Die Arche der Sonnenkinder. Jörg Müller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Arche der Sonnenkinder - Jörg Müller страница 9
Brian beauftragte einen Makler in den USA damit, das passende Grundstück zu finden und drei Monate später begann der Bau des neuen Zuhauses für Brian, Suzette, James und Mary.
Rising Sun konnte es am nächsten Morgen kaum erwarten, wieder zu dem großen Zelt zu laufen, um die schöne Frau zu besuchen. Als er das Grundstück erreichte, wartete Suzette schon auf ihn und winkte ihm lächelnd zu. Neben ihr stand ein großer, hellhäutiger und sehr schlanker Mann mit vielen kleinen roten Punkten und feuerroten Haaren. Rising Sun musste sich zusammenreißen, um den Mann nicht mit offenem Mund anzustarren. Der Fremde sah ihn freundlich an, kam auf ihn zu, zeigte auf sich und sagte Brian. Dann lud er den Jungen ein, sich zu ihm und seiner Frau an einen Tisch zu setzten. Rising Sun hatte noch nie auf einem Stuhl gesessen und probierte diese neue Sitzgelegenheit erst einmal vorsichtig aus, bevor er sich hinsetzte. Es gab wieder das leckere Getränk, das er schon gestern probieren durfte.
Da sah er, wie sich der Gesichtsausdruck von Suzette von einer auf die andere Sekunde veränderte. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Rising Sun folgte ihrem Blick, konnte aber zuerst nichts entdecken. Da erinnerte er sich daran, wo und wann er schon einmal bei einer Frau einen ähnlichen Gesichtsausdruck gesehen hatte. Es war bei seiner Tante Liebliche Kaktee, die Angst vor allem hatte, was auf der Erde herumkrabbelte. Und sofort entdeckte er den Grund für Suzettes Panik. Eine große Spinne war auf den Tisch gekrabbelt und kletterte an ihrem Glas hoch. Rising Sun sprang auf, nahm die Spinne in die Hand und lief mit ihr Richtung Dorf. Nach zehn Minuten kam er zurück. Suzette war nicht mehr da, aber der Mann, der Brian hieß, schien auf ihn zu warten. Er kam ihm entgegen, ergriff seine Hand und drückte sie ganz fest. Dann dreht er sich um, und verschwand in dem großen Zelt. Nachdenklich ging Rising Sun zurück zu seinem Dorf und beschloss, bei der nächsten Gelegenheit mit seinem Vater über seine Eindrücke der letzten beiden Tage zu sprechen.
Am Abend saßen Vater Diogenes und Sohn Rising Sun nach dem Essen vor ihren Tonnen und warteten darauf, dass die Sonne sich für diesen Tag von ihnen verabschiedete und den vielen Sternen und dem Mond Platz machte. Der Junge rückte näher an seinen Vater heran.
Der Häuptling wartete, ob sein Sohn das Gespräch beginnen würde, aber der machte keine Anstalten.
„Rising Sun, gibt es etwas, über das du mit mir philosophieren möchtest?“
Der Mond schien jetzt sehr hell und die Sterne leuchteten, so dass sich Vater und Sohn gut sehen konnten. Der Junge blickte seinen Vater an.
„Vater Häuptling, ich bin gestern zum ersten Mal zu dem neuen großen Zelt außerhalb des Kakteenwaldes gelaufen und habe dort fremde Menschen gesehen. Diese Menschen haben eine Haut wie weißes Papier und manche von ihnen rote oder gelbe Haare. Besonders beeindruckt hat mich eine schöne Frau. Sie ist sehr schlank, hat dunkle Haare und ihre Augen haben die gleiche Farbe wie unsere. Sie heißt Suzette und ich habe sie heute wieder besucht. Sie hat sich vor einer großen Spinne gefürchtet, die ich sofort wieder zurück in ihr Zuhause gebracht habe. Wahrscheinlich war die Spinne nur neugierig, wie das große Zelt von nahem aussah. Vater Häuptling, gibt es viele Menschen, die anders aussehen als wir, und warum hatte Suzette so eine große Angst vor der Spinne?“
Häuptling Diogenes strich seinem Sohn nachdenklich über das Haar, denn er brauchte Zeit nachzudenken. Nach einer Viertelstunde fühlte sich der Häuptling bereit, seinem Sohn zu antworten:
„Rising Sun, ich möchte mit deiner zweiten Frage beginnen. Es gibt Menschen, die haben vor etwas Angst, ohne dass eine konkrete Gefahr besteht, oder sie nehmen eine Situation als Bedrohung war, die für Dritte nicht als gefährlich zu erkennen ist. Die Folge davon ist, dass diese Menschen dann in Panik geraten und nicht mehr in der Lage sind, ihre Handlungen zu steuern. Das kann sogar soweit führen, dass sie dadurch schwere gesundheitliche Schäden erleiden. Suzette gehört wahrscheinlich zu den Menschen, die Angst vor allem haben, was auf der Erde, an der Wand oder an der Decke herumkrabbelt, besonders vor großen Spinnen, weil sie befürchtet, dass die nur ein Ziel haben: Auf ihre Haut zu krabbeln und sie ernsthaft zu verletzten. Sie weiß leider nicht wie wir beide, dass die Spinnen ganz harmlos und sehr wichtig für das Gleichgewicht auf unserer Erde sind. Und nun zu deiner ersten Frage. Blicke hinauf in den Himmel. Wie viele Sterne siehst du dort? Es sind unendlich viele. Der gute Manitu, unser aller Vater und Beschützer, hat sich diese unendliche Vielfalt zum Vorbild genommen, als er unsere Welt schuf. Und deshalb gibt es unzählig viele unterschiedliche Arten von Lebewesen und Pflanzen, die alle eine bestimmte Aufgabe haben, damit diese Welt so schön wird und bleibt, wie es sich Manitu vorstellt. Bei den Menschen war er sich nicht so ganz sicher, wie sie aussehen sollten. Deshalb hat er ausprobiert, welche Hautfarbe am besten zu welchem Teil der Erde passt. Dort, wo es heiß ist, so wie hier bei uns, haben die Menschen zum Schutz gegen die Sonne eine dunklere Hautfarbe und schwarze Haare.
Es gibt aber auch Gegenden, wo es oft sehr kalt ist. Dort haben sie eine Haut so weiß wie Papier und rote, gelbe oder braune Haare.
Rising Sun dachte über das, was sein Vater gesagt hatte, nach. Die Vorstellung, dass es so viele verschiedene Menschen, Tiere und Pflanzen auf der Welt gab, wie Sterne am Himmel, faszinierte ihn. Sein Respekt vor dem großen Manitu wuchs ins Unermessliche. In diesem Moment wusste er, welche Aufgabe Manitu für ihn vorgesehen hatte. Er sollte möglichst viele Menschen und Tiere auf dieser Welt kennenlernen, um ihnen zu helfen, die Welt in Manitus Sinn zu gestalten. Der Junge verspürte eine tiefe Zufriedenheit und streckte sich neben seinem Vater aus. Dem ging eine Frage nicht aus dem Kopf. Wer war Suzette? Er drehte sich um zu seinem Sohn.
„Rising Sun, morgen kommt mein Bruder Listiger Fuchs zu Besuch. Was hältst du davon, wenn dein Onkel und ich dich morgen zu den Bleichgesichtern begleiten? Ich möchte sie gerne kennenlernen.“
Sein Sohn fand die Idee großartig, ging in seine Tonne und schlief zufrieden ein.
Am nächsten Tag machten sich Häuptling Diogenes, Listiger Fuchs und Rising Sun nach dem Mittagessen auf den Weg zum großen Zelt, um den Bleichgesichtern ihre Aufwartung zu machen. Der Häuptling trug seine Dienstleggins aus feinstem Wildleder, sein Haar schmückte eine große Häuptlingsfeder und seine Füße steckten in kunstvoll bestickten Mokassins. Sein Bruder trug trotz der Hitze einen dunklen Designeranzug, ein weißes Hemd und schwarze Schuhe. Rising Sun war wie immer nur mit einem Lendenschurz bekleidet und lief barfuß.
Als die drei das Grundstück der Goodness betraten, erwartete sie schon ein Empfangskomitee und ein gedeckter Tisch unter einem großen Schirm. Suzette und Brian hatte zwar nicht mit dem Häuptling und dem zweiten Erwachsenen gerechnet, aber da es offensichtlich war, dass auch die beiden erwachsenen Indianer zu dem Jungen gehörten und in friedlicher Absicht kamen, standen sie auf, um ihren Gästen entgegen zu gehen. James und Mary hielten sich im Hintergrund. Brian ging auf Diogenes zu und sagte auf Englisch:
„Mein Name ist Brian Goodness. Herzlich willkommen, Häuptling, ich freue mich, Sie und Ihre Begleiter bei uns begrüßen zu dürfen.“
Häuptling Diogenes verstand Englisch, wenn er es mit seiner Häuptlingswürde vereinbaren wollte und freute sich über den freundlichen Empfang. Aber er hatte nicht vor, sich auf Englisch mit den Fremden zu unterhalten. Listiger Fuchs kannte seinen Bruder und antwortete an dessen Stelle in reinstem Oxfordenglisch:
„Mister Goodness, Häuptling Diogenes bedankt sich für den freundlichen Empfang. Ich möchte mich kurz vorstellen. Meine Stammesbrüder nennen mich Listiger Fuchs und die Bleichgesichter (er überreichte Brian eine elegante Visitenkarte) Sly Fox. Den Sohn des Häuptlings Diogenes Rising Sun kennen Sie bereits. Würden Sie uns jetzt bitte die Ehre erweisen, die Damen und den Herrn in