Seemannsschicksale 1 – Begegnungen im Seemannsheim. Jürgen Ruszkowski
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Ich kam um die ganze Welt und habe jeden bekannten Hafen gesehen.“ Er fuhr bei der Hamburg-Süd auf einem Levante-Schiff namens „GALATA“, auf der „CAP VERDE“ im Columbus-Dienst Fleisch und Kühlcontainer,
auf der „CAP SAN LORENZO“ nach Südamerika: „Alle sieben Wochen waren wir wieder in Hamburg“. Anderthalb Jahre lang fuhr er in den Jahren 1965/66 auf dem Passagierschiff „SEVEN SEAS“ der Reederei van Ommeren. Von Bremerhaven aus ging es nach Portugal, dann mit Auswanderern nach Australien. Danach wurde das Schiff in Neuseeland gechartert, um darauf Krankenschwestern auszubilden. „Es waren 550 angehende Schwestern an Bord. Wir fuhren auf 3-Wochen-Reisen in der Südsee bis Suma, Samoa und Tahiti. Bei so vielen Frauen an Bord war das Leben für uns anstrengend! In Tahiti mietete ich mir einen Motorroller und fuhr einmal um die schöne Insel mit den hohen Bergen. Im Winter wurde das Schiff von mehreren US-Universitäten für eine Weltreise gechartert.“
Was er sonst noch alles bei der Seefahrt erlebt habe? „Einmal bin ich in Neuseeland achtern rausgesegelt. Ich war damals 2. Steward und hatte beim Landgang verschlafen und mein Schiff verpasst. Vom deutschen Konsulat aus telegraphierte ich an mein Schiff: „Bleibe in Neuseeland, bis Ihr wieder zurück seid“ Ich blieb dreieinhalb Monate bei Bekannten. Es gab, als ich wieder an Bord zurückkam, etwas Ärger, aber bald hat man seitens der Schiffsleitung über den Vorfall hinweggesehen. Für mich war das trotz des anfänglichen Schrecks eine angenehme Unterbrechung. In Australien und Neuseeland bin ich am liebsten an Land gegangen, alleine schon wegen der fehlenden Sprachprobleme. In Australien war ich einmal Zeuge einer Kängurujagd. Wegen der Überpopulation gab es damals für die erlegten Tiere Abschussprämien. Man fuhr mit einem Geländewagen raus, blendete die Kängurus mit den Scheinwerfern und ballerte sie ab. Auf einer Fahrt von Neuseeland zum Panamakanal hatten wir genügend Zeit, und so unternahm unser Kapitän einen Umweg und fuhr mit uns einmal um das berühmte Pitcairn Island, auf dem heute noch Nachfahren der Bounty-Meuterer des Christian Fletcher leben. Diese Insel liegt abseits aller Schifffahrtsrouten. Mehrmals bin ich zwischen den Galapagosinseln hindurchgefahren und habe im Wasser Schildkröten und auch Delphine gesehen. Ich habe an manch interessanten Ausflügen und Besichtigungen teilgenommen: In Japan haben wir die alte Kaiserstadt Kioto besucht und eine Porzellanmanufaktur angeschaut. Die Stadt Bombay mit ihren Sehenswürdigkeiten war zwar interessant, aber ich habe dabei leider auch die Armut der indischen Menschen kennen gelernt. In Kapstadt haben wir bei einem Ausflug auch wildlebende afrikanische Tiere gesehen.“ Einmal fuhr er mit seinem Schiff 250 Meilen den Amazonas hinauf. Man sollte dort Erze laden. „Auf dem Fluss sahen wir Eingeborene paddelnd in ihren Kanus.“ Gerne besuchte er auch die überseeischen Stationen der Deutschen Seemannsmission, so in Douala in Kamerun, in Santos / Brasilien, in New Orleans: „Man holte uns von Bord ab und kümmerte sich bei Hafenaufenthalten recht nett um uns.“
Ob er leidenschaftlicher Seemann sei? „Früher war ich das! Die sechziger Jahre waren die schönsten in der Seefahrt“, meint Dirk. „Damals kamen viele Reeder noch selber aus der Seefahrt. Als dann Anfang der siebziger Jahre die Kaufleute an die Spitze der Reedereien traten und der Container seinen Siegeszug begann, waren nur noch Kommerz und Rentabilität gefragt. Wir verdienten in jenen Jahren schlecht, konnten uns aber die Schiffe und Fahrtgebiete aussuchen. Als wir Seeleute dann unseren Anteil am Verdienst der Schiffe abhaben wollten und die Heuern stiegen, ging es mit der deutschen Seefahrt bergab. Die Hafenliegezeiten sind inzwischen so kurz, dass man nichts mehr von der Welt sieht. Heute bedeutet Seefahrt für mich: harte Arbeit, Hektik, Geld verdienen, ab und zu eine nette Freundin. Ich werfe aber nicht wie manche andere den käuflichen Frauen das sauer verdiente Geld nach.“
Seit 1980 fährt er nicht mehr auf deutschen Schiffen. Als deutscher Steward hat er da keine Chancen mehr. „Über eine schwedische Freundin kam ich an eine schwedische Fährreederei und fahre dort seit Jahren zwischen Göteborg und Kopenhagen, zwischen Hoek van Holland und Harwich, zwischen Aalborg und Southampton. Es ist wie bei der Eisenbahn: immer hin und zurück. Als Kabinensteward verdiene ich zweieinhalbtausend Mark netto im Monat. Damit komme ich auf See klar. Bis ich 55 werde, muss ich ja noch weitermachen. Dann werde ich meine Seemannsrente erhalten.
Aus alter Fischdampfer-Matrosen-Zeit
Klaus Brandenburg wurde am 13.12.41 in Greifswald geboren. Er entstammt einer Bauernfamilie von der Insel Usedom in Pommern. Zusammen mit zwei Brüdern wuchs er in einer geordneten Familie auf. Das spürt man noch heute an seinem offenen und ehrlichen Wesen. Schon als Schüler verschrieb er sich dem Boxsport und hatte schon früh in der Klasse des Fliegengewichts Erfolge. Im Wege der DDR-Sportkader-Förderung wurden ihm alle Wege geöffnet. Neben intensivem Training konnte er eine Ausbildung als Maler und Lackierer absolvieren. Über die Sportförderung warb man ihn als Freiwilligen zur Volksarmee, wo er sich auch weiterhin intensiv seinem Training widmen konnte.
Nach der Armeezeit wurde ihm die Möglichkeit eröffnet, ein Seefahrtbuch für die Kutter-Fischerei zu erhalten, was nicht jedem DDR-Bürger gegeben war. So fing er denn auf einem mit vier Mann besetzten Kutter Fisch in der Ostsee. Bei Schlechtwetter durfte man auch in Häfen des kapitalistischen Auslandes Schutz suchen. Bei entsprechend langer Liegezeit gab es dann sogar die heiß begehrten Devisen, so dass die Kapitäne jede sich bietende Schlechtwetterlage für einen solchen Schutzaufenthalt nutzten. Als eines Tages im Jahre 1964 zum schlechten Wetter noch ein Maschinenschaden kam und man auf Bornholm festmachte, entwendete er sein beim Kapitän unter Verschluss liegendes Seefahrtbuch, ging an Land und bat um Asyl. Allen Versuchen des Kapitäns, ihn wieder an Bord zu schnacken, widerstand er.
Über Kopenhagen und Lübeck kam er in die Bundesrepublik, durchlief das Notaufnahmeverfahren in Gießen und arbeitete einige Monate in Wiesbaden als Lackierer. Dort las er in der BILD-Zeitung eine Anzeige der „Nordsee“ mit dem Motto: „Die letzten Wikinger fahren