Stadt der Sünder. Myron Bünnagel

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Stadt der Sünder - Myron Bünnagel

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klar, die Antwort.

      „Du bist ein Schwein!“

      Der hatte Nerven … „Ich doch nicht. Ich bin nicht mal verheiratet.“

      „Das habt ihr euch sauber ausgedacht. Aber von mir seht ihr keinen Cent.“

      „Wir? Jetzt halt mal die Luft an! Wenn du denkst, dass sie da mit drinsteckt, bist du ein größerer Drecksack, als ich angenommen habe. Das ist ganz allein mein Projekt.“

      „Ist das so?“ Er klang erleichtert. Einen Moment kamen mir Zweifel. Bodo war ziemlich offensiv für ein Erpressungsopfer, fast schnippisch. Was, wenn er keine Angst vor den Aufnahmen hatte? Aber warum hatte Cornelia mich ansonsten losgeschickt? Verdammt … Ich wischte mir die Handflächen an der Hose ab. „Du bist das größere Schwein von uns beiden, Marr. Auf so eine Geschichte muss man erst mal kommen! Ich hätte nicht gedacht, dass die Gülle dermaßen in dir schwappt.“

      „Hey, was wird das? Ich bin derjenige mit den Fotos, also hör mir genau zu: Ich will Zweitausend, noch heute Abend. Kleine Scheine. Du übergibst mir die Kohle um genau 22:00 Uhr. Am alten Sportplatz. Und versuch keine krummen Touren, ansonsten gehen Abzüge an deine Frau und die Presse.“ Das war ein Bluff. Aber zu so einer Geschichte gehörte er dazu – Josiger konnte das ohnehin nicht nachprüfen.

      „Ich hatte immer was auf dich gehalten, Junge. Warum bringst du dich jetzt dermaßen in Schwierigkeiten?“

      Himmel, der war nicht aus der Ruhe zu bringen. „Fuck, erspar mir das Gequassel. Ich will das Geld, dann sehen wir weiter. Du hast gehört, wann und wo. Irgendetwas davon nicht kapiert?“

      „Ich habe verstanden, Marr. Noch hast du die Chance, alles abzublasen. Gib mir die Negative und wir vergessen die Sache.“

      „Verfluchter Scheiß, sei einfach um zehn am Treffpunkt.“ Dann legte ich wütend auf. In der Telefonzelle war es stickig und ich trat nach draußen. Ich konnte es nicht fassen, was für ein dreister Bluffer er war. Aber dafür würde er zahlen. Stetig und schmerzhaft. Und wenn ich genug von ihm hatte, würde ich ihn seiner Frau und deren Rechtsanwalt vorwerfen. Vielleicht wurde er zum ersten Mal erpresst, aber – verdammt – das war doch kein Grund für so eine Kacke. Ich meine, ich war am Drücker. Ich stellte die Forderungen. Er musste tun, was ich sagte. Das würde ich ihm heute Abend schon eintrichtern. Die Zweitausend waren Bullshit, der Tanz hatte erst begonnen.

      

      V. Ausführung

      Unsere Essen im Stadthotel waren, von außen betrachtet, skurril. Wir saßen an unserem Lieblingsplatz, die breite Fensterfront mit Blick auf die Hügel vor uns. Der Tisch festlich gedeckt, mit Silberbesteck und Kerzen. Fehlten nur der melancholische Geiger und der Typ mit den Rosen. Stattdessen hatten wir den Lärm des Schäferhundvereins im Hintergrund, der an seinem Stammtisch saß und Bier in sich hineinkippte. Von der Bar dudelte der Heimatfunk zu uns herüber. Aber Dolores schien das alles auszublenden. Als wären wir Teil einer anderen Welt – fein und wohlhabend und glücklich. Sie hatte sich herausgeputzt und ich musste anerkennen, dass sie atemberaubend aussah. Ein weinrotes Abendkleid, Perlenkette über dem ausladenden Dekolleté, dezent geschminkt. Ein Hauch von Baroness war in ihrer Stimme und Gestik. Auch wenn ich sie kannte, wirkte sie beinahe wie eine völlig andere Person. Kein Vergleich zur Vulgarität ihrer Rennbahnpersönlichkeit, oder der Verkleidung als Arztfrau. Das hatte mich an ihr fasziniert, seit ich ihre Rollen mitbekommen hatte. Sie spielte nicht nur jemand anderen, sie war es. Nach all den Jahren wusste ich, welche Facette sie gerade war. Und es gab etliche davon. Für jede Situation, jede Begegnung. Ob sie ein Opfer einwickelte, sich mit halbseidenen Freunden traf, mit den Bullen lavierte. Ja, selbst für mich gab es ein Profil. Manchmal hatte ich mich gefragt, wer meine Mutter wirklich war. Oder ob sie überhaupt nur jemand war. Ob ihre Gefühle, ihre Mutterrolle nicht auch einfach nur eine Verkleidung waren. Es schien so, aber das wäre wohl zu simpel. Die Persönlichkeiten in ihr waren komplex, zum Teil miteinander verknüpft – vielleicht war sie nur wirklich sie mit all diesen Nuancen …

      So lange ich denken konnte, verdiente sie ihr Geld mit Betrügereien, aber nicht nur. Es gab Zeiten, in denen hatte sie normale Jobs, die ihr sogar Spaß zu machen schienen. Verkäuferin, Sekretärin, Übersetzerin. Nicht wegen der Kohle. Vielleicht, um meinem Leben einen Anstrich von Normalität zu geben. Vielleicht, weil das Pflaster zu heiß war oder sie für den nächsten Bluff eine harmlose Identität aufbauen musste. Spätestens nach ein paar Monaten warf sie hin und war wieder involviert. Wie die meisten von uns hatte sie sich dabei über die Jahre eine Arbeitsethik zurechtgelegt. Sehr flexible Grundsätze, auf die sie stolz war. Dabei sah sie sich nicht als ordinäre Kriminelle, sondern als Handwerkerin. Immer bemüht, ihre Masche zu verfeinern, immer auf der Suche nach dem ultimativen Betrug. Sie vermied Gewalt und offenen Aufruhr, reizte lieber die Scham ihrer Opfer aus und hatte mir beigebracht, nicht zu gierig zu sein. Ich wusste sehr viel über ihre Arbeit, vor allem aus der Zeit, als wir zusammen aufgetreten waren. Wen sie so kannte, wen sie mied, in welchen Städten sie aktiv werden konnte oder durfte. Sie war überraschend sparsam, führte akribisch Buch über unsere Ausgaben. Dolores war nie im Knast gewesen und nur zweimal erwischt worden. Nach dem letzten Mal lebten wir ein halbes Jahr in der Tschechei.

      Sie war nicht immer eine gute Mutter gewesen, aber die einzige, die ich nun mal hatte.

      „Du hörst gar nicht zu, Gideon. Ist etwas nicht in Ordnung?“

      Wir waren beim Dessert angelangt, aber ich schaufelte auch diesen nur in mich hinein. Sie war beim vierten Glas Wein, ein bisschen betrunken, nicht zu sehr. Niemals sehr. Ihre Augen glitzerten, ihre Wangen waren gerötet. Dolores sah aus wie Anfang Dreißig, so alt wie ich, nicht wie Ende Vierzig. Ich konnte spüren, wie der Kellner den Blicke nicht von ihr nehmen konnte.

      „Nein, alles Bestens. Ich bin mit meinen Gedanken bloß ganz wo anders.“ Dabei sah ich auf die Uhr: Kurz nach neun, so langsam musste ich mich auf den Weg machen. „Außerdem muss ich gleich zu einer Verabredung.“

      „Ein Mädchen?“ War da ein Schimmer von Eifersucht in ihren Augen? Oder Spott? Wenn andere Frauen nicht gerade Teil eines Betruges waren, kam Dolores nicht sonderlich gut mit ihnen aus. Oder die Frauen nicht mit ihr.

      „Kann sein.“ Sollte sie denken, es wäre eine Geliebte.

      „Ich hoffe, keins von den Flittchen aus dem Club? Du weißt, was ich dir dazu gesagt habe.“

      Mein Lächeln war so falsch wie das Geburtsdatum in ihrem Pass. „Keine von denen.“ Manchmal vergaß sie, dass ich kein Teenager mehr war. Oder, reichlich verspätet, brachen Mutterinstinkte hervor.

      „Trotzdem finde ich es nicht nett, dass du mich allein lässt, mein Schatz. Nach meiner Reise hätten wir uns betrinken und einen Film ansehen sollen.“

      „Tut mir leid.“ Ich war ohnehin der einzige von uns beiden, der sich betrank. Vermutlich rührte es sie als Mutter, wenn sie mich sturzbetrunken ins Bett bringen musste. Mit einem Blick auf den Oberkellner ergänzte ich: „Außerdem wirst du nicht lange allein sein.“

      „Das war garstig von dir.“ Sie sah mich tadelnd an. Ein Zwinkern und ein Kuss auf die Wange besänftigten sie jedoch. „Sei leise, wenn du nach Hause kommst.“

      „Ich werde euch schon nicht aufwecken.“ Damit ließ ich sie am Tisch zurück und ging nach draußen. Auch wenn die Blicke des Personals stumpf und nichts sagend waren, beobachtete es uns sehr genau. Vermutlich waren wir Brennholz für ihren Klatsch. Na, wenn schon.

      Der Nachtportier hatte einen Anruf für mich aufgeschrieben,

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