Die Arche der Sonnenkinder. Jörg Müller

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Die Arche der Sonnenkinder - Jörg Müller

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einmal die Woche. Das Zelt aus Stein wurde immer größer. Er fragte sich, ob die Menschen, die in einem so großen Zelt wohnten, auch so aussahen wie die Indianer vom Stamm der Namenlosen.

      Als er wieder dem großen und immer noch wachsenden Zelt einen Besuch abstattete, entdeckte er ein neues, viel kleineres Zelt, das eher aussah, wie die Zelte, die er kannte. Seine Augen suchten instinktiv das kleine Zelt und dessen Umgebung ab und blieben dann an einem eigenartigen Gestell hängen, das neben dem Zelt in dessen Schatten stand. Aber nicht das Gestell fesselte seine Aufmerksamkeit. Es war die Frau, die auf dem Gestell lag und ihn beobachtete. Sie hatte eine weiße Haut, hellgraue Haare und fast so schwarze Augen wie er. Wie in Trance ging Rising Sun auf die Frau zu und blieb direkt vor ihr stehen. Sie lächelte ihn freundlich an und lud ihn mit ihrer rechten Hand ein, sich neben sie zu setzen. Der Junge zögerte kurz und folgte dann der Einladung, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. In diesem Augenblick kam ein großer und sehr breitschultriger Mann um das Zelt herum, erblickte Rising Sun und stutzte. Die Frau sah dies und sprach mit dem Mann in einer Sprache, die sich für Rising Sun sehr fremd anhörte. Der Mann nickte und entfernte sich, ohne sich weiter um den Jungen zu kümmern. Die Frau sprach ihn jetzt direkt an. Rising Sun verstand wieder nichts, aber er war sich sicher, dass die Frau wissen wollte, wie er hieß. Von dem Bruder seines Vaters, dem Anwalt Listiger Fuchs, wusste er, dass sein Name in der Sprache der Bleichgesichter Rising Sun oder Sol Naciente hieß. Er konnte beide Namen fehlerfrei aussprechen.

      Rising Sun nannte beide Namen. Die Frau wiederholte Rising Sun und der Junge nickte. Sie zeigte auf sich und sagte Suzette. Rising Sun wiederholte den Namen so lange, bis die Frau zufrieden nickte. Der Mann kam wieder zurück und hatte ein Tablett in der Hand, auf dem zwei große Gläser standen. Er reichte ein Glas der Frau, das andere dem Jungen und verschwand dann wieder. Rising Sun probierte erst vorsichtig, trank dann das ganze Glas in einem Zug leer, wischte sich anschließend mit dem Handrücken der linken Hand den Mund ab und strahlte Suzette zufrieden an. Sie hatte nur einen kleinen Schluck getrunken und dann das Glas neben sich auf die Erde gestellt. Rising Sun sah hinauf zur Sonne, stand auf, stellte sein Glas neben das der Frau und ging ein paar Schritte in Richtung seines Dorfes, denn er wollte pünktlich zum Essen im Zelt sein. Dann drehte er sich noch einmal um und winkte Suzette zu. Sie winkte zurück. Rising Sun rannte los und schon kurze Zeit später konnte Suzette den Jungen nicht mehr sehen. Da setzte sich ein anderer Mann neben sie.

      „Wer war das denn, Suzette?“

      Suzette drehte sich gedankenverloren zur Seite.

      „Das war Rising Sun. Ich hoffe, er kommt mich noch mal besuchen, denn ich möchte ihn gerne näher kennenlernen. Er gehört bestimmt zu dem Indianerstamm, der hinter dem Kakteenwald wohnt.

      3 Rising Sun

      Häuptling Diogenes hätte es nie für möglich gehalten, dass Bleichgesichter sich freiwillig in dieser menschenfeindlichen Gegend ansiedeln würden. Von seinem Bruder Listiger Fuchs wusste er, dass sich ein gewisser Brian Goodness bewusst für diesen Ort entschieden hatte, weil seine Frau an einer besonderen Art von Immunschwäche litt, und dass die Region, in der der Stamm der Namenlosen lebte, genau die klimatischen Rahmenbedingungen bot, damit die Frau eine faire Chance hatte, ihr Leben zu verlängern. Weiterhin erfuhr er, dass dieser Brian Goodness einer reichen irischen Familie entstammte und bis zu seinem Umzug in die amerikanische Wüste als Dozent an einem bekannten College in Dublin gearbeitet hatte. Diogenes beschloss, erst einmal abzuwarten, was bekanntlich seine große Stärke war.

      Brian hatte seine Frau Suzette während des Studiums in Dublin kennen und lieben gelernt. Die zierliche dunkelhaarige und immer frierende Französin mit den tollen dunklen Augen war ihm auf dem Campus sofort aufgefallen. Und da ihr der große rothaarige Schlacks auch sehr gut gefiel, wurden die beiden bald ein Paar und heirateten, als beide ihr Studium beendet hatten. Da es Suzette in den Wintermonaten in Irland zu kalt war, lebten die beiden in dieser Zeit in ihrer Heimat, der Provence. Suzette konnte keine Kinder bekommen und wurde zusehends depressiv. Hinzu kam eine sich immer mehr verstärkende Immunschwäche. Obwohl Brian die besten Ärzte engagierte, um seiner geliebten Frau zu helfen, verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand immer mehr. Brians Verzweiflung wurde immer größer, und er kapselte sich immer mehr von seinen Freunden und Bekannten ab.

      Eines Abends, als Suzette schon schlief, beschloss Brian spontan, nach langer Zeit mal wieder in seinen alten Lieblingspub zu gehen. Er hatte gerade das erste Pint bestellt, als plötzlich sein alter Freund George neben ihm stand. Die beiden hatten sich eine Ewigkeit nicht mehr gesehen und deshalb viel zu erzählen. Als Arzt interessierte sich der Freund besonders für den gesundheitlichen Zustand von Suzette. Die beiden verließen als Letzte den Pub. Bevor sie sich vor der Tür des Pubs verabschiedeten, lud Brian seinen alten Freund ein, ihn zu besuchen.

      Zwei Wochen später schellte George an der Tür der alten Villa der Goodness Familie, die er noch gut aus seiner Jugend kannte. Ein Mann öffnete die Tür, stellte sich als James vor und bat ihn herein. Brian freute sich, seinen alten Freund wiederzusehen und stellte ihn seiner Frau vor. George hatte in seinem Leben noch nie so schöne und so traurige Augen gesehen. Er verspürte sofort den Wunsch, dieser Frau zu helfen. Der Abend verlief sehr harmonisch. Um zehn verabschiedete sich Suzette und wurde von ihrer engsten Vertrauten Mary, der Frau von James, hinausbegleitet.

      „Ich bin froh, dass ich James und Mary habe. Sie gehören seit über zehn Jahren zur Familie. James war früher Fallschirmspringer bei der englischen Army und Mary arbeitete dort als Krankenschwester. Durch Zufall haben Suzette und ich die beiden kennengelernt. Meine Frau fand die beiden sehr sympathisch und gab keine Ruhe mehr, bis es mir endlich gelungen war, die beiden als Angestellte zu verpflichten. Aber James und Mary sind schon längst keine Angestellten mehr. Sie haben keine Kinder und keine nahen Verwandten und so sind wir ihre Familie geworden, worauf Suzette und ich sehr stolz sind.“

      Als sich George schon an der Haustür von James verabschiedet hatte, blieb der Arzt noch kurz auf der Eingangsstufe stehen.

      „Mir geht die Krankheit deiner Frau nicht aus dem Kopf. Es muss eine Möglichkeit geben, sie zwar nicht vollständig zu heilen, aber doch ihren Gesundheitszustand mindestens zu stabilisieren und die auf ihrer Krankheit basierende Depression abzumildern. Ich habe da vielleicht eine Idee und melde mich in Kürze wieder.“

      „Bei aller Freundschaft, George, bitte mache mir keine falschen Hoffnungen. Ich habe schon alle medizinischen Kapazitäten konsultiert. Wieso solltest gerade du, mein alter Freund, mir und Suzette helfen können?“

      „Vielleicht, weil ich dein alter Freund bin. Vertrau mir einfach, Brian. Ich melde mich in Kürze wieder bei dir.“

      Einen Monat später saßen Brian, Suzette, George, James und Mary in Brians Privatflugzeug und flogen in eine amerikanische Wüstenregion, die für ihre Hitze und Trockenheit berüchtigt war. Von einem Hotel aus fuhren die fünf mit einem Bus hinaus in die Wüste. George hatte vor Fahrtantritt mit dem Fahrer gesprochen, wo die Fahrt hingehen und was er mitnehmen sollte. Am Zielort angekommen, baute der Arzt mit der Unterstützung des Busfahrers und James ein geräumiges Zelt auf. Anschließend wurde das Zelt gemütlich eingerichtet. Suzette verließ den klimatisierten Bus, schloss die Augen und atmete die trockene Wüstenluft ein. Schon nach wenigen Augenblicken spürte sie, dass es ihr besserging. Dieses Gefühl verstärkte sich, als sie sich auf einen bereitstehenden Liegestuhl legte und Mary ihr frisches Obst reichte. Brian bemerkte sofort die positive Veränderung seiner Frau und blickte fragend hinüber zu seinem Freund George, der seine stumme Frage mit einem Lächeln beantwortete. Als Brian und Suzette am Abend alleine in ihrem Hotelzimmer saßen, nahm Brian die Hand seiner Frau, drückte sie leicht und sah seine Frau zärtlich an.

      „Wie fühlst du dich?“

      „Es geht mir so gut wie schon lange nicht mehr, Brian, denn ich kann frei

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