www.buch-den-mord.de. Charlie Meyer
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Sie wich kurz meinem fragenden Blick aus, und ich hörte förmlich ihre Gedanken kreisen.
»Ich ruf dich an, okay?«
Ein klares Vielleicht, aber mein Gott, hatte ich es anders verdient? War es nicht ein Wunder, dass sie überhaupt mit mir sprach? Trotzdem stockte auch ich kurz. Nicht, dass wir die alten Zeiten kopierten, und ich mir später eine neue Handynummer zulegen musste. Seit damals waren wir allerdings fünfzehn Jahre älter und reifer geworden. Hoffte ich zumindest, als ich ihr meine Nummer diktierte und sie mich von ihrem iPhone anrief, damit ich ihre Nummer abspeichern konnte.
Wir trennten uns mit der gegenseitigen Versicherung des gegenseitigen Anrufens, was sich in meiner Vorstellung irgendwie gegenseitig neutralisierte, und ich schwang mich wieder aufs Mountainbike. In der nächstbesten Drogerie kaufte ich Kerzen und eine Packung Kondome - nur für den Fall der Fälle - und raste zum Anleger zurück.
Auf dem Schiff herrschte große Aufregung. Die Servicekräfte waren nicht erschienen, der Caterer ein Nervenbündel, das wie wild auf seinem Smartphone herumtippte und nach Handynummern suchte, die es anrufen konnte. Kalle deckte noch immer die Tische mit Serviettenkreationen ein, die mich darüber grübeln ließen, ob er Fächer oder Pfaffenhüte hatte falten wollen. Derweil schenkte Lilith Sekt in Gläser und nahm, als sie sich unbeobachtet fühlte, einen kräftigen Schluck aus der Pulle.
Erst als oben schon die ersten Limousinen von der Straße abbogen, stoben wir panisch auseinander, um uns umzuziehen.
Als ich mich im Spiegel betrachtete, starrte mir ein großäugiges Gespenst mit wirren braunen Locken und einem schwarzstoppeligen Kinn entgegen. Die Narbe, die zackig von der rechten Wange zum Hals hinunter verlief, stach hell von der braunen Haut ab. Der Wäschedienst hatte uns mit den Tischdecken und Servietten auch frisch gebügelte Pilotenhemden geliefert, sodass wir wenigstens vom Hals abwärts wie reinliche Nautiker aussahen. Mit den Schulterklappen, vier Streifen, ein Stern, sollte ich auch als Schiffsführer erkannt werden.
Ein paar Wochen Erholung von Hollerbeck sah anders aus. Vielleicht konnte ich im Anschluss an diesen Springerjob eine Reha beantragen.
5
Das Schiff in der Kürze der Zeit von einem Schmuddelkahn in einen Luxusdampfer zu verwandeln, war natürlich illusorisch gewesen. Aber dank unseres, trotz aller Reibereien, harten Arbeitseinsatzes und einer ausgefeilten Planung sah das Schiff auf den ersten Blick - annehmbar aus. Allerdings wirklich nur auf den ersten Blick und nur unter der Voraussetzung, bestimmte Türen nicht zu öffnen.
Deck und Backbordseite des Schiffs waren mit Liliths Hochdruckreiniger bearbeitet worden. Die Steuerbordseite blieb dreckig, weil wir sonst entweder das Beiboot hätten zu Wasser lassen oder das Schiff verholen, sprich hätten drehen, müssen. Da die Steuerbordseite die den Gästen abgewandte Seite war, war dies allerdings unsere geringste Sorge.
Die Charter selbst allerdings begann so katastrophal, wie sie weitergehen sollte. Wir waren zwar auf das Familientreffen eines Barons von Sowieso vorbereitet, nicht aber auf den Dresscode. Smoking und lange Abendkleider, soweit das Auge reichte. Schon allein der Anblick des Weges zum Schiff hinunter zauberte nicht nur den dekolletierten Damen mit ihren High Heels und neusten Pradakreationen einen Ausdruck empörten Widerwillens auf die Gesichter, sondern auch den Herren der Schöpfung in ihren Smokings und blank polierten Lackschuhen.
Dass sie sich trotzdem in Bewegung setzten, musste ihnen unter diesen Bedingungen hoch angerechnet werden. Zurück blieben neben den Limousinen auf dem Randstreifen des unbefestigten Weges oberhalb des Anlegers nur die rauchenden und miteinander schwatzenden Chauffeure.
Unten angekommen hatte trotz aller Raffbemühungen der eine oder andere Kleidersaum sichtbare Bekanntschaft mit dem Matsch gemacht, von den Lackschuhen der Herren ganz zu schweigen. Eine ältere Dame im rosa Rüschenkleid ließ sich ins Hotel zurückchauffieren, weil sie ausrutschte und auf ihrem Allerwertesten landete. Höchstwahrscheinlich war das Thema Schifffahrt damit für den Rest ihres Lebens tabu.
Peinlicherweise war der Caterer mit dem Aufbau des Buffets noch nicht fertig, sodass wir die maulende Gästeschar mit einem Sektempfang auf dem schmalen Streifen des Anlegers abzulenken suchten, der befestigt war. Ohne Stehtische und ohne Hussen, dafür mit Liliths barschen Bitten, bloß nicht ins Wasser zu fallen.
Der erste Eindruck zählt, und der war in diesem Fall grottenschlecht. Dreckige Parkplätze, ein matschiger, mit Schlaglöcher gespickter Weg und ein Schiff, vor dem ein kahlköpfiger Zweimetermensch stand und ihnen den Eintritt verwehrte, während ein Schiffsführer mit Öl unter den Fingernägeln und ein Gruftimädchen mit Waschbärenaugen Tabletts voll Sektgläser durch die Menge trugen und dümmlich lächelten.
Der Charterkunde stellte sich als Charterkundin heraus und war auch kein Baron, sondern eine Gräfin, die mir erbost ins Ohr zischte, sie habe Champagner bestellt, keinen Sekt und werde den Sektempfang daher auch nicht zahlen. Ein Baron von Thoren stellte mir die Reinigungskosten seines Smokings in Aussicht.
Zu diesem Zeitpunkt vermisste der Caterer noch immer seine beiden Servicemädchen. Ein Missverständnis bei der Terminabsprache, wie sich später herausstellte. Mein Hilferuf per Fax an Mathilda blieb unbeantwortet, Bobsie ging nicht ans Handy. Der Caterer erreichte schließlich eins der beiden Mädchen, das dann auch kam, allerdings erst, als die Gäste bereits an Bord waren.
Seismografische Ausschläge künden Erdbeben an, Cumulonimbus-Wolken Gewitter und die säuerlichen Mienen und das Gemaule von hundert reichen Adeligen Ärger, der es möglicherweise bis vor die Schranken eines Gerichtes schaffen konnte.
In meiner Karriere als Schiffsführer eines Fahrgastschiffes gibt es nur wenige Fahrten, an die ich mit Schaudern zurückdenke, diese hier sollte eins meiner einschneidendsten Erlebnisse werden. Ich schämte mich für uns und unseren abwesenden Reeder.
Der Sekt zum Empfang hätte vertragsgemäß tatsächlich Champagner sein sollen, die Brauchwasserpumpe gab nach einer Stunde auf, sodass das Spülwasser versiegte. Kalle musste mit der Pütt Wasser aus der Weser schöpfen und die Hinterlassenschaften jedes einzelnen Gastes aus der Kloschüssel spülen, was weder ihn noch die Gäste freute.
Die Nachfrage nach Kaffeespezialitäten war enorm, und unsere Auskunft, mangels Maschine leider keinen Cappuccino, Latte macciato oder Espresso zubereiten zu können, erntete nichts als ungläubiges Staunen. Das Gruftimädchen als Servicekraft ebenfalls. Die Servicekraft, die der Caterer während ihres Wocheneinkaufs über Handy im Supermarkt erreicht hatte, hatte es in der Hektik nicht mehr nach Hause zum Umziehen geschafft und servierte in Jeans und T-Shirt.
Auf dem Höhepunkt unseres Desasters ging auf dem Armaturenbrett steuerbords plötzlich das Lämpchen der elektro-hydraulischen Ruderanlage aus. Was hieß, ich schaltete hektisch auch die Steuerbordmaschine aus und manövrierte das Schiff mit der Backbordruderanlage und der Backbordmaschine weiter. Während ich noch versuchte, meinen Klowasser schöpfenden Decksmann auf Handy zu erreichen, um ihn in den Maschinenraum zu schicken, weil meine servicetreibende Matrosin nicht an ihr iPhone ging, knallte es gewaltig, und die Backbordruderanlage gehörte ebenfalls der Geschichte an.
Minuten später trieben wir quer die Weser hinunter, grobe Richtung Nordsee, während ich im Steuerhaus kniete und die Verkleidung unterhalb der Anzeigenkonsole abriss. Mein Glück war, dass wir eine lange Gerade vor uns hatten, als die Steuerung ausfiel. Um ein Haar wäre sie allerdings nicht lang genug gewesen. Erst ganz kurz, bevor wir im Gebüsch landeten, schaffte ich es, die Elektrik für die