Crystal Fire. Jürgen Ruhr
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Zum ersten Mal allerdings schien nun das Opfer ein Mensch zu sein und der Reporter überschlug sich mit den Worten, wie gefährlich diese Raubtiere doch seien und dass es Zeit wurde, die Wölfe zu jagen und zu töten.
Das Kamerateam schien sehr schnell vor Ort gewesen zu sein, denn im Hintergrund wurde ein Sarg aus einem Haus getragen und in den bereitstehenden Wagen verladen. Dann schwenkte die Kamera wieder zu dem Reporter, neben dem ein Anwohner in Jogginghose und Unterhemd stand. Daniel stellte den Ton lauter, um mitzubekommen, was gesprochen wurde.
„Ihre Nachbarin war eine alte Frau, doch solch einen grausamen Tod hat sie nicht verdient“, gab der Reporter von sich und Daniel schüttelte den Kopf. Was quatschte der Mann da für einen Unsinn? Das Alter der Frau stand doch in keinem Zusammenhang mit der Tat.
Er sah, wie der Nachbar - ein magerer Mann mit einem ungepflegten Haarkranz auf dem Kopf - nickte. „Sie war eine nette, alte Frau“, bestätigte er und sah in die Kamera. „So einen grausamen Tod hat sie nicht verdient“, wiederholte er dann die Worte des Reporters.
„Haben sie denn irgendetwas bemerkt? Oder vielleicht sogar die Wölfe gesehen?“ Der Reporter versuchte seine Worte spannungsgeladen klingen zu lassen.
„Nein, ich habe nichts gesehen. Aber ich stehe ja auch nicht den ganzen Tag draußen vor der Tür. Ich kann nur sagen, dass sie sehr nett war und niemals einem Tier ein Leid angetan hat. Das hat sie nicht verdient! Gestern hat sie sogar eine Katze mit nach Hause gebracht. So etwas macht sie schon mal. Meistens sind das arme kleine Streuner, die ein paar Tage von ihr durchgefüttert werden, bevor sie die Tiere dann ins Tierheim bringt, wo sie es besser haben, als auf der Straße.“ Der Mann überlegte einen Moment und sah wieder in die Kamera. „Gestern das Tier war so eine kleine, heruntergekommene Katze.“
Der Reporter nickte: „Danke für das Interview.“
Bevor die Kamera von den beiden Gesprächspartnern fortschwenkte, meldete sich der Nachbar noch einmal zu Wort: „Darf ich noch jemanden grüßen? Hallo Miench...“
Der Reporter unterbrach ihn: „Und damit gebe ich zurück ins Studio.“
Das Bild zeigte nun den Nachrichtensprecher im lokalen Sendestudio. Er dankte dem Reporter und wechselte das Thema, nachdem er den Zuschauern mitgeteilt hatte, dass sie weiter über das Problem mit den Wölfen berichten würden.
Daniel verringerte die Lautstärke wieder. Plötzlich lief ihm eine Gänsehaut den Rücken herunter. Wölfe, die nie jemand zu Gesicht bekam und die nun sogar in Wohnungen einbrachen und Menschen umbrachten. Eine Vorstellung, die ihm Angst machte. Er würde Fenster und Türen fest geschlossen halten, doch das machte er wegen seiner Katze ja ohnehin schon.
An der Universität steuerte jetzt alles auf die Ferien zu. Die Noten wurden bekanntgegeben und in Vorlesungen Randthemen behandelt. Daniel und Flos Bewertungen lagen durchweg bei eins und sie konnten mit ihren Leistungen zufrieden sein. Flo lief mit einem Dauergrinsen herum und erzählte Daniel bei jeder Gelegenheit, wann und wo er Sylvia mit dem Mazda abholen wollte und dass er plante, einen großzügigen Umweg über die Autobahn zu nehmen, um dem Mädchen mit dem Wagen zu imponieren. Daniel hörte ihm meistens nicht zu, sondern dachte an seine Substanz, die Katze und wie er die Versuchsergebnisse in einem umfassenden Bericht darstellen würde. Er war sich im Klaren darüber, dass er die Katzen als Versuchstiere nicht erwähnen durfte und suchte verzweifelt nach einer passablen Lösung. Schließlich fand er einen Kompromiss: Er würde die Versuche mit Mäusen während der Semesterferien und während er seinen Bericht schrieb, wiederholen und auch per Videoaufzeichnung dokumentieren. Da er die Höhe der Dosis - zumindest bei Katzen - ja schon kannte, dürfte eine Anpassung für die Versuchsmäuse keine Probleme bereiten. Sollte eines der Tiere vorzeitig sterben, dann wollte er die Aufnahmen einfach löschen. Feststand aber, dass das Mittel wirkte, da Tinka ja noch lebte. Die Mäuse könnte er im örtlichen Handel kaufen, so hatte er es ja schon zu Beginn seiner Versuche mit den ersten Tieren gemacht. Und mehr als drei bräuchte er für den Anfang sowieso nicht.
Am Dienstag packte Daniel sein Tablet mit dem Stift in einen großen Rucksack, anstatt in die entsprechende Tasche, die er sonst benutzte. Heute handelte es sich um einen besonderen Tag, denn seit genau zwei Wochen verabreichte er Tinka sein Medikament. Er hatte in der Werbung eines Geschäftes für Tierbedarf ein neuartiges Strategiespiel für Hunde entdeckt, dass dem Tier einiges an logischem Denken abverlangte. Daniel wollte das Spiel nach dem Besuch der Universität kaufen und damit dann einen weiteren Test mit der Katze machen. Nachdem er Tinka in der Küche noch eine Schale mit Futter hingestellt hatte, schulterte er den Rucksack und vergewisserte sich, dass das Tier sich nicht in der Diele befand. Rasch schloss er die Wohnungstür hinter sich, damit die Katze nicht doch noch entwischen konnte. Doch sie ließ sich nicht blicken. ‚Vielleicht nascht sie ja gerade von dem Futter‘, dachte Daniel.
Auf dem Gehweg vor dem Haus wunderte er sich allerdings, dass der Rucksack ungewöhnlich schwer war und stellte ihn auf den Boden. Hatte er ausversehen noch etwas anderes eingepackt, als seinen Tabletcomputer mit dem Stift? Daniel öffnete den Klettverschluss und fuhr erschreckt zurück, als Tinka ihm fauchend entgegensprang. Sie erwischte seinen Handrücken mit den Krallen einer Pfote und rannte in einem Tempo davon, dass er ihr nie zugetraut hätte. Der Student blickte auf die Kratzer und das Blut, dann zog er rasch ein Taschentuch hervor. Er würde die Wunde desinfizieren müssen und auf dem Weg zur Uni in einer Apotheke ein entsprechendes Mittel kaufen.
Daniel ärgerte sich, dass ihm die Katze nun doch noch entwischt war und dass er den Rucksack in der Wohnung nicht noch einmal kontrolliert hatte. Aber es war ja auch nicht damit zur rechnen gewesen, dass das Tier so schlau und berechnend sein würde, um die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen. Ob Flo bereit war, ihm ein neues Versuchstier zu besorgen? Wenn er den MX-5 als Druckmittel benutzte, würde das vielleicht gehen. Er brauchte unbedingt ein weiteres Tier, um die Wirkung einer Überdosis zu erforschen.
Während Daniel zur U-Bahn-Station ging - er benutzte seinen Wagen für Fahrten zur Universität eher selten, da es ständig Parkplatzprobleme gab - überlegte er, seine Bitte an den Freund zunächst doch lieber bis nach den Semesterferien zurückzustellen. Die Versuchsreihe mit dem Tier war ja eigentlich abgeschlossen und weitere Experimente konnte er auch später noch durchführen. Auf jeden Fall würde er sich jetzt das Geld für das Hundespielzeug sparen.
Daniel hielt nach seinem Freund in den Vorlesungen, die er bis zum Mittag besuchte, vergeblich Ausschau. Vermutlich befand der sich wieder bei dem Professor. Erst gegen Mittag trafen sie sich wieder in der Mensa.
Wie immer setzte Flo sich mit einem gutgefüllten Tablet ihm gegenüber. „Hallo Daniel“, grüßte er. „Wie geht es?“
„Gut, ich kann mich nicht beklagen. Wo warst du heute Vormittag? Ich habe dich bei den Vorlesungen vermisst.“
Flo setzte sein Dauergrinsen wieder auf. „Beim Professor. Der spannt mich schon ganz schön ein, kann ich dir sagen. Aber der Job ist super. Und die Vorlesungen sind ja sowieso nur noch Alibiveranstaltungen. Der wirklich wichtige Stoff ist durch und was jetzt so vorgetragen wird, kenne ich ohnehin schon alles. Heute Nachmittag darf ich sogar mit einigen vom fünften Semester zusammen bei einer Obduktion zuschauen. Der Prof will mir dann auch erklären, was ich demnächst zu tun habe.“
Daniel nickte und dachte an Tinka, die er nach ihrem Ableben auch gerne obduziert hätte. Er überlegte kurz, seinem Freund von dem Missgeschick heute Morgen zu berichten, ließ es dann aber. Noch war nicht die Zeit gekommen, nach einem neuen Versuchstier zu fragen.
Flo stopfte das Essen hastig in sich hinein, dann verabschiedete er sich