Schattenchance. Maya Shepherd
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„Du ignorierst meine Befehle!“, fauchte Rhona ungehalten und drehte mir mein Handgelenk herum. Würde sie noch fester drehen, würde sie es mir brechen.
„Was willst du jetzt tun? Mir die Hand brechen? Mein Gedächtnis löschen?“, forderte ich sie frech heraus.
„Verlass dich drauf, beim nächsten Mal mache ich das!“, drohte mir Rhona, ließ mich dann aber schlagartig los. „Verstehst du nicht, dass ich nur versuche, dich zu schützen?“
„Es würde helfen, wenn du mir mitteilen würdest, wovor du mich zu schützen versuchst? Den Fomori? Warum sollten sie eine Gefahr für mich sein? Mit so Typen wie Duke werde ich schon fertig!“
Rhona schüttelte nur den Kopf und vermittelte mir damit den Eindruck, dass ich von nichts eine Ahnung hatte und zu jung und zu dumm war, um es verstehen zu können. „Wir bringen jetzt deine Freundin nach Hause und dann liefere ich dich höchstpersönlich bei Susan ab! Treibt sich Winter etwa auch noch irgendwo hier herum?“
Ich schüttelte energisch den Kopf. „Hältst du mich für so verantwortungslos, dass ich meine kleine Schwester alleine in ein Haus voller Schattenwandler lassen würde?“
Rhona ging nicht darauf ein. Vermutlich hatte ich damit voll ins Schwarze getroffen. „Wo ist sie?“
„Sie wartet im Auto auf mich und wenn wir nicht bald bei ihr auftauchen, wird sie die Polizei rufen.“
„Die Polizei?“, wunderte sie sich. „Was will sie denn mit der?“
Ich lachte über ihre Verblüffung. „Das habe ich sie auch schon gefragt. Sie kapiert nicht, dass die Polizei Schattenwandlern nichts anhaben kann. Wir stehen über allem und jedem!“
„Das glaubst auch nur du“, wies sie mich zurecht. „Du gehst jetzt zu Winter und ich bringe eure Freundin nach nebenan. Dort treffen wir uns!“ Sie sah mich scharf an. „Wage es ja nicht, einen Umweg durch das Anwesen zu nehmen oder ich sorge dafür, dass du dich nicht einmal mehr an deinen eigenen Namen erinnerst!“
Ich nahm ihre Drohung nicht ernst, aber ich schloss nicht aus, dass sie mir eine Lektion erteilen würde, sollte ich mich noch einmal ihrerAnweisung widersetzen, und so folgte ich lieber ihrer Aufforderung.
Winter atmete erleichtert auf, als ich mich direkt neben ihr im Wagen materialisierte. Erleichtert schlang sie mir sogar die Arme um den Hals und klagte: „Du warst verdammt lange weg!“
Seit ein paar Tagen benahm sie sich wirklich seltsam: Irgendwie rührseliger als sonst. Ich hatte sie noch nie verstanden, aber jetzt war sie mir wirklich ein großes Rätsel. Irgendetwas verbarg sie definitiv vor mir.
Gemeinsam fuhren wir zurück zu dem Anwesen der Coopers, wo Dairines Vater ein Nickerchen auf dem Sofa im Wohnzimmer machte. Sein Schnarchen war bis in den ersten Stock zu hören. Rhona erwartete uns mit unserer Freundin bereits in deren Zimmer. Winter ließ sich sofort neben Dairine auf dem Bett nieder und strich ihr behutsam über die Stirn. Ihr war die Sorge ins Gesicht geschrieben und ich ertappte mich dabei wie ich mich fragte, ob Winter genauso fürsorglich reagieren würde, wenn statt ihrer besten Freundin ich dort liegen würde. Auch wenn sie sich in letzter Zeit mir gegenüber anders benahm, so war ich mir sicher, dass sie mich im Grunde genauso wenig leiden konnte wie ich sie. Wir waren zu unterschiedlich, um je Nähe zueinander aufbauen zu können. Sie war die Kluge, ich würde nicht einmal meinen Abschluss schaffen. Sie hatte Freunde, über mich redete jeder schlecht hinter meinem Rücken. Sie machte alles richtig, ich alles falsch. Alles, was uns verband, war unsere gemeinsame Kindheit. Wenn man es genau nahm, waren wir ja nicht einmal richtige Schwestern.
Rhona wollte uns beide nach Hause bringen, doch Winter bestand darauf, bei Dairine zu bleiben, bis diese aufwachen würde. Ich fühlte mich fehl am Platz und so versuchte ich gar nicht erst, mich Rhona zu widersetzen, sondern folgte ihr ohne eine weitere Weigerung. Wir nahmen Winters Triumph Dolomite.
Rhona sagte während der Fahrt kein Wort. Sie hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und schien vor Wut zu kochen. Ihre langen blonden Wellen wehten im Fahrtwind, der durch das heruntergekurbelte Fenster in das Innere strömte. Der letzte Regenschauer war erst vorüber, doch der unverwechselbare Geruch nach Regen hing noch in der Luft. Rhona anzublicken war wie in den Spiegel zu schauen. Wir glichen einander so sehr, dass es mir fast unheimlich war. Bezog sich das wohl nur auf das Äußere?
Irgendwann war das Schweigen so unerträglich, dass ich einfach etwas sagen musste. „Hast du dir Sorgen um mich gemacht?“, platzte es aus mir heraus und ich sah sie beinahe flehentlich an. Ich hasste es, wie verzweifelt ich mich dabei anhörte. Wie ein kleines Kind buhlte ich um ihre Aufmerksamkeit. Auch wenn ich es nicht gern zugab, so war mir doch wichtig, was sie von mir dachte.
Sie fuhr zu mir herum, als hätte ich sie gerade beleidigt. „Natürlich mache ich mir Sorgen um dich“, stieß sie hervor. „Du bist die Tochter meiner Schwester!“
Hätte sie mir eine Ohrfeige verpasst, hätte es weniger wehgetan. „Nein, bin ich nicht. Ich bin deine Tochter!“
Sie sah mich an, als redete ich in einer fremden Sprache, die sie nicht verstand. Dann richtete sie den Blick wieder stur auf die Straße. Ich sah, wie ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, als sie das Lenkrad umklammerte. Auch wenn sie nichts erwiderte, erkannte ich, dass meine Worte etwas bei ihr auslösten. Bereute sie den Tag meiner Geburt? Würde sie es rückgängig machen, wenn sie könnte?
Nachdem Rhona mich zu Hause in die Obhut von Susan begeben und ihr eingeschärft hatte, mich ja nicht wieder aus dem Haus zu lassen, langweilte ich mich. Ich hätte durch die Schatten abhauen können, ohne, dass Susan in der Lage gewesen wäre, es irgendwie zu verhindern. Aber was hätte es mir gebracht, außer weiteren, sinnlosen Diskussionen? Wo hätte ich hingehen sollen?
Sonst, wenn mir die Decke auf den Kopf fiel, suchte ich Lucas auf, aber der war scheinbar immer noch sauer auf mich, denn seit dem Abend im devil’s hell hatte er sich nicht mehr bei mir gemeldet. Sollte er doch! Ich würde seiner bescheuerten Forderung, mich bei Evan zu entschuldigen, garantiert nicht nachkommen, da konnte er machen, was er wollte. Weder von ihm, noch von sonst irgendjemandem ließ ich mir etwas vorschreiben. Ich horchte in mich hinein und versuchte zu ergründen, ob ich ihn vermisste. Wir waren noch nicht lange ein Paar, jedenfalls nicht offiziell, gleichzeitig kam es mir vor, als wären wir nie etwas anderes gewesen. Wir hatten die Phase des Verliebtseins schlichtweg übersprungen. Wir wussten alles voneinander, kannten die Schwächen des anderen und vergaßen dabei manchmal, die Stärken zu schätzen. Er ging mir oft auf die Nerven, genauso wie er immer wieder den Kopf über meine unbedachten Aktionen schüttelte.
Hätte man mich gefragt, warum ich mit ihm zusammen war, wäre meine Antwort gewesen: Weil er es so wollte. Nicht, dass ich ihn nicht gemocht hätte – Ich liebte ihn! Ich wollte mit ihm alt werden. Aber die Betonung lag auf alt. Wenn ich irgendwann alles im Leben erreicht und erlebt hätte, wovon ich träumte, dann sollte er der sichere Hafen sein, an den ich zurückkehrte. Ich konnte mir gut vorstellen, wie wir mit Falten im Gesicht und grauem Haar in den Dünen im Sand sitzen würden und der Sonne beim Sinken zusahen. Lucas würde mich anblicken und für den Moment würde ich alle Leiden, die das Alter so mit sich brachte, vergessen und mich wieder wie das schöne und begehrenswerte Mädchen fühlen, das ich jetzt war. Lucas zeigte mir mit jeder Faser von sich, wie sehr er mich liebte. Ich zweifelte nicht daran, dass er alles für mich tun und mir alles verzeihen würde. Aber genau darin lag das Problem: Ich war mir seiner zu sicher. Er stellte keine Herausforderung dar, sondern war langweilig für mich geworden.
Als