Die Macht des jungen Magiers. Yvonne Tschipke
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Читать онлайн книгу Die Macht des jungen Magiers - Yvonne Tschipke страница 8
Darios machte eine kurze Pause. Ich saß vor ihm und starrte ihn mit offenem Mund an.
„Nun ja, vor zwei Tagen wärst du den Häschern und dem fetten Comissario beinahe in die Hände gefallen, habe ich gehört.“ Der alte Mann sah mich eindringlich an. Ich nickte, unsicher, ob ich tatsächlich verrückt geworden war. Woher wusste auch er von meinem Ohnmachtstraum? Mein Gesichtsausdruck schien Darios meine Gedanken zu verraten.
„Du fragst dich, woher ich davon weiß? Nun, ich habe zwei Leute in die Gruppe der Häscher eingeschleust, die es mir berichtet haben“, erklärte Darios lächelnd.
„Wie bin ich dort hingekommen?“, fragte ich mit trockenem Mund. Ich griff nach der Tasse und nahm einen Schluck des nun bereits kalten Tees.
„Es war das Buch. Es ist einer der geheimen Notein- und -ausgänge. Wenn du dich zu weit von einem der Tore befindest, dann kann es dir helfen. Es ist aber besser, wenn du eins der Tore benutzt, denn der Weg durch das Buch ist oft recht unangenehm.“ Allerdings. Ich nickte zustimmend. Selbst wenn ich noch immer glaubte, die verarschten mich gehörig. Aber ohne es mir erklären zu können, spürte ich in meinem Herzen, dass das, was Darios sagte, der Wahrheit entsprach.
„Warum hat Oskas das Buch gerade mir gegeben?“, wollte ich wissen.
Darios sah einen Augenblick lang stumm vor sich hin. Es war, als müsste er über die Antwort selbst genau nachdenken.
„In diesem Buch steht, wie wir Nermonas Herrschaft brechen können. Und es verrät dir, wie du deine Fähigkeiten anwenden kannst“, antwortete er nach ein paar Augenblicken.
„Warum habt ihr es dann nicht selbst gelesen? “ Das wäre doch das Einfachste gewesen, anstatt zu warten, bis ich mal hier vorbei schaue, vorausgesetzt, das Märchen von Emotan, Nermona und meinem angeblich richtigen Vater war keine Verarsche.
„Weil wir die Sprache der Magier nicht verstehen können. Das könnt nur ihr, dein Vater und du.“ Darios schien keinesfalls ungeduldig zu werden. Er erklärte mir alles ganz in Ruhe.
„Aber ich kann es genauso wenig wie ihr“, gab ich zu bedenken.
„Ich bin mir sicher, dass du es kannst. Es liegt in dir.“ Darios legte seine rechte Hand auf meine Herzseite. „Wir müssen dir nur noch den Schlüssel geben, mit dem du das Buch öffnen kannst. Hannes de Boer trägt ihn seit langer Zeit um den Hals und beschützt ihn mit seinem Leben.“
Ich legte das Bild beiseite und griff nach dem Buch, das ich vor mich auf den alten Holztisch gelegt hatte. „Dafür brauchen wir doch keinen Schlüssel. Es dürfte doch kein Problem sein, das Buch zu öffnen“, sagte ich und begann, mit den Fingern am Schloss herum zu zerren. Darios schoss von seinem Stuhl hoch und riss mir das Buch aus der Hand. „Nein!“, rief er aufgebracht. „Wenn du das Buch ohne den Schlüssel öffnest, wird es dir nicht viel nützen. Dann denkt das Buch, dass du ein unrechtmäßiger Benutzer bist. Es wird dir sein Geheimnis in diesem Fall nicht offenbaren. Es wird sein Geheimnis nie wieder jemandem offenbaren.“
Das Buch denkt??? Ich rieb mir mit den Fingern die Stirn. All das Gerede von Wächtern, Magiern, Nermona, Emotan und anderem seltsamen Zeug bereitete mir starke Kopfschmerzen.
Ich sah einen nach dem anderen an; erst Ben, dann Oskas, Darios und wieder Ben.
„Also, nun noch mal ganz von vorne. Ihr behauptet, ich habe einen Vater, der ein sogenannter Wächter über euer Emotan ist und ein Magier noch dazu. Er wird irgendwo gefangen gehalten und meine Eltern da draußen, sagen wir mal draußen, sind gar nicht meine richtigen Eltern. Ich kann eine magische Sprache verstehen, die in diesem Buch hier steht und damit die Herrschaft dieser Tante, dieser Nermona, beenden.“
Alle drei nickten – wie abgesprochen.
„Ihr spinnt doch alle“, rief ich aufgebracht. Was sollte das? Weshalb wollten die drei mir einreden, dass meine Familie, die ich über alles liebte, gar nicht meine richtige Familie war? Welchen Grund sollte es geben, mir so einem Mist zu erzählen?
Ich erhob mich und ging zur Tür. Das Buch und das Bild ließ ich unbeachtet auf dem Tisch zurück. Doch noch ehe ich den Raum verlassen konnte, war Darios hinter mir hergekommen und hielt mich an der Schulter zurück.
„Nathanael Cajetan – du musst uns glauben. Alles, was wir gesagt haben, ist wahr. Du bist Wächter und Magier unseres Landes. Und nur du kannst mithilfe deiner Magie Nermonas Macht brechen. Nur du kannst unser Volk, das auch dein Volk ist, retten.“
Seine gütigen Augen blickten mich eindringlich an. Ich hielt seinen Blicken stand. Die Worte wirbelten in meinem Kopf herum und verwirrten mich nur noch mehr. Doch ich sah in seinen Augen Wahrheit. Zumindest fühlte ich, dass er mich nicht anlog. Erklären konnte ich mir das in diesem Moment nicht. Plötzlich schien sich alles um mich zu drehen. Der Raum, Ben, Oskas und Darios, meine Gedanken, mein ganzes Leben. Es war, als würde in diesem Moment alles durcheinander geworfen, wie Wäsche beim Schleudergang in der Waschmaschine. Alles war noch so, wie es eben war, nur konnte ich nichts davon klar erkennen. Meine Eltern waren nicht meine Eltern, Alma nicht meine Schwester. Und wer – verflixt noch mal – war eigentlich Ben? Innerhalb weniger Augenblicke wusste ich nichts mehr, weder wer ich war, noch wer ich sein würde. Es kam mir so vor, als hätte sich mein ganzes bisheriges Leben direkt vor meinen eigenen Augen in Nichts aufgelöst.
Kapitel 7
Als wir aus Emotan zurück in unsere Zeit gegangen waren, begleiteten mich Oskas und Ben nach Hause. Ich fragte mich auf dem Weg in Gedanken mehrmals, wo denn nun mein Zuhause war. Welche Welt war die Richtige? Wer war ich?
Meine Eltern waren schon da, auch Alma saß im Wohnzimmer. Es schien fast so, als hätten sie uns bereits erwartet. Mama goss uns Tee ein. Irrsinnigerweise überlegte ich in diesem Augenblick, weshalb es immer Tee gab? Im Laden von Oskas, dann bei Darios und nun auch im Wohnzimmer meiner Eltern. Warum um alles in der Welt tranken wir immer Tee? Löste man damit alle Probleme der Welt? Konnte man am Boden einer Teetasse Antworten finden?
Wir saßen eine ganze Weile schweigend und teetrinkend um den niedrigen Tisch herum.
„Darios hat dir alles erzählt?“, fragte Papa, nachdem er sich einige Male auffällig geräuspert hatte, in die betretene Stille hinein.
Weil ich nicht ein einziges Wort heraus bekam, nickte ich nur.
„Hm“, machte Papa.
„Darios bittet darum, dass du Nathanael den Schlüssel gibst“, sagte Oskas. Mein Vater sah den jungen Mann mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Den ... Schlüssel?“, fragte er, obwohl ich mir sicher war, dass er genau verstanden hatte, was Oskas sagte. Niemand hatte so gute Ohren wie mein Vater. Er hörte Flöhe pupsen.
„Ja, den Schlüssel. Nathanael muss das Buch öffnen. Nur so kann er die magische Sprache ergründen.“
Papa rieb sich mit Daumen und Zeigefinger das stoppelige Kinn. Er sah Oskas zerknirscht an.
„Was ist?“, fragte