www.buch-den-mord.de. Charlie Meyer

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Die letzten beiden Punkte standen nicht wörtlich da, ergaben sich jedoch aus dem Telegrammstil der vorhergehenden Anweisungen.

      Wow! Entweder hatte ich Bobsie unterschätzt oder in seinem Büro regierte eine grauhaarige Matrone mit vierzigjähriger Erfahrung in der Fahrgastschifffahrt. Keine Gefangenen. Wer aufmuckt, wird standrechtlich erschossen.

      Ich kannte diese Madams von einem Dutzend anderer Reedereien.

      Wir Nautiker sind ein eigenwilliges Völkchen. Wir steuern lieber selbst, als dass wir uns steuern lassen, was vor allem die ehemaligen Eigner trifft, die ihr Schiff aus der Not verkaufen mussten und nun gezwungen sind, meckernde Fahrgäste unter der Flagge irgendeines Idioten durch die Gegend zu schippern, der die Achterpiek nicht vom Salon unterscheiden kann.

      Reedern wie Bobsie eben.

      Was für mich als Springer eine vorübergehende Herausforderung ist, wird für die Dauerjobber unter den Nautikern zur ewigen Qual. Ihr Gefühl fordert: Hau dem Alten einfach in die Fresse, ihr Verstand: Zähne zusammenbeißen, deine Familie braucht das Geld.

      Doch auch ein so arrogantes Arschloch von Reeder wie Bobsie ist ohne Bürofuchtel vom ersten Tag an zum Scheitern verurteilt. Dachten wir zumindest und tauften seine spontan Mathilda, ohne, dass wir ihr je persönlich begegnen sollten, da es weder sie noch ein Büro gab. Das allerdings wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

      Lilith und ich wurden beide fündig. Mathilda hatte Putzmittel jeglicher Art gekauft, unter anderem auch einen Hochdruckreiniger, und ich fand das stockfleckige Original des Schiffsattestes in einem Ringordner hinter der Theke. Das Attest lief tatsächlich in drei Monaten aus, dann würden die Jungs von der SUK auf der Matte stehen und große Augen bekommen. Das allerdings war dann nicht mehr mein Problem.

      Zehn Minuten später kämpfte sich der Laster des Getränkelieferanten durch die tiefen Pfützen, dann ging es Schlag auf Schlag. Wäscheservice, Großmarkt und mittendrin der Wagen der Entsorgungsfirma, die das Öl-Wasser-Gemisch in der Bilge abpumpen sollte. Chaos pur, während sich Kalle und Lilith, sobald sie einander begegneten, wie zwei Zündhölzer in einem Treibgastank aneinander rieben.

      Die Funken flogen in alle Richtungen, die Explosion schien unvermeidlich.

      Wir schufteten wie die Berserker. Während Lilith die Decks mit dem Kärcher bearbeitete und Kalle in der Küche und im Salon die Dreckkrusten eingeweicht hatte, vertrieb ich die Spinnen aus dem Steuerhaus und ließ die Maschinen an. Dreimal röhrten die Motoren wie liebeskranke Elche auf, starben jedoch nach zehn Sekunden mit sattem Rülpsen wieder ab.

      Beim vierten Versuch knallte es gewaltig, und aus dem Auspuff quoll schwarzer Dampf, der sich über dem Schiff zu einer Wolke zusammenballte, aus der es Rußflocken zu schneien begann. Unmittelbar darauf gab es keinen mehr an Bord, der nicht lautstark fluchte und mir Prügel androhte.

      Lilith begann die Säuberung der Decks von vorn, der Caterer versenkte versehentlich eine seiner silbernen Servierplatten im Fluss, als sie ihm beim Entsorgen der rußgeschwärzten Vorspeisenhäppchen aus den Fingern rutschte. Kalle, der mittlerweile außenbords die Fenster putzte, schimpfte wie ein Rohrspatz, während der Ruß an seiner Glatze haften blieb, und ihm das Aussehen eines langstieligen Fliegenpilzes verlieh.

      Und bei jeder sich bietenden Gelegenheit gingen Lilith und Kalle weiterhin wie zwei aufgestachelte Kampfhähne aufeinander los. Noch zwar nur mit Worten, aber ich sah es förmlich vor mir, wie sie sich bei der abendlichen Charterfahrt mit Messern bewaffnet quer durch den Salon jagten. Vampir jagt Leuchtturm. Alles nur eine Frage der Zeit.

      Drei Stunden vor Ankunft der Chartergäste nahm ich sie mir einzeln zur Brust, zwei Stunden vorher zwang ich sie zu einer gemeinsamen Kaffeepause in meiner Gegenwart. Keine Chance. Wir Schiffsleute sind nun mal ausgeprägte Individualisten, und wenn zwei solche verqueren Charaktere aufeinandertreffen, zucken gelegentlich auch Blitze durch die aufgeladene Atmosphäre.

      Manchmal hilft da nur brüllen. Ich tat es erneut, eine Stunde vor Ankunft der Gäste und siehe da: Der Zorn beider wechselte ganz einfach ihr Ziel. Nun war ich der Arsch, aber da ich diese Spielchen wechselnder Allianzen schon von der Meerjungfrau kannte, überraschte es mich nur mäßig.

      Dann raste ich mit dem Mountainbike in die Innenstadt, um Kerzen zu kaufen. Bei meinem verzweifelten Versuch, mich im Eiltempo durch die Touristenströme zu navigieren, fuhr ich beinahe eine elegant gekleidete Frau über den Haufen, die mir vage bekannt vorkam. Ich legte eine actionfilmreife Vollbremsung hin, bei der mein Hinterrad herumschleuderte, und wollte mich gerade entschuldigen, als sie mir zuvorkam.

      »Dylan Mein Gott, was machst du denn hier?«

      Ich starrte sie an und überlegte krampfhaft. »Susann?«, tastete ich mich vorsichtig vor. Wie hatte sie bloß mit Nachnamen geheißen?

      »In eigener Person.« Sie lachte ihr breites Julia Roberts Lachen, und im Bruchteil einer Sekunde schüttete irgend ein Jemand über mir einen ganzen Sack voller Erinnerungen aus. Ich war wieder siebzehn, ein nimmersatter Matrose und Draufgänger, der bei seinen Landgängen jedes Mädel abschleppte, das sich nicht bei drei auf den nächstbesten Baum rettete. Die einen waren ähnlich locker eingestellt gewesen wie ich, den anderen hatte ich die ihre liebenden Teenagerherzen gebrochen, als ich sie für das nächste Mädel am nächsten Anleger fallen ließ.

      Susann gehörte damals zur zweiten Gruppe. Ich konnte mich noch deutlich an ihre verzweifelten Versuche erinnern, die Trennung rückgängig zu machen. Briefe, Anrufe, die einsame Gestalt am Mittellandkanal, die dem Frachtschiff hinterherwinkte, auf dem ich damals arbeitete. Mein Blick aus dem Pantryfenster auf dieses chluchzende Häufchen Elend, das an unserer Liegestelle auf einem Poller hockte und verzweifelt darauf hoffte, mich abfangen zu können, sobald ich das Schiff verließ.

      Kurze Zeit später hatte ich, nicht zuletzt deswegen, für ein Jahr auf einem Bunkerboot in Frankreich angeheuert und sie komplett aus den Augen verloren.

      Einen Moment lang starrten wir uns verlegen an. Auch sie schienen die Erinnerungen plötzlich wie eine Dampfwalze zu überrollen. Auf ihren hohen Wangenknochen erblühten rote Flecken.

      »Hi«, brachte ich schließlich über die Lippen, dann mussten wir beide lachen.

      »Vergeben?«, ging ich endlich in die Offensive.

      »Vergeben und vergessen«, lachte sie, aber ich hörte heraus, dass sie nicht ganz die Wahrheit sagte. Eine verschmähte erste Liebe wirkt manchmal das halbe Leben lang nach, das weiß keiner besser als ich, denn so wie ihr war es mir kein halbes Jahr später mit meiner großen Jugendliebe ergangen. Manchmal gibt es im Leben doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit.

      Susann sah umwerfend aus, wie sie da vor mir stand, die Hände halb in die Taschen ihrer eleganten schwarzen Jeans geschoben. Groß, schlank, rothaarig und mit leicht verschatteten braunen Augen. Sogar ein paar Sommersprossen hatten sich in ihr Erwachsenenleben hinübergerettet.

      Kein Ehering am Finger, soweit ich das erkennen konnte bei ihrem unruhigen Auf- und Abwippen auf den Zehenspitzen.

      »Hast du Zeit für einen Kaffee?«

      Beinahe hätte ich in dem unwiderstehlichen Bedürfnis, meine Jugendsünden wieder gutmachen zu wollen ja, klar doch gesagt, da fiel mir gerade noch rechtzeitig die vermaledeite Charter wieder ein.

      »Geht leider nicht. Ich muss arbeiten.«

      »Arbeitest du immer noch als Nautiker?«

      »Ja. Das heißt eigentlich nein. Oder besser

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