Seemannsschicksale 1 – Begegnungen im Seemannsheim. Jürgen Ruszkowski

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Seemannsschicksale 1 – Begegnungen im Seemannsheim - Jürgen Ruszkowski

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sofort ein Assischein ausgestellt wurde. Um zur Schule gehen zu können, musste er zwölf Monate Fahrzeit auf einem Motorschiff und 12 Monate auf einem Dampfer als Maschinenassistent nachweisen. „Ich habe dann die Reedereien abgeklappert, aber es war sehr schwierig, bei namhaften Reedereien als unbefahrener Assi einen Job zu bekommen. Über das Arbeitsamt in der Admiralitätsstraße gelang es mir dann, eine Stelle auf einem Schiff der Reederei Becker, Thode & Ahrens zu finden.“ Im August 1954 ging er an Bord seines ersten Schiffes: Die „HARALD BECKER“ hatte 1.200 BRT und war als Dreiwachenschiff mit 16 Mann besetzt. Es verkehrte zwischen Skandinavien und der iberischen Halbinsel. Von Schweden brachte man Getreide nach Spanien („irgendein dubioses Dreiecksgeschäft“) und von dort Eisenerz nach Wismar. „In der Maschine waren wir sechs Mann. Obwohl ich doch über einige Jahre Berufserfahrung verfügte, wurde ich als Maschinenassistent wie der jüngste Lehrling behandelt. Man kam sich ganz schön unterdrückt vor. Nach drei Monaten hatte ich die Nase voll und haute ab. Am liebsten hätte ich die Seefahrt wieder an den Nagel gehängt, entschloss mich dann aber, es noch einmal mit einem neuen Dampfer zu probieren. Das Arbeitsamt vermittelte mir das Zweischraubentankschiff „MARIA WEITERT“, ebenfalls ein Dreiwachenschiff mit 16 Mann Besatzung. Wir transportierten Chemikalien und andere Flüssigprodukte zwischen Europa und dem Golf von Mexiko.“ Auf seinem zweiten Schiff gefiel es ihm bedeutend besser. Der Umgangston unter den Kollegen in der Maschine war wesentlich angenehmer: Er fühlte sich als gleichberechtigter Mitarbeiter und blieb neun Monate an Bord. „Die ganz große Meinung zur Seefahrt hatte ich aber noch nicht. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal 38 Jahre lang zur See fahren würde.“ Dennoch ging er ein drittes Mal zum Arbeitsamt, um sich ein Schiff vermitteln zu lassen. Zum Besuch der Ingenieurschule musste er 12 Monate Fahrzeit auf einem Motorschiff nachweisen. Die hatte er hinter sich. Weitere 12 Monate waren auf einem dampfgetriebenen Schiff zu absolvieren. Man bot ihm einen Jahresvertrag auf einem Dampfturbinentankschiff an, das noch in Japan als Neubau in der Werft lag. „Als ich Japan hörte, war ich Feuer und Flamme. Das unter Liberiaflagge fahrende Schiff, die „WORLD JUSTICE“ gehörte dem griechischen Reeder Niarchos und hatte ausschließlich deutsche Besatzung. Wir bekamen deutsche Heuer plus 25 %. Mit dem Schiff fuhren wir von Japan aus über Indien in den Persischen Golf und dann mit einer Ladung Erdöl nach Rotterdam. Zunächst kam ein Garantieingenieur der japanischen Werft mit, bis die Kinderkrankheiten auf dem Neubau ausgemerzt waren.“

      Nachdem das zweite Assijahr ausgefahren war, meldete Herbert sich zum Besuch der Ingenieurschule in Hamburg am Berliner Tor an und bestand nach zwei Semestern die Prüfung für das C4-Patent. Damals durfte man damit Maschinen bis zu 3.000 PS als Leitender Maschinist fahren.

      „In den 1950er und 60er Jahren wurde unter den Seeleuten noch viel getrunken. Wir waren jung und Hans Dampf in allen Gassen und haben manche Nacht durchgezecht. Da musste ich dann aufpassen, dass ich morgens in der Schule nicht einpennte.“

      Nach dem Schulbesuch schloss Herbert 1957 noch einmal einen Jahresvertrag für den Reeder Niarchos ab und musterte auf dem Schwesterschiff „WORLD JURY“ als 3. Maschinist an. Auch mit diesem Schiff wurde Erdöl aus dem Persischen Golf nach Rotterdam, Le Havre oder Port de Bouc bei Marseille gebracht. Eine Reise von Rotterdam in den Golf und zurück dauerte vier Wochen. Nach dem Krieg zwischen Israel und Ägypten lief das Schiff im Golf von Suez auf eine Mine. „Der Dampfer wurde ganz schön durchgeschüttelt. Er hatte vorn in der Mitte ein 4 x 8 Meter großes Loch im Boden. Vom Tank 2 flog der Tankdeckel hoch mitsamt 6.000 Tonnen Öl. Zum Brand kam es nicht: Die Flammen wurden sofort erstickt. Da Öl jedoch Auftrieb hat, lief kaum etwas nach unten ins Wasser aus und wir setzten die Fahrt, eine geringe Ölspur hinterlassend, bis nach Rotterdam fort, wo das Schiff nach dem Löschen repariert wurde. Damals gab es noch kein so ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Heute wäre so etwas kaum vorstellbar.“

      „Nach diesen beiden Tankern wollte ich mal einen Frachter sehen und bekam bei der Reederei Knöhr & Burchard als „Dritter“ mit der „RODENBEK“ einen Stückgutfrachter. Ich war zwei Tage im Hamburger Hafen an Bord, da fragte mich der Inspektor, ob ich nicht lieber als „Zweiter“ auf die „ISEBEK“, die in Genua lag, gehen wolle. Kurz entschlossen setzte ich mich auf die Bahn und fuhr nach Italien. Dort angekommen, war ich total enttäuscht. Ich hatte nicht gewusst, dass die ISEBEK ein Tanker war. Nach drei Monaten habe ich dann um Versetzung gebeten und fuhr wieder als „Dritter“ auf der „SCHÜRBEK“, die in Charter für die Holland-West-Afrika-Linien mit Wein, Bier, Autos, Stoffen und anderem Stückgut nach Freetown und Douala verkehrte. Dann ging ich als Bauaufsicht auf die „LASBEK“, die in Lübeck gebaut worden war und bei Stülcken in Hamburg die Restausrüstung bekam. Mehrfach war ich noch als Werftbesatzung eingesetzt, so auf der „MICHAEL M.“ und auf der „DALBEK“. Zwischendurch gab es Hafenablösedienst: Während der Hafenliegezeiten wurden die fahrenden Besatzungen ersetzt. Das waren noch herrliche Zeiten; da machte Seefahrt noch Spaß. Wir liebten Wein, Weib und Gesang. Überhaupt waren die frühen Jahre in der Seefahrt die schönsten. Die Liegezeiten von mehreren Tagen machten noch Landgang möglich. In arabischen Häfen, etwa in Djidda, wurde der Alkohol im Hafen sogar an Bord verboten und im Zollspind verschlossen. Wenn wir auf Reede lagen, um tagelang auf die noch nicht freie Pier zu warten, veranstalteten wir Bordpartys auf dem Achterdeck. Alles wurde mit Signalflaggen, Lampions und Girlanden geschmückt, wir zogen uns fein an, grillten und tranken einen guten Tropfen. Man sah noch etwas von der Welt. In jungen Jahren waren die Eindrücke noch überwältigend: die fremden Menschen, die Märkte, die Landschaften, die Cafés und Bars. Die exotischen Strände waren nicht wie heute mit Touristen übervölkert und gehörten weithin uns Seeleuten.“

      Beeindruckend fand Herbert vor allem die Naturerlebnisse an Bord. Bei der Linienfahrt nach Rotsee und Persergolf kam er oft durch den Suezkanal und erlebte dort mehrfach Sandstürme. „Da auf den meisten Strecken des Suezkanals Einbahnverkehr herrscht, fahren die Schiffe bis zum Bittersee und danach wieder im Konvoi. Die Kanaldurchfahrt dauert in der Regel 16 Stunden. Durch erfahrene Kapitäne oder Kanallotsen ist man je nach Windverhältnissen meistens vorgewarnt und macht irgendwo an Kanalpollern fest oder geht im Bittersee vor Anker, bevor der Sandsturm einsetzt, denn man hat keine Sicht mehr, auch Radar ist dann außer Gefecht. So ein Sturm kann bis zu 12 Stunden dauern. Der feine gelbe Staub dringt durch alle Ritzen. Türen und Fenster werden fest verschlossen, aber die Maschinen müssen weiterlaufen und brauchen bei Betrieb Frischluft, so dass auch der Maschinenraum mit einer gelben Schicht bedeckt wird. In der Regel herrscht bei solchen Stürmen eine Temperatur von 50° C im Schatten, aber die Wohnraumlüfter müssen abgestellt bleiben!“

      Gerne denkt Herbert auch an die Nordlandfahrten zurück, als er auf Linie nach Island und Norwegen unterwegs war. Stundenlang konnte er, in seinen warmen Parka gehüllt, an Deck auf einem Stuhl sitzen und im September oder Oktober abends das Wunder des Nordlichts bestaunen: Grüne Lichttürme bauen sich auf, werden immer größer, immer höher, gehen in gelb und rot über, werden dann ganz hell und brechen plötzlich in sich zusammen, um sich dann wieder neu aufzubauen. „Da konnte ich bis in die Nacht hinein sitzen und zusehen. - Oder wenn ich an die Mittsommernächte am Nordkap denke: Die rote Sonne stand nachts kurz über den Bergen und spiegelte sich glutrot in den Gletschern. Da mochte man gar nicht schlafen gehen. Die norwegischen Fischer winkten uns mit Fischen in der Hand zu und gaben dadurch zu verstehen, dass sie mit uns tauschen wollten: eine Wanne Fisch gegen eine oder zwei Flaschen Schnaps. Sie kamen dann mit ihrem Kutter längsseits. Wir warfen ihnen eine Schmeißleine zu und zogen daran den Fisch an Deck. Am selben Abend noch gab es dann frischen Bratfisch.“

      Herbert erinnert sich auch gerne an die Ausflüge auf Island: Mit einem gemieteten Landrover fuhren sie ins Landesinnere, wo man auch im Winter in den heißen Quellen, den Geysiren, baden konnte. Ob er denn auch auf Islandponys geritten sei? „Nein, aber wir haben einmal welche an Deck in abgepolsterten Containerboxen nach Norwegen transportiert. Der Bootsmann musste sie mehrmals am Tag füttern. Sie waren bei schlechtem Wetter recht nervös, fraßen aber trotzdem, woraus ich schließe, dass sie nicht seekrank waren.“ Als er aus Neufundland Fischöl für einen US-Hafen holte, sah er mehrfach Eisberge aus nächster Nähe: In 500 Metern Entfernung ragten sie 100 bis 300 m aus dem Wasser auf. Da man in der Maschine regelmäßig alle 15 Minuten die Seewassertemperatur

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