Vermächtnis der Sünder Trilogie. Angelika Merkel

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Vermächtnis der Sünder Trilogie - Angelika Merkel

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und zog an dem Stück Holz. Ruckartig bewegte sich das offensichtlich in das Gemäuer eingelassene Regal. Gestank von Fäulnis und Verwesung wehte ihr entgegen, als sich ein schmaler Spalt zeigte.

       Von etlichen Spinnengenerationen erzeugte Webkunst versperrte den Zugang, als Celena durch die entstandene Öffnung hindurchschlüpfte. Beherzt griff sie in die klebrigen Spinnennetze und riss den weißgrauen Schleier in Fetzen. Kurz stockte sie in ihrem Tun. Vor ihr wucherten aderartig in grünlicher Farbe leicht pulsierende Ranken über das grob behauene Mauerwerk des hinabführenden Tunnels. Misstrauisch das Geflecht beäugend, folgte sie dem im grünlichen Licht getauchten Korridor. Ein jeder Schritt war mühselig, traten ihre Stiefelsohlen nicht allein auf moosbewachsenen Untergrund. Alle Vorsicht zum Trotz zerplatzten unter ihren Füßen jene kleinen venenartigen Verästelungen, die ebenso den Boden bewuchsen. Mit Widerwillen ging sie den Pfad weiter.

       Mehr als zwanzig Schritte hatte sie absolviert, als Geräusche an ihr Ohr drangen. Sie kamen aus einem in der Nähe liegenden Raum. Celena bereute im selben Moment, da sie einen kurzen Blick hineinwarf, ihrer Neugier nachgegeben zu haben. Zwischen grotesken, widernatürlichen Gebilden wanden sich von Ekstase zuckend und stöhnend von perverser Lust verschlungene menschliche Körper. Übelkeit stieg sogleich in ihr auf. Was dort geschah, entzog sich annähernd beschreibbaren Worten.

       Abrupt kehrte die an vieles gewöhnte Kriegerin dem lüsternen Treiben inmitten von Tod und Verwesung den Rücken zu. Sie erlag dem Kampf mit ihrem Magen, welcher umgehend den morgendlichen Inhalt geräuschvoll hervorwürgte. Ihr Glück, dass die sich windende Masse, der sich in Begierde ergehenden Männern und Frauen, sie nicht bemerkte. Bleich vor Ekel und Entsetzen eilte Celena den Gang hinab. Nur fort von dem miasmatischen Grauen aus Tod und Lüsternheit. Erschüttert, weiterhin vor sich hinwürgend, floh sie den düsteren Korridor entlang. Schließlich stieß sie auf eine eichene Tür, die von Metallbeschlägen verziert war. Außer Atem ertastete Celena einen eisernen Griff. Eine kurze Rechtsdrehung ließ die Tür aufschwingen.

       Von gelben Licht vieler Fackeln erhellt, präsentierte sich ein gigantischer Betraum. Die üblichen Sitzbänke sowie ein steinerner Altar unter dem Abbild Karmastes bildeten das einzige Mobiliar. Aufgeschlagenes Schriftwerk raschelte wie geisterhaft durch den windigen Zug der undichten Mauern.

       So leer das Schöpferhaus auf dem ersten Blick schien, war dem nicht so.

       Vor der Statue der Prophetin kniete eine Gestalt mit fuchsrotem Haar. Ob diese betete oder einer stillen Kontemplation nachging, konnte Celena nicht erkennen.

       Luteks Verhalten hatte bis zum jetzigen Zeitpunkt für sie keinerlei Sinn ergeben. Süßlich bitterer Geschmack, der sie daran erinnerte, weshalb sie hier war, machte sich augenblicklich auf Celenas Zunge bemerkbar.

       »Du hast dir erstaunlich viel Zeit gelassen«, sprach Lutek ohne die Augen von dem plastischen Abbild Karmastes abzuwenden. »Was meint ihr Malaine?«

       »In der Tat«, erwiderte die mit schweren Akzent belegte Stimme der Meisterspionin, welche unerwartet hinter der Kriegerin erscholl.

       »Wir fragten uns schon, wann oder ob ihr auftauchen würdet.« Der Klang in dieser Stimme ließ in Celena unbekannte Furcht aufkommen. Sie fühlte, wie sich ihre Nackenhaare stellten und gewahrte, einen Stich, bevor sie Dunkelheit umfing.

       Geifernder Wahnsinn umwob ihre Gedanken. Irrwitzige Abnormitäten gierten, grölten, schnauften und vergingen sich an unschuldigem Fleisch. Jener Raum, in dem berauschende Gier und schier irres Toben geherrscht hatte, war nur ein Vorgeschmack gewesen. Oder war dies eine Vision abgründigen Schreckens? Die Horde der Brut nahm sich, was sie wollte. Brüllend und von verrottender Lust getrieben. Die Frauen schrien und kaum, dass diese mit ihnen fertig waren, warfen sie ihnen das Fleisch ihrer Männer vor die Füße. Inmitten dieses Wirbels aus fauligem Wahnsinn hockte er nackt und blutbeschmiert, Fleisch aus lebenden Körpern reißend. Celenas Blick begegnend, lachte er voll des verderbten Schwachsinns. Seine Augen funkelten irrsinnig. Gerade da er lachte, trieben sich Luteks Fingernägel in die Haut seines Gesichts. Er riss daran, kratzte und zog sich die eigene Haut ab. Vom Grauen gepackt schrie Celena gellend auf. Zu Sinnen gekommen sah sie Lutek vor sich stehen. Gesund und ohne einen Kratzer. »Malaine übertreibt gerne. Dass was du sahst, war aus deiner eigenen Furcht entsprungen. Im übrigen, sie gab mir, was ich benötigte. Die Antworten, die ich suchte. Ich ging aus einem anderen Grund zu ihr. Nachdem ich jedoch hier war, öffneten ihre Worte mir die Augen«, schulmeisterte Lutek. Mittlerweile hatte er sich vor Celena niedergelassen, die mit Ketten an den Handgelenken am Altar gefesselt war. Malaine war nicht zugegen, einzig Luteks furchtgetrübter Blick gemischt mit dem offenbarten Wissen lag auf ihr. »Karmaste ... sie ist ein Opfer«, fuhr er fort. »Nicht sie hinterging den göttlichen Schöpfer. Er war es. Er tat es allerdings nicht mit Absicht. Als die Magister Nemibistars in sein Reich vordrangen, da war er ebenso vom Gift verderbt worden.« »Das glaubst du nicht ernsthaft«, entfuhr es Celena. »Was ist Glaube?« Celena blinzelte ungläubig darüber. »Warum, Luk?« Dieses Szenario war eine Farce, sinnierte sie. Von Malaine in die Wege geleitet, um sie beide zu entzweien. Ihre gemeinsame Kraft war nur wirksam, waren sie zusammen. Luteks einstige Geliebte hatte kein Interesse, sie zusammenzuführen. Außer … es war ein derart zynisch, hinterhältiger Komplott, der sich nicht gegen Lutek richtete, sondern auf jenes in Stille verharrende Geheimnis, das sie beide teilten. »Ich dachte, du wolltest Malaine zur Rede stellen. Sie hatte ihre eigene Schwester geopfert. Sie hatte dich all die Zeit hintergangen, dich sogar verraten.« Ein Funken Trauer glomm in Luteks Augen auf. Wahrlich kurz war er der, den Celena liebte. Sogleich verwandelte sich der Rothaarige wieder in den Mann, der in den Schoß seiner alten Meisterin zurückgekrochen war. Er rückte näher zu ihr hin und neigte sein Antlitz so nahe, dass sie seinen heißen Atem verspürte. »Manchmal«, hauchte er, »irrt man sich in jemandem. Manchmal!« Er ließ sein rot fuchsenes Haupt hängen und starrte wie abwesend hinab auf ihre Brust. »Dann vertraut man denen, die des Vertrauens nicht würdig sind.« Daraufhin sah er Celena an, die Hand auf einem kleinen Ding, das um seinen Hals hing. »Lass dir alles erzählen. Vielleicht begreifst du es.« In seinen Augen flackerte jene Furcht, die ihr die Luft abzuschneiden drohte. Eine Furcht, nahe dem Irrsinn.

      * * *

      Malaine betrat in Begleitung eines hageren, aber durchaus ansehnlichen Elfs, den Betraum. Auf ihrem Rücken hatte sie eine längliche Tasche hängen. Jede ihrer Bewegungen versprach Verführung.

       Mit ihrer verspielten und zugleich ernsten Stimme verstand sie, mitsamt ihrem Erscheinen einen jeden, um den Finger zu wickeln.

       Angekettet am Altar blickte Celena zu der Herannahenden auf. Diese musterte ihre Gefangene. Nach einer Weile schnippte sie mit den Fingern und Kelthran, offensichtlich nicht mehr als der Stiefelknecht der Frau, schloss die Ketten auf. Langsam die Handgelenke massierend, erhob sich Celena. Feindselig starrte sie Malaine an.

       »Ich sehe keinen Grund …«, begann die Osgosaianerin, »weshalb wir weiterhin Feinde sein sollten.«

       »Ihr benehmt euch gegenüber uns als Feind. Was ist es, was ihr wollt?«

       »Es gibt da etwas, was ich von euch erbitten muss. Gewährt mir dies und alles wird in Ordnung kommen.«

       »Erbitten? Fahrt in die dunklen Tiefen zu den Anderen«, spie Celena ihr entgegen.

       Malaine lachte leise auf. »Genau das ist das Problem. Was in Lutek begonnen hat, das wird unweigerlich zu dem führen, was ihr gesehen habt.«

       »Das war nichts als ein Hirngespinst. Manipuliert! Von euch in mein Kopf injiziert.«

       »Seid ihr euch da sicher? Was wenn euch aufgezeigt werden sollte, was euren Geliebten erwartet. Euren Lutek, unseren Lutek. Wollt ihr dieses Risiko auf euch nehmen? Er ist in sich gegangen und wenn auch mit einigem Zögern stimmte er meiner Bitte zu. Hört mir daher zu, was ich zu sagen habe.«

      

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