Seemannsschicksale 1 – Begegnungen im Seemannsheim. Jürgen Ruszkowski
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„Mitte der 70er Jahre waren wir auf der Fahrt nach Israel im Mittelmeer unweit von Cartagena, als uns in der Maschine eine Treibölleitung brach. Durch einen Turbolader wurde komprimierte Luft in den Zylinder geblasen und dabei auf über 120° C erwärmt. Das Öl aus der gebrochenen Leitung verdunstete und vermischte sich mit der heißen Luft im Maschinenraum. Wir drei Leute der Maschinenbesatzung konnten uns noch rechtzeitig aus der Maschine flüchten, bevor sich der blaue Dunst entzündete. Von Deck aus konnten wir dann durch Fernschaltung die Tanks schließen, die Motoren stoppen, die Türen und Lüftungsklappen des Maschinenraumes hermetisch abriegeln und Kohlensäure (CO2) hineinblasen, so dass die Flammen erstickt wurden. Der aus Aluminium gefertigte Turbolader war geschmolzen und unbrauchbar geworden. Wir konnten jedoch den Hafen von Cartagena mit reduzierter Geschwindigkeit mit eigener Kraft erreichen und dort mit Bordmitteln die aus Hamburg per Luftfracht herbeigebrachten Ersatzteile selber einbauen. Nach drei Tagen war der Schaden behoben.
Auf der „REINBEK“ fuhr Herbert in Charter für die K.N.S.M. siebzehn Monate in die Karibik, nach Mittel- und Nordamerika.
Als „Zweiter“ arbeitete er auf einem britischen Schiff, der „ALVA CAPE“ und umrundete in neun Monaten einmal die Erde: Rotterdam - Texas - zurück über den Atlantik und durch den Suezkanal nach Persien, Indien, Singapur, US-Westküste: Seattle, San Francisco - Panama - Texas.
Bei „Hörnchen“, der kleinen Hornlinie, machte Herbert eine Reise auf einem Kühlschiff: Auf der Elbe wurde bei Stadersand Dynamit geladen. Das war gefährliche, aber gut bezahlte Ladung. Es durfte nur in vorgeschriebenen Räumen geraucht werden. Ein Teil davon wurde auf den Azoren bei der US-Army gelöscht. „Die machten hohe Sicherheitsauflagen. Man durfte kein Eisen unter den Schuhen tragen: Es könnte zum Funkenschlag kommen. Als wir in Libyen und in Djibouti im Golf von Aden den Rest löschten, kümmerte sich niemand um Sicherheit: Die Kisten wurden geworfen. Es passierte aber auch nichts. Mit leerem Schiff ging es nach Freetown in Sierra Leone, wo wir auf Reede von japanischen Fischdampfern vorgefrorenen Thunfisch übernahmen, der bei uns an Bord tiefgefroren und nach Venedig gebracht wurde. In Freetown gerieten wir gerade in die Unabhängigkeitsfeiern. Das Freibier floss in Strömen, und besonders die Norweger deckten sich reichlich damit ein. In Tunesien luden wir Zitronen für Odessa. Dort kam der russische Lotse total voll Wodka an Bord, und wir landeten an einem völlig falschen Liegeplatz. Im Schwarzen Meer liefen wir dann Constanza in Rumänien an, um Rinderhälften für Lissabon zu übernehmen. Portugiesische Häfen waren damals bei uns Seeleuten sehr beliebt: Die Kneipen waren gemütlich und die Frauen schön. So kamen wir alle reichlich spät an Bord zurück. Der Alte sagte zunächst gar nichts. Auf See ließ er dann jeden einzeln antanzen und fragte ganz ruhig, was man sich denn dabei gedacht habe. Dann brachte er uns dazu, dass wir freiwillig eine Geldbuße von 15 $ in das Schiffchen der DGzRS spendeten. Solche Vorgesetzten fand man nicht jeden Tag.“
Zwischendurch arbeitete Herbert ein Jahr lang an Land bei M.A.N. Als er kündigte, um wieder zur See zu fahren, äußerte sein Chef: „Das habe ich geahnt, es ist immer dasselbe: Seeleute sollte man gar nicht erst einstellen, die hauen doch alle wieder ab.“
Von 1963 bis 1993 fuhr Herbert dreißig Jahre lang faktisch bei einer Reederei, dem Schifffahrtskontor Oste, in das sein Reeder Martens 1968 als einer der Teilhaber einstieg und einem Nachfolger, Paul Lanker, der ein Schiff, die „SVEALAND“, ex „ULA“, ex „OSTE-CLIPPER“ aus der Konkursmasse übernahm, als das SK Oste 1986 pleite ging. In dieser Zeit fuhr Herbert hauptsächlich in der Holzfahrt im Nord-Ostsee-Bereich und in der Israel-Mittelmeer-Fahrt. Oder es ging in den 1960er Jahren an der norwegischen Küste entlang nordostwärts - hin meistens leer oder mit Schüttgut für einen norwegischen Hafen - nach Archangelsk, von dort mit einer Ladung Bauholz wieder nach Mitteleuropa.
„Die Zeiten sind auf See hart geworden! In den letzten Jahrzehnten wurde die Seefahrt zur Routine, in den letzten Jahren zum Kampf ums Überleben.“ Im Frühjahr 1993 verpasste er seinen Dampfer und bekam einen Sack. Seither wohnt er in Hamburg im Seemannsheim am Krayenkamp. „Einmal habe ich vor Jahren im deutschen Seemannsheim in Rotterdam übernachtet, als ich einige Tage auf mein Schiff warten musste. Von Bord aus war ich in Skandinavien und Übersee mehrfach in Seemannsclubs. In Bombay konnte man im britischen Seemannsheim wunderbare Steaks mit Spiegelei obendrauf bekommen. Ich erinnere mich auch, dass wir von dort aus in ein Schwimmbad gingen, das mit der Inschrift versehen war: „Nur für Weiße“. Ein holländischer Kollege hatte eine indonesische Mutter und war etwas dunkelhäutig. Den wollte man nicht hineinlassen. Das war denn sehr peinlich!“
Herbert hatte immer lange Fahrzeiten. Nie war er in seiner 38jährigen Seefahrtzeit arbeitslos gewesen. Erstmals musste er Arbeitslosengeld beantragen und bekam natürlich wegen eigenen Verschuldens eine zwölfwöchige Sperre. Jetzt bangte er, ob es ihm überhaupt noch einmal gelingen wird, wieder ein Schiff zu bekommen oder ob er, wie viele andere Kollegen, zum alten Eisen gehören würde.
Lange Zeit wohnte Herbert Heins noch im Seemannsheim. Dann sah er ein, dass es keine Chancen mehr für ihn gab und er mietete sich in Hafennähe eine Wohnung. Gerne sitzt er zusammen mit Kollegen bei gutem Wetter an den Landungsbrücken auf einer Bank und schaut dem Treiben im Hafen zu. – Herbert Heins ist einige Jahre nach dem Interview verstorben.
Matrose Fiete aus Bremerhaven
Friedrich Erdmann ist die Verkörperung eines Seemannes alten Schlages wie aus dem Bilderbuch: ein strammer Bursche mit stets freundlich verschmitztem, etwas schlitzohrigem Lächeln unter dem inzwischen grau werdenden Bart. Er stammt von der Küste und wurde im September 1941 in Lehe bei Bremerhaven geboren. Nach dem Besuch der neunklassigen Volksschule fing er mit 14 Jahren als Decksjunge auf dem Fischdampfer „FRIEDRICH BUSSE“ der gleichnamigen Bremerhavener Reederei mit der Seefahrt an. „Auf dem alten Kohlensteamer schliefen wir damals mit zwölf Mann in einem Logis vor dem Mast. In unserer Unterkunft stand zum Heizen noch eine „Brennhexe“. Ich hatte als Jüngster für alle von achtern das Essen zu holen. Insgesamt waren wir 22 Mann an Bord. Auf diesem Schiff war ich sogar mehrere Male. Wir fuhren damals „auf Salzen“, blieben in der Regel 130 bis 140 Tage draußen und brachten den vor Labrador, Grönland und Neufundland gefangenen Salzkabeljau meistens nach Portugal, Italien oder Frankreich. Leichtmatrose und später Matrose wurde ich nicht nach Ablauf von bestimmten Fristen, sondern nach Leistung, wir mussten Mindestkenntnisse im Schlachten, Spleißen und Netzflicken vorweisen können. Man konnte dann zum Netzmacher oder Bestmann aufsteigen. Mitte bis Ende der 50er Jahre fuhren auf den Bremerhavener Fischdampfern nur deutsche Seeleute. Später kamen Männer von den Faröern und aus Portugal hinzu. Auf den Seitenfängern holten wir dann auf 60- bis 70-Tage-Reisen zunächst etwa 150 Tonnen Frostfisch und am Ende der Reise 4.000 Korb Frischfisch. Auf den Vollfrostern, auf denen 40 bis 50 Mann Besatzung fuhren, brachten wir 1.000 Tonnen Gefrierfisch nach Hause.“
„Ein besonderes Erlebnis aus den 1970er Jahren ist mir noch in trauriger Erinnerung: Wir fischten vor Island und hatten einen schweren Neujahrssturm mit Stärke 12 abgeritten, als wir in drei Meilen Entfernung ein Schiff beobachteten, das am laufenden Band Leuchtraketen abfeuerte. Erst dachten wir, die würden immer noch Sylvester feiern, bis sie dann auch noch Rauchsignale gaben. Als wir uns ihrem Schiff näherten, es war die „TEUTONIA“ aus Cuxhaven, sahen wir, dass die Brücke total eingedrückt und zerstört war. Sie hatten in flachem Wasser gelegen, wo die See bei dem Wetter besonders hoch ging, und wollten mit voller Kraft in tiefere See dampfen. Dabei hatten die schweren Brecher ihr Schiff total demoliert. Der 1. Offizier,