www.buch-den-mord.de. Charlie Meyer

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für Sie, dachte ich, vermied es aber zu lächeln. »Wie sieht‘s aus? Prüfung bestanden oder soll ich weiterziehen?«

      Am Liebsten hätte er weiterziehen gesagt, soviel stand fest. Er sah nicht glücklich aus, und ich war es ebenso wenig. Nur reizte mich die Herausforderung noch immer. Level 1 in einem dieser Aufbauspiele, die ich als Freelancer übersetze: Ein marodes Schiff, ein feindlicher Reeder eine Fahrgastschifffahrt, die bei null anfängt, ein Zeitlimit - mach was draus. Level 10: Das Schiff sieht wie neu aus, fährt in den schwarzen Zahlen, und du hast diesem Arsch von einem Eigner gezeigt, was du draufhast.

      Mein Ego ist nicht so ausgeprägt, dass ich glaube, andere deckeln zu müssen, aber dieses charakterlich missratene Exemplar des Homo sapiens hier hätte ich gern ungespitzt in den Boden gerammt. Ich hasse Ego-Shooter, aber ich verstehe auch kleine Angestellte, die sich nach der Arbeit mit einem Laptop auf den Knien in ihren Fernsehsessel lümmeln und Horden von Camouflage-Kriegern killen, die, schon im Todeskampf, plötzlich die Gesichter ihrer Chefs annehmen.

      Bobsie war einer dieser Kandidaten, und ich fragte mich mit einem Mal, ob ich nicht auf der Seite seines Vaters hätte stehen sollen. In meiner korrigierten Vorstellung wechselten die Mitwirkenden plötzlich die Rollen. Aus dem übermächtigen Papa wurde das gebeutelte Opfer, aus dem Sohn der beutelnde Schuft.

      »Na gut, ich versuche es mit dir.«

      Oh, wir waren bereits beim du angekommen.

      »Okay«. Ich streckte die Hand aus. »Dylan. Und du?«

      Bobsie kaute einen Moment lang an seiner Unterlippe. »Herr Hirschfeld«, sagte er dann und schlug ein. »Ich ziehe eine gewisse Distanz zu meinen Angestellten vor. Mein Partner Herr Eilers ebenfalls. Sie werden ihn zu einem späteren Zeitpunkt kennenlernen. Er ist gerade in Geschäften unterwegs.«

      Er griff zum Stift, unterschrieb die beiden Ausführungen des Vertrags, die er vor sich liegen hatte, und schob eine zu mir hinüber.

      Arschloch, dachte ich und lächelte. »Kein Problem, Herr Hirschfeld. Wie sieht's mit der versprochenen Unterkunft aus?«

      Ich hatte für die nächsten vier Wochen das Rundumsorglospaket gebucht. Freie Verpflegung, freie Unterkunft, dafür nur zwei Drittel des Gehalts.

      So wie's aussah, hatte ich das Kreuzfahrtprogramm erwischt. Eine sieben Quadratmeter große Kabine im Heck der Weserlust. Bett, Tisch, Stuhl, Spind und ein Waschbecken. Weserlust. Ich dachte an Max‘ Tochter, die die angedachte Stadt Hollerbeck, mein Fahrgastschiff zu Hause, in Meerjungfrau umbenannt hatte und überlegte, welcher Name zu diesem Schiff hier wirklich passte. Poseidon? Luchs, in Anlehnung an die Lux-Werft? Nein, passte alles nicht, aber ich blieb ja auch vier Wochen. Zeit genug für das Schiff, sich seinen Namen selbst auszusuchen.

      »Was ist mit dem Rest der Besatzung?«

      »Was soll damit sein?« Der Eigner starrte mich herausfordernd an.

      Ich zuckte die Achseln und lächelte. »Ich frage mich, wann sie kommt, und ich frage mich, wie wir eine Kabine mit nur zwei Betten unter uns drei Nautikern aufteilen sollen.«

      »Das ist geregelt. Wenn sonst nichts ansteht ...« Damit packte er seinen Papierkram zusammen und verließ ohne ein weiteres Wort sein Schiff.

      Ich war nahe daran hinterherzulaufen. Sonst stand noch jede Menge an. Wann kam die Besatzung? Waren die Maschinen funktionstüchtig? Wo waren die Schiffspapiere? Wann war die erste Fahrt? Und, und, und. Die Wichtigste aber: Wie konnte ein Kerl, der mir am Telefon wie eine der sympathischsten Kreaturen auf Erden erschienen war, in so kurzer Zeit zu einem Stinkstiefel mutiert sein? Transformer Teil 3?

      Als Bobsie Hirschfeld gegangen war und ich meinen Schlafsack in der Koje der Kabine ausgerollt hatte, begann ich das Schiff zu inspizieren. Die eine Sache ist, einer eingeschworenen Besatzung als Schiffsführer vor die Nase gesetzt zu werden, die andere, den plötzlichen Ehrgeiz zu entwickeln, das Schiff auf Vordermann bringen zu wollen. Die Definition des Begriffes Vordermann variiert stark, und Stammbesetzungen von Schiffen neigen bei der Definition zum Status quo, weil sie mit den Jahren betriebsblind geworden sind und die Mängel gar nicht mehr wahrnehmen.

      Bei der Weserlust ergab sich dieses Problem erst gar nicht, da sie keine Stammbesatzung mehr hatte. Keine zehn Minuten nach seinem unhöflichen Abgang rief mich Bobsie auf Handy an, um mir in einem sehr arroganten Ton mitzuteilen, dass die ebenfalls neu angeheuerte Mannschaft - Matrose-Motorenwart und Decksmann - gleich eintrudeln würde, und das Schiff am Abend an einen Baron von Sowieso für ein Familientreffen verchartert sei. Fünf Stunden Fahrt mit Buffet und Getränkepauschale. Ausklang bis zwei Uhr morgens, der Caterer bringe zwei Servicekräfte mit.

      Ich stand gerade auf Deck und sah mir den Dreckskahn etwas genauer an, als der Anruf kam.

      »Wann kommt die Serviceleitung?«, stieß ich schließlich hervor, als ich meine Stimme wiederfand.

      »Was für eine Serviceleitung?«

      »Diejenige, die den Servicekräften sagt, wo's langgeht. Ihr Schiff hier hat schätzungsweise hundertfünfzig Sitzplätze im Innenbereich und achtzig auf dem Sonnendeck und im Bug. Sie brauchen eine Serviceleitung, sonst können Sie keine vernünftige Fahrgastschifffahrt aufbauen.«

      »Ach ja? Was verstehen Sie denn schon davon? Sind Sie Geschäftsmann wie ich? Nein. Sie verstehen vielleicht ein Schiff zu fahren, aber von der Businesswelt da draußen haben Sie nicht den Schimmer einer Ahnung.« Er schnaufte. »Sie werden es mir kaum glauben, aber es gibt noch mehr auf der Welt als hinter dem Steuer eines Schiffes zu stehen.«

      Ich schwieg perplex, hatte ich in meinem bisherigen Leben doch schon drei verschiedene Berufe ausgeübt, und zwar zwei davon meist gleichzeitig. In einem längst verglühten Paralleluniversum als Polizist, in meinem jetzigen Leben als Freelancer für die Übersetzung von Computerspielen und als Schiffsführer. Mein Freelancer-Honorar sicherte mir ein Grundeinkommen, und Schiffsführer war ich aus Leidenschaft, wenngleich ich auch damit Geld verdiente. Die Polizeiuniform hatte ich an den Nagel gehängt, nachdem ein gesuchter Bankräuber bei einer Führerscheinkontrolle den Jungen erschossen hatte, den mir mein Chef zum Anlernen anvertraut hatte.

      »Was sind Sie von Beruf, wenn ich fragen darf?«

      »Geschäftsmann, was sonst.« Damit drückte er das Gespräch weg.

      Na toll. Wer blöd fragt, bekommt blöde Antworten. Ich starrte, das Handy am Ohr, auf die Silhouette der Stadt Nienburg, den Kirchturm, die Straßenbrücke und die Fußgängerbrücke ein Stück weiter und überlegte. Lohnte sich der Ärger überhaupt? Warum fragte ich nicht bei der Genossenschaft nach, ob die Springerstelle noch zu haben war, und übernahm für ein paar Wochen doch das Bunkerboot auf dem Rhein?

      Ich sah mich auf Deck um und seufzte. Wenn ich ein wenig auf der Stelle hüpfte, brach ich wahrscheinlich durch die Roststellen ein, die Mannschaft fehlte noch immer, und in sechs Stunden tanzte dieser Baron mit seiner gesamten Sippschaft an. Hoffentlich verfügten sie über ein Mindestmaß an Galgenhumor.

      Möglicherweise sollte man im Leben die eine oder andere Herausforderung auslassen, weil deren Realisierung so unrealistisch ist wie meine Teilnahme an der ersten Marsbesiedlung. Trotzdem konnte ich mich nicht aufraffen. Ich will nicht sagen, dass ich in der Kürze der Zeit eine persönliche Bindung zu dem Schiff aufgebaut hätte, aber ich mag nun mal Lux-Schiffe und dieses hier hatte es einfach nicht verdient, in der Schrottpresse zu enden.

      Mein Verstand sagte mir, dass ich, trotz aller Mühen, über Level 3 meines imaginären Spiels nicht hinauszukommen würde.

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