Sonnenwarm und Regensanft - Band 1. Agnes M. Holdborg
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»Ja, da hast du völlig recht. Ich hoffe, ich kann dich komplett speichern und dann in den kommenden Tagen von dir träumen. Und das«, seufzte sie, »das ist nun echt oberpeinlich.«
Viktor schien das gar nicht oberpeinlich zu finden, so wie er bei Annas Geständnis angefangen hatte zu strahlen. Mit glücklicher Miene stand er auf, legte seine Arme um ihre schmale Taille, sah ihr in die Augen und raunte ihr mit seiner dunklen Samtstimme ganz leise zu: »So etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt.«
Dann nahm er sie in einer Art und Weise, wie er es noch nie getan hatte, in seine Arme, so, als könnte er sich nicht mehr zurückhalten.
»Ach, was soll’s«, flüsterte er und zog sie noch näher zu sich heran.
Vorsichtig, ganz vorsichtig senkte er den Kopf und näherte sich ihrem Mund. Sie hielt gebannt still. Zart, ganz zart nur berührte er ihn mit seinen Lippen.
Er lächelte, als sie zusammenzuckte und wieder einmal weiche Knie bekam. Aber er legte seine Arme einfach noch enger um sie und hielt sie ganz fest. Dann versuchte er es noch einmal.
»Himmel noch eins!«
Das war alles, was ihr zunächst durch den Kopf schoss, als sich wieder alles um sie drehte und ihr Herz so heftig pochte, als wollte es ihr aus der Brust springen. Aber sie wollte diesen Kuss auf keinen Fall beenden. Sein Mund war viel zu köstlich.
»So schmeckt also die Sonne und der Wald – und er!«
Das waren ihre Gedanken, bevor sich daraufhin ihr Hirn vom restlichen Verstand verabschiedete.
Noch nie hatte Anna einen Jungen geküsst und schon gar nicht auf diese Weise. Sie hatte es eher als unangenehm, ja, beinahe eklig empfunden, wenn Jens mit Silvi in ihrer Gegenwart knutschte. Aber das hier, das fand sie einfach nur himmlisch und sollte am besten niemals aufhören.
Sie legte den Kopf ein wenig schräg, öffnete einladend die Lippen und er strich mit seiner Zunge sanft darüber.
Dann seufzte er auf, presste stöhnend seinen Mund derart fest auf ihren, dass ihr fast die Luft wegblieb. Sein Kuss verlor alle Unschuld, wurde drängend, fordernd und unendlich süß. Auch sie stöhnte leise auf.
Sie ließen sich auf das Moos sinken, verloren sich in leidenschaftlichen Umarmungen. Die Sonne wickelte Anna ein, drang in sie, war nun überall in ihr, überall. Sie streichelten und liebkosten sich, eine kleine Ewigkeit lang, die Anna viel zu kurz vorkam.
Als sie sich voneinander lösten, einander anblickten und dann Stirn an Stirn atemlos voreinander knieten, waren sie berauscht. Beide!
Etwas verlegen räusperte sie sich und lächelte dann. »Ja, ich glaube, ich habe dich schon ein bisschen eingespeichert. Ich werde von dir träumen. Das weiß ich.«
Viktor lächelte nicht minder verlegen. »Jaa, ich werde auch von dir träumen. Obwohl, das tue ich sowieso schon. Aber das darf ruhig noch mehr werden.«
Er schaute noch verschämter drein. »Anna, es tut mir leid. Vielleicht war ich zu stürmisch. Du bist ein Mensch und noch so jung. Du sollst wissen, dass dir nichts geschieht. Ähm …«
Er schlug die Augen nieder und sah sie dann unter dichten Wimpern hervor reuevoll an. Bei diesem Blick schluckte sie schwer.
»Verstehst du, was ich meine?«, fragte er nach.
Anstatt ihm zu antworten, packte sie ihn mit einer Hand am Nacken, griff dabei in seine Locken und riss ihn an sich. Und schon folgte ein weiterer intensiver Kuss, der nun auch Viktor die Luft abrang.
Als sie sich von ihm löste, war es an ihr, ihn warm anzulächeln.
»Zu jung? Soso. Hhm, das finde ich äußerst interessant, denn in meiner Klasse gelte ich eher als Spätzünder und Mauerblümchen. Außerdem, tu nicht immer so, als seist du so viel erwachsener als ich. Du bist doch selbst erst achtzehn.« Sie grinste frech. »Aber keine Bange, ich vertraue dir.«
Seufzend sah sie auf die Uhr. »Ich muss gehen, obwohl ich überhaupt nicht möchte.«
»Ich begleite dich, Anna.«
Bei dem Gedanken, er könnte sie bis nach Hause bringen, zuckte sie zusammen. Sie hatte einfach keine Lust auf einen Streit, weder mit Johannes noch mit Jens.
Als hätte er etwas von ihrer Befürchtung mitbekommen, lachte Viktor leise auf. »Ich bringe dich bis zum Waldrand, Anna, nur bis zum Waldrand. Aber im Moment musst du mich noch ein wenig stützen. Jetzt habe nämlich ich weiche Knie.«
Der Rückweg gestaltete sich sehr, sehr zeitraubend. Ständig blieben sie stehen für einen langen, innigen Kuss.
***
Als Anna später allein im Zimmer neben dem neu gepackten Koffer auf Lenas Bett saß, strich sie sich nachdenklich mit einem Finger über die Lippen, auf denen der Nachhall seiner Küsse immer noch angenehm prickelte. Allein bei der Erinnerung begann ihr Herz aufs Neue zu rasen und das bislang unbekannte Begehren stieg leise in ihr auf.
Dennoch weinte sie. Sie war glücklich, obwohl ihre Mutter so krank war. Und sie würde Viktor eine Ewigkeit – nein, eine Hölle lang! – nicht sehen.
Geschwisterliebe
»Bitte, Viktoria, bitte, bitte, bitte.« Er flehte seine Schwester regelrecht an.
Die warf ihm einen herablassenden Blick zu. »Viktor, du bist eindeutig verrückt geworden, total verrückt. Das geht einfach nicht. Wie stellst du dir das vor? Ich bin schließlich eine Halbelfe und keine Badenixe.«
Seit mehreren Tagen, besonders seit dem vergangenen Abend, nervte Viktor seine Schwester nun schon mit seinem Betteln und Flehen.
Erst hatte er ganz subtil angefangen: Eine Bemerkung hier, ein sorgenvoller Blick da, bis er ganz unverblümt mit seinem Anliegen herausgeplatzt war.
Er musste etwas tun, denn seine Bestürzung darüber, wie Anna ihm von ihrer bevorstehenden Reise erzählt hatte, steckte ihm nach wie vor tief in den Knochen.
… Natürlich sah er Anna an, dass sie außer sich und unglücklich war, und natürlich wollte er sie trösten.
Doch dann fiel da plötzlich ein ganz bestimmtes Wort. Ein Wort, das ihn wie ein Donnerschlag erschütterte und laut in seinem Kopf nachhallte: Nordsee? Nicht Nordsee!
Er wurde blass bei dieser Erkenntnis und bei der Gewissheit, dass er es nicht verhindern konnte. Anna sollte tatsächlich an die Nordsee fahren, dem falschesten Ort überhaupt.
So hilflos kam er sich vor, wollte er sie doch nicht beunruhigen. Sein kläglicher Versuch, ihr gut zuzureden, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Trotz seiner sorgsam gewählten Worte. Zuerst reagierte sie ungehalten, dann traurig. Es zerriss ihm fast das Herz, denn er nahm wahr, wie sehr er sie mit seinem fadenscheinigen Gerede enttäuschte. Ganz entgegen seiner Absicht.
Stirnrunzelnd schaute er ihr nach, als sie einfach davonging, ohne noch einmal mit ihm zu reden. Der Gedanke, dass sie womöglich seinetwegen weitere bittere Tränen vergießen könnte, plagte ihn zusätzlich. …