www.buch-den-mord.de. Charlie Meyer

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selbst auf die Gefahr hin, als Privatsphären-Rambo in die Geschichtsbücher einzugehen, Kalle, für einen Decksmann bist du gewissermaßen schon ein Methusalem. Liege ich daher falsch, wenn ich bei dir auf einen nautischen Quereinsteiger tippe?«

      Lilith mischte sich empört ein, während ihre schwarzen fransigen Haare sich noch stärker zu sträuben schienen als zuvor: »Ich finde das absolut nicht okay, wenn wir hier nach unseren intimsten ...«

      »Pluster dich bloß nicht so auf, Kleine.« Kalle grinste und entblößte zwei Zahnlücken oben und unten rechts. Er wandte sich mir zu. »Das nächste Mal biete mir wenigstens eine Wette an. Von wegen Quereinsteiger. Ich bin alles, was du brauchst und möglicherweise sogar mehr. Schiffsführer, Bootsmann, Steuermann, Matrose-Motorenwart, Matrose und Decksmann. Diesmal eben nur Decksmann, das nächste Mal vielleicht Steuermann. Alles eine Sache von Angebot und Nachfrage. Ich hab‘ sogar Hochseepatent.«

      Ein Seebär, also doch. Ich war beeindruckt, betete aber gleichzeitig darum, es möge nicht zu Revierkämpfen kommen. Zwischen wem auch immer.

      »Ich bin der Matrose-Motorenwart«, protestierte Lilith prompt und funkelte ihn erbost an.

      Kalle klapperte mit den Augenlidern. »Du? Lütte, du bist höchstens ein Frosch, der meint fliegen zu können.« Er lachte meckernd. »Wie wär’s denn mit Kinderkriegen? Die Binnenschifffahrt braucht Nachwuchs.«

      Lilith fuhr mit blitzenden Augen hoch wie von der Tarantel gestochen, doch ich war schneller und versperrte ihr den Weg.

      »Regt euch wieder ab, ihr zwei, okay? Wir werden zu viel mit diesem Schrottkahn zu tun haben, um uns gegenseitig zu zerfleischen. Daher gleich ein paar Regeln. Wir sind ein Team, kein Chaoshaufen. Jeder an Bord nimmt die Position ein, die in seinem Arbeitsvertrag steht. Vier Wochen, dann trennen sich unsere Wege wieder, aber in den vier Wochen verlange ich Einsatz und Leistung. Ich sah Kalle an. »Deinen Sexismus kannst du dir in den Allerwertesten schieben. Wir leben im dritten Jahrtausend.«

      »Man darf doch wohl noch von der guten alten Zeit träumen.«

      »Halt einfach die Klappe«, fauchte Lilith und gab es auf, gegen die Barriere in Form meines ausgestreckten Armes ankämpfen zu wollen.

      »Ruhe verdammt noch mal.«

      Wir setzten uns alle wieder, und ich kratzte demonstrativ mit dem Fingernagel an einem der Dreckränder auf dem Tisch. »Charterfahrt. Heute Abend. Ein Familientreffen, bei dem sich die oberen Zehntausend die Türklinke in die Hand geben. Adelige. O ja, ehe ich es vergesse. Es gibt keine Serviceleitung, nur zwei Servicekräfte, die der Caterer mitbringt.«

      Ich sah auf, lächelte meine Crewmitglieder grimmig an und erntete ungläubiges Schweigen. »Wir haben genau sechseinhalb Stunden, den Kahn so weit in Schuss zu bringen, dass uns die Charterkunden nicht über die eigene Planke springen lassen. Falls dieses Schiff überhaupt eine eigene Planke hat.«

      Durch die dreckige Fensterscheibe hinter Liliths Kopf fiel mein Blick auf das seltsame Fahrzeugduo auf dem Parkplatz - Wohnwagenkugel mit Göttinger Kennzeichen neben Mercedes Cabrio aus Kassel - und ich fragte mich, was für Pläne Lilith verfolgte. Ein teurer Wagen, Designerklamotten, die Nerven zum Zerreißen gespannt und dann ein Job in untergeordneter Position in einer Männerdomäne? Da stimmte was nicht.

      Kalles Wagen dagegen war eine Rostschleuder per se. Sie passte zum Schiff und zu dem, was er von sich erzählt hatte. Während für Lilith Äußerlichkeiten und Statussymbole offenbar eine große Rolle spielten, wozu auch ihr Auftreten als Gothic zählte, begnügte sich Kalle mit dem, was ihm das Leben freiwillig bot. Sich etwas erkämpfen zu wollen oder zu müssen, dazu war er nicht der Typ. Zumindest schätzte ich ihn so ein. Kein Ehrgeiz, nur die satte Zufriedenheit des Status quo. Ein fahrbarer Untersatz, ein Bett, ein Schiff.

      Ich war mir nicht sicher, ob ich einen meiner vorübergehenden Nautikerkollegen mochte, aber das musste ich schließlich auch nicht. Wie gesagt, unsere Wege kreuzten sich nur vorübergehend.

      »Seit wann gibt es keine Serviceleitung auf Fahrgastschiffen?«, fragte Lilith, von ihrem Streit mit Kalle kurzzeitig abgelenkt, aber unvermindert angriffslustig und riss die Waschbärenaugen empört auf.

      »Seit wann gibt es eine Matrosin-Motorenwartin?«, höhnte Kalle.

      »Sexistisches Arschloch.« Liliths schwarze Lippen verzogen sich verächtlich.

      »Pfui. Daddys kleines Gruftimädchen nimmt aber böse Worte in den Mund.«

      Ich brüllte nur kurz, aber es reichte. Mir, um mich abzuregen, den anderen, in Deckung zu gehen.

      »So. Wir haben sechseinhalb Stunden. Kalle und ich …«. Ich stutzte. »Entschuldigung, Lilith und ich verziehen uns in den Maschinenraum und sehen uns das Elend da unten an. Kalle sieht zu, dass er die Küchengeräte zum Laufen kriegt. Spezialitätenmaschine, Kaffeemaschine, Geschirrspüler. Alles, was einen Stecker hat.«

      Kalle verzog das Gesicht, nickte dann aber ergeben. »Eine Putze wird wohl auch nicht vorbeikommen?«

      »Wozu? Wir haben doch so einen tollen Allrounder an Bord. Ich bin alles, was du brauchst und möglicherweise noch mehr.«

      Nach dieser letzten höhnischen Attacke stapfte Lilith hoch erhobenen Kopfes hinter mir her, Springerstiefel auf Eisen, als gelte es, das Schiff niederzutrampeln und nicht zum Fahren zu bringen.

      Der Maschinenraum der Weserlust entpuppte sich für mich als siebter Kreis der Hölle. Motoren, Generatoren, Filter und was sonst noch alles in die Maschinenräume von Schiffen gehört, war unter einer derart dicken und klebrigen Öl-/Dreckkruste verschunden, dass ich mich an eine dieser grauen Mondlandschaften erinnert fühlte.

      »Ich bin begeistert«, murmelte ich.

      Lilith kniff unter ihren schwarzen, strubbeligen Haare die Augen zusammen und murmelte etwas nicht jugendfreies. Ihr weiß gepudertes Gesicht wies hier und da dunkle Punkte auf. Wir hatten beim Eintreten schwarzen Staub aufgewirbelt, der ganz offensichtlich hervorragende Hafteigenschaften aufwies.

      »Hochdruckreiniger?«, fragte Lilith schließlich knapp und sachlich.

      »Bietet sich an. Allerdings sieht das Schiff nicht so aus, als wüsste es, was das ist. Ich frage mich, wer den Kahn hierher überführt hat und ob die Weserlust dabei tatsächlich aus eigener Kraft fuhr oder bei einem Kollegen längsseits gekoppelt war.«

      Ich seufzte. Während Lilith die wenigen Stauräume der Weserlust nach einem Hochdruckreiniger durchforstete, verließ ich ebenfalls den Maschinenraum und machte mich auf die Suche nach den Schiffspapieren.

      Ohne gültiges Schiffsattest würde ich den schrottreifen Kahn keinen Meter weit bewegen.

      Kalle kämpfte derweil in der Küche mit den Tücken der Technik. Besser gesagt mit der nicht vorhandenen Technik. Es gab zwar einen Kaffeeautomaten, aber beim ersten Selbstversuch spuckte er etwas aus, das nach Bilgenwasser aussah und auch so schmeckte. Eine Spezialitätenmaschine fehlte. Eine Serviceleitung, die ihm jetzt hätte sagen können, wie Plan B für die Charterfahrt am Abend aussah, ebenfalls.

      Dafür gab es ein altertümliches Faxgerät, das plötzlich zu rattern begann und eine halbe Seite Anweisung zur Durchführung unserer abendlichen Charter ausspuckte. Zustieg der Gäste: 18.30 Uhr. Sektempfang. Abfahrt Schiff: 19.00 Uhr. Eröffnung des Buffets. Rückkehr Schiff zum Anleger: 23.30 Uhr, Ausklang bis 1 Uhr nachts. Klar Schiff machen, schlafen gehen. Erste Rundfahrt

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