Die Macht des jungen Magiers. Yvonne Tschipke
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Читать онлайн книгу Die Macht des jungen Magiers - Yvonne Tschipke страница 7
Oskas schüttelte den Kopf. Dann stellte er seine Tasse ab, erhob sich ebenfalls und sagte: „Gut, wahrscheinlich glaubst du uns erst, wenn du es selbst gesehen hast. Also, dann – lasst uns gehen.“
„Wohin?“ Ich sah ihn verwundert an.
„Nach Emotan“, lautete Oskas` kurze und knappe Antwort. „Du warst vorgestern schon einmal da, erinnerst du dich nicht?“, fügte er hinzu.
Ben schlug sich grinsend mit den Händen auf die Oberschenkel und schob sich vom Stuhl. Die Beiden gingen auf die Bogentür aus Holz zu, von der ich nicht wusste, wohin sie führte. Mittlerweile war ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es die Tür zu einem Schrank sein musste, doch in diesem Punkt hatte mich reichlich getäuscht.
Ben forderte mich auf, ihnen zu folgen. Ich zögerte etwas, stellte mich dann allerdings doch neben ihn. Als Oskas die Tür mit einem alten Schlüssel, den er an einem Lederband unter seinem Hemd trug, geöffnet hatte, blieb mir vor Staunen fast die Luft weg. Hinter der Bogentür lag ein dunkler Gang.
Kapitel 6
Plötzlich wurde mir schlecht und ich fühlte mich wieder einmal so, als würde ich Kettenkarussell fahren. Es war allerdings nicht ganz so schlimm wie die anderen Male.
„Wir haben es gleich geschafft“, hörte ich Oskas neben mir sagen.
„Mir ist kotzübel“, antwortete ich ihm.
„Mit der Zeit gewöhnst du dich daran“, meinte Ben und ich konnte förmlich sein Grinsen spüren, obwohl ich sein Gesicht nicht sah.
Um uns herum war es dunkel. Nur ab und zu blitzen kleine bunte Lichter auf. Es war, als würden wir uns schnell vorwärts bewegen, doch ich merkte, dass ich meine Füße nicht einen Meter weiter setzte.
Es kam mir eher so vor, als würde uns irgendeine Kraft herum wirbeln. Ein starker Wind, fast ein Sturm – lautlos allerdings.
Nach ein paar Augenblicken war es vorbei, wir standen in einem spärlich beleuchteten Raum. Als das Drehen in meinem Kopf aufgehört hatte, sah ich mich verstohlen um. Wir befanden uns nicht mehr in Oskas` Laden, soviel stand schon mal fest. Aber wo waren wir dann?
„Wo sind wir?“, flüsterte ich und versuchte intensiv zu atmen, damit ich nicht kotzen musste. Doch das Einatmen der modrigen Luft hier in diesem Raum machte es auch nicht besser.
„Wir sind in Emotan. Genauer im Haus meines Ziehvaters Darios. Kommt, wir wollen ihn begrüßen“, meinte Oskas, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, durch eine Tür in der Wand in einen Gang zu gelangen, der einen irgend woanders hin führte. Ich schleppte mich erst einmal zu einem Stuhl, der in meiner Nähe stand und ließ mich darauf fallen.
„Leute, nehmt es mir nicht übel – aber bin ich jetzt auch irgendwie bescheuert geworden? Ich träume, oder? Ihr verarscht mich doch! Wo kommt jetzt der Mann mit der versteckten Kamera?“, keuchte ich, als hätte ich einen 10-Kilometer-Lauf hinter mich gebracht.
„Nein, ganz und gar nicht. Emotan ist eine wahre Welt. Unsere Welt. Los, lass uns gehen“, erwiderte Oskas, während er die Tür öffnete, die aus dem Raum heraus führte. Ben zog mich vom Stuhl hoch und schob mich in Oskas` Richtung. „Los, komm schon!“
Wir schritten einen langen mit großen Fackeln beleuchteten Gang entlang. Aller paar Meter gab es Türen, an denen wir allerdings vorbei liefen. Erst vor einer Tür ganz am Ende des Ganges blieben wir stehen. Oskas hob die Hand und klopfte.
„Herein“, erklang eine Stimme aus dem Raum hinter der Tür.
Oskas öffnete die Tür und ließ Ben und mich eintreten, ehe er uns in den Raum folgte und sie wieder schloss.
„Guten Abend, Darios. Verzeih mir, aber ich musste Nathanael sofort mitbringen. Er hat uns nicht geglaubt und ich hatte nicht ein richtiges Wort im Herzen, das ich ihm hätte sagen können.“
Der alte Mann, der hinter einem Schreibtisch saß, der über und über mit alten Büchern und Blättern belegt war, erhob sich von seinem Stuhl. Er kam auf uns zu. Dabei musterte er mich mit seinen strahlenden blauen Augen von oben bis unten.
„Nathanael Cajetan“, sagte er, fasste mich bei den Schultern und zog mich ganz dicht an sich heran. Er ließ seine Augen über mein Gesicht wandern, als wollte er jeden einzelnen Zentimeter davon scannen. „Ich glaube es kaum, du siehst deinem Vater so sehr ähnlich, wie aus dem Gesicht geschnitten.“
Ich sah den alten Mann verwundert an. Ich sollte meinem Vater ähnlich sehen? Nie und nimmer! Mein Vater war groß und muskulös gebaut. Er hatte dunkelblondes Haar und dichte Brauen über den braunen Augen. Und nicht nur mir war aufgefallen, dass ich meinen Eltern in keiner Weise ähnlich sah. Manch einer behauptete sogar gemeinerweise - mit Anspielung auf mein dichtes schwarzes Haar, meine stahlblauen Augen und den eher schmächtigen Körperbau - sie hätten mich ganz sicher vor der Haustür gefunden.
„Wenn Sie meinen Vater kennen, dann aber nicht sehr gut“, erwiderte ich murmelnd.
„Doch, ich kenne deinen Vater sehr gut. Joram Cajetan war einer meiner Schüler“, murmelte Darios und lächelte still vor sich hin.
Ich schüttelte den Kopf. „Sie müssen sich irren. Mein Vater heißt Hannes de Boer.“
Was stimmte hier nicht?
Darios ließ eine Weile seinen Blick auf mir ruhen, dann nickte er langsam. „Jaja, ich verstehe“, murmelte er. Er schwieg einen Augenblick. „Hannes de Boer ist das für dich, was ich für unseren guten Oskas bin. Ein Ziehvater – und einer unserer Verbündeten, die in der modernen Zeit Zuflucht gesucht haben. Er und seine Familie haben dich damals zu sich genommen, als es hier für dich gefährlich wurde“, erklärte dieser alte Mann dann seelenruhig mein Leben.
Ich sah Darios verdattert an. Der hatte ja einen noch viel größeren Knall als Oskas und Ben zusammen. Es schien so, al könnte Darios meine Gedanken erraten. Er ging zu einem kleinen Schränkchen, das unter einem der Fenster stand, zog eine Schublade auf, holte etwas heraus und kam zu uns zurück. Mit einem Lächeln auf den Lippen drückte er mir das, was er geholt hatte, in die Hand. Es war ein schwarzer Bilderrahmen aus Holz mit einem gemalten Bild darin. Als ich mir das Bild ansah, wurde mir beinahe schwindlig. Ich blickte meinem eigenen Ich entgegen, es war nur ein paar Jahre älter.
Darios bot uns Plätze an. Als wir saßen und jeder von uns eine Tasse mit stark riechendem Kräutertee vor sich hatte, begann er zu erzählen:
„Nermona ist die Herrscherin über unser Nachbarland Salaphia. Salaphia ist ein großes Land, das einstmals sehr reich gewesen war. Doch die verschwenderische Lebensweise Nermonas hatte mit den Jahren alle Reichtümer aufgebraucht. Die einzige Chance, ihr Land – oder besser gesagt sich selbst - vor bitterer Armut zu retten, war, ein anderes Land zu unterwerfen und auszubeuten. Also hat sie vor 14 Jahren ihre Soldaten über das Gebirge geschickt, um unser kleines Emotan zu überfallen. Wir sind mit unseren Nachbarn immer sehr gut ausgekommen, hatten immer im Frieden gelebt und aus diesem Grund gab es keine Armee. Es war ein Kinderspiel für Nermona. Und die Wächter, die zum Schutz unseres kleinen Reiches ausgebildet wurden, hatten keine Chance. Die Häscher Nermonas haben sie allesamt aufgespürt und verschleppt. Und mit ihnen viele andere Emotaner. Keiner weiß, wohin. Wir vermuten, dass sie sich irgendwo in Salaphia befinden. Es gibt nur