.“ Sie schüttelte verständnislos den Kopf.

      Rebekka blickte in die angegebene Richtung und sah tatsächlich Land. Ein langer, flacher, unbewohnter Streifen am Horizont.

      Das hatte sie sich anders vorgestellt. Sie hatte eine Kurpromenade erwartet mit großen weißen Hotelbauten. Aber man war ja auch noch nicht da.

      Während die Fähre anlegte war Rebekka allein auf dem Oberdeck. Alle wollten so schnell wie möglich zum Ausgang. Rebekka musste unwillkürlich an eine Herde von Kühen denken, die aus dem Stall ins Freie drängten. Dabei war auch die Frau mit dem weißen Strohhut. Aber vergeblich hielt sie nach dem blonden Haarschopf Ausschau. Während der Kapitän und seine Mannschaft noch damit beschäftigt waren die Fähre ordnungsgemäß zu vertäuen, betrachte Rebekka die illustre Gesellschaft, die sich auf dem Anleger versammelt hatte: Mehrere Taxen warteten auf die Kunden die es besonders eilig hatten, ein pferdebespannter Planwagen sowie eine Ponykutsche warteten ebenfalls auf ihre Gäste und rechts und links standen Frauen und Kinder mit Handwagen. Sie hielten Pappschilder hoch, auf denen die Namen der Gäste standen: Fam. Berger, Fam. Rote und so weiter.

      Als Rebekka sich den wartenden Passagieren anschließen wollte, wurde sie urplötzlich gestoppt. Einer der Trageriemen ihres Rucksacks hatte sich am eisernen Geländer verhakt. Im gleichen Moment wurde sie von hinten mehr oder weniger angerempelt. Als sie sich umdrehte, stand er da, ihr großer blonder Hüne. Ihre Blicke trafen sich für Bruchteile einer Sekunde. Rebekka wurde es heiß und kalt zugleich. Er war wirklich eine stattliche Erscheinung. Und er sah tatsächlich gut aus – verdammt gut.

      „Verzeihung“, sagte er, „ich wollte Sie nicht …“

      „Nein, nein, es war meine Schuld. Der Riemen meines Rucksacks hat sich am Geländer verhakt“, stotterte sie und versuchte gleichzeitig den Trageriemen vom Geländer zu lösen. Als sie es endlich geschafft hatte, war er schon wieder verschwunden. Wohin? Nach rechts oder nach links? Die Treppe hinauf oder die andere hinunter? Auf jeden Fall war er wieder mal verschwunden, bevor Rebekka Zeit gehabt hatte ihn näher zu betrachten. Aber auch in dem Gewimmel von Menschen auf dem Anleger konnte sie ihn nicht entdecken. Sie gab es auf. Wahrscheinlich sollte es nicht sein.

      Die Inselbahn erinnerte Rebekka an die Modelleisenbahn ihres Vaters, mit der sie als Kind allerdings nie hatte spielen dürfen. Nur ein bisschen größer, dachte Rebekka, aber traumhaft schön.

      Die „Kuhherde“ löste sich ziemlich schnell auf, nachdem die Bediensteten die Schranke der Fähre geöffnet hatten. Gäste und Gastgeber fanden sich schnell. Es gab großen Jubel und man fiel sich in die Arme. Viele schienen Stammgäste zu sein. Die Mehrheit strömte allerdings zur Bahn. Rebekka war eine der Letzten die einstiegen. Aber es dauerte noch eine ganze Weile bis der Zug ruckelte und sich dann langsam in Bewegung setzte. Man hatte anscheinend Zeit. Oder man nahm sie sich. Vielleicht sollte ich das als Erstes lernen, dachte Rebekka, sich Zeit nehmen. Sechs Wochen Zeit lagen vor ihr. Was hatte Maren gesagt „Sieh es doch einfach mal positiv“.

      Die Bahn zuckelte durch die Dünenlandschaft. Fehlt nur noch das Schild „Blumen pflücken während der Fahrt verboten“ dachte Rebekka. Na gut, etwas schneller als ein Fußgänger war man schon. Aber mit dem Fahrrad hätte man durchaus nebenher fahren können.

      Doch schon nach wenigen Minuten hielt die Bahn an einem Übergang. Kinder mit einem Handwagen und einem Schild „Familie Schneider“ standen an den Gleisen. Familie Schneider bestand aus vier Personen: zwei Kindern einschließlich Vater und Mutter. Als sie ausgestiegen waren begrüßte man sich innig und ausgiebig während ein Arbeiter der Bahn die Koffer aus dem Gepäckwagen hob. Der Lokführer sah dem Treiben aus dem Seitenfenster gelassen zu. Als er den Eindruck hatte, dass alles erledigt war, gab die Lok einen Pfeifton ab und die Bahn setzte sich erneut in Bewegung. Noch zwei Mal legte die Bahn einen solchen Zwischenstopp ein, bevor man den Bahnhof Borkum erreichte. Auch hier wurde man erwartet. Schilder mit Namen wurden hochgehalten, manche der Wartenden riefen: „Huhu! hier her!“

      Und dann erblickte Rebekka in dem Schilderwald einen jungen Mann der eine Tafel mit der Aufschrift „Dünenhaus II“ hochhielt. Als sie auf ihn zuging, sagte er „Da“ und zeigte mit der freien Hand auf die andere Straßenseite. Dort stand ein Kleinbus mit der gleichen Aufschrift. Rebekka ging hinüber und sah, dass die Frau mit dem weißen Sonnenhut schon in dem Bus saß. Also offensichtlich eine Leidensgefährtin. „Ach, Sie auch?“, sagte sie und reichte Rebekka die Hand, „wir kennen uns doch von der Fähre, vom Klo“, ergänzte sie und kicherte.

      „Ja“,

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