Seemannsschicksale 1 – Begegnungen im Seemannsheim. Jürgen Ruszkowski
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In den Jahren 1959/60 fuhr ich 13 Monate an einem Stück mit 15 Mann Besatzung auf dem damals größten deutschen Handelsschiff, dem 33.000-Tonnen-Tanker „BERGELAND“. Der Kasten hatte noch keine Klimaanlage. Was das bei Fahrten via Suezkanal in den Persischen Golf bedeutete, weiß nur, wer das selber erlebt hat! Wir fuhren mit dem Schiff aber auch zwischen den USA und Kolumbien hin und her. Der Ladungshafen hieß Covenas. Es war allerdings gar kein richtiger Hafen. Wir lagen immer auf Reede vor Anker. Zum Laden wurde eine Pipeline aus dem Wasser gehievt, an unsere Rohre angeschlossen und dann wurde das Rohöl in unsere Tanks gepumpt. Das benötigte zu unserem Glück viel Zeit, und so kamen wir abends auf jeden Fall zum Landgang.
Der Kapitän bestellte eine Barkasse, mit der wir an Land fuhren. Dort wartete bereits ein Trupp von Pferden auf uns, die uns auf Trampelpfaden durch den Busch ins nächste Dorf brachten, wo bereits viele junge Frauen auf uns warteten. In einem Hof waren Bänke und Stühle aufgestellt, darüber leuchteten bunte Glühbirnen. Aus einem Grammophon ertönte südamerikanische Musik. Ringsherum waren viele kleine Räumlichkeiten, wohin man ab und zu mit seiner "Schönen" verschwinden konnte! Wir mussten leider immer um Mitternacht zurück an Bord. Man kann sich vorstellen, wie sich der Heimritt durch stockdunkle Nacht in mehr oder weniger angetrunkenem Zustand auf den Gäulen gestaltete. Zum Glück kannten die Pferde den Weg besser als wir und brachten uns sicher ans Ziel. Es waren auch immer einheimische Organisatoren dabei. Gerade in Mittel- und Südamerika konnte man ähnliche Begebenheiten erleben.
In Emden wurden wir abgelöst und fuhren mit dem Bus nach Hamburg, wo wir nachts ankamen. Unser "Leithammel" meinte, jetzt habe es noch keinen Zweck, sich ein Zimmer im Seemannsheim zu besorgen. Also fuhren wir zur Reeperbahn. Dort sind wir dann in einer Kneipe bei hübschen Mädchen hängen geblieben. In den Jahren 1957 bis 1960 schwirrten in St. Pauli sehr viele Mädchen herum, die von zu Hause oder aus Erziehungsheimen weggelaufen waren. Man konnte mit diesen Mädchen einen ganzen Urlaub verbringen oder, wenn ich gewollt hätte, auch leicht eine Frau zum heiraten finden, aber das nur, wenn Schröder nicht Schröder gewesen wäre. Mit 21 Jahren dachte ich noch nicht, wie andere meiner Altersgenossen damals, ans Heiraten.
In den 1960er und 70er Jahren verbrachte ich meinen sogenannten "Urlaub" nach dem Abmustern fast immer in Hamburg auf St. Pauli. Ich war bei weitem nicht der einzige Seemann, der das tat. Nicht umsonst gab es auf der Reeperbahn und den Nebenstraßen so viele Seemannskneipen, die man auch als Nuttenkneipen bezeichnen könnte. Heute hat sich das gewandelt. Die Frauen stehen jetzt entweder auf der Straße oder sitzen im Bordell. Wenn der Seemann auf dem "Kietz" sein Geld einigermaßen einteilte, konnte er dort längere Zeit seinen "Urlaub" verleben. Viele Kollegen wohnten nicht in den Seemannsheimen, sondern in den Absteigen. Das sind kleine Hotels auf dem Kietz. Man lernte dort an der Bar schnell eine junge Frau kennen, die froh war, zu fortgeschrittener Stunde einen Mann zu finden, der gleich im Hause ein Zimmer hatte. Mancher Seemann hatte auf St. Pauli eine feste "Freundin", die nach seiner Abmusterung nur für ihn da war. Es gab auch "Bräute", die fuhren ihrem Seemann nach, wenn das Schiff statt nach Hamburg, nach Bremen, Emden oder Rotterdam kam.
Wir fuhren in Charter für die Ost-Afrika-Linie. Der erste Hafen lag meistens in Süd-West-Afrika. Es folgten dann fast alle Häfen längs der Küsten von Süd- und Ost-Afrika. Zurück ging es durch den Suezkanal und das Mittelmeer. Besonders begehrt war bei den Leuten Laurenco Marques in Mocambique (damals noch portugiesische Kolonie). Anfang 1964 kamen wir von großer Fahrt zurück und ich ging mit zwei Kumpels, die ihre "Bräute" in der "Dakota-Bar" hatten. Diese Bräute waren auch gerade anwesend, was nicht immer auf Anhieb der Fall war. Nach einem Begrüßungs-Umtrunk ging es dann ab an Bord, denn morgens begann wieder ein harter Arbeitstag. Wir wollten aber vorher noch den "Hormonspiegel" abbauen. Die Liegezeiten waren damals noch erheblich länger als heute, denn es gab noch keine oder noch ganz wenige Container. Nach einigen Tagen hatten wir natürlich wieder Lust, an Land zu gehen, um einen zu trinken. Die Frauen hatten aber keinen Bock darauf und sagten, wir sollten alleine gehen, denn sie wollten sich mal wieder richtig erholen. Was gibt es schöneres für einen in seiner Hafenkneipe sitzenden Seemann, wenn er weiß, dass er an Bord gleich zu seiner Braut in seine warme Koje kriechen kann. Zu dumm nur, dass der Boss der Kneipe damit gar nicht einverstanden war, dass seine drei Starfrauen nicht bei uns waren, denn diese sehr gut aussehenden "Damen" waren bei sehr vielen Seeleuten und auch bei Landratten gut bekannt. Die Kundschaft vermisste sie und ging ein Haus weiter. Man braucht gar nicht denken, dass schon alle Leute mit diesen Puppen zusammen in der Koje waren, nein, es waren einfach gute Bekannte. Es kam auch vor, was auch ich zum Glück mehrmals erlebt habe, dass, wenn man einmal schlecht bei Kasse war und noch kein neues Schiff hatte, eben diese Frauen einem mit etwas Geld aushalfen. Später wurde es selbstverständlich zurückgezahlt. Das kam, nebenbei bemerkt, sehr oft in den Häfen der Länder vor, die wir zur "dritten Welt" zählen.
Einmal besuchte ich eine Bekannte, die in einem Striplokal an der Bar arbeitete. Das Lokal machte am frühen Morgen dicht. Ich war todmüde, hatte aber noch keine Bleibe. Da sagte meine Bekannte: "Du kannst bei meiner Freundin, der Stripperin, in deren Wohnung übernachten, aber lass sie in Ruhe, sonst schmeißt sie dich gleich raus!" Man stelle sich mal vor: Du hast nach monatelanger Seefahrt eine junge Frau die ganze Nacht splitternackt tanzen gesehen, bist bei ihr zu Hause und nichts...!
Bei fast allen Seeleuten waren die Reisen zu den Karibischen Inseln und Westindien sowie Mittelamerika am beliebtesten. Auf der Hitliste standen Trinidad, Barbados, Dominikanische Republik mit Santo Domingo, Jamaika und vor Fidel Castros Ära natürlich Kuba! Auf der mittelamerikanischen Landbrücke waren alle Länder gefragt: Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala. In den 1960er und 70er Jahren war das Leben dort noch spottbillig. Was konnte man da noch für 10 bis 20 Dollar bekommen?! Man hatte in diesen Ländern nie das Gefühl, mit einer Prostituierten zu gehen. Das zählt auch für Mexiko und die südamerikanischen Länder, ebenso für Südostasien. Die "Damen" sind dort besonders temperamentvoll. Fast immer war bei den Frauen eine gewisse Sympathie uns Seeleuten gegenüber im Spiel. Das Geld, das sie von uns erhielten, spielte nicht die Hauptrolle. Oft entwickelte sich aus den flüchtigen