Seemannsschicksale 1 – Begegnungen im Seemannsheim. Jürgen Ruszkowski
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Als 1979/80 die Isländer, Kanadier und Norweger ihre Hoheitsgewässer auf 200 Seemeilen ausweiteten und daraufhin die deutsche Hochseefischerei kaputtging, fing Fiete bei der Bremer Reederei DDG Hansa auf einem Versorger an. Zunächst war er ein Jahr lang bei Aberdeen in der schottischen Nordsee eingesetzt. Bei jedem Wind und Wetter ging es mit Proviant, Trinkwasser, Zement und Ersatzteilen für die Bohrinseln hinaus: „Das war mitunter noch viel schlimmer, als bei der Fischerei!“ Danach war er - wieder auf einem Versorgungsschiff - in Singapur stationiert. „Wir brauchten immer sieben bis acht Stunden bis zur Bohrinsel.“
Anschließend war Fiete - immer noch bei der Hansa - auf Schwergutfrachtern tätig. Man brachte Collis mit verschiedener Fracht, Eisen, Kraftfahrzeuge, schwere Trecker, Lokomotiven, Boote und Fährschiffe an Deck und unter Deck nach Persien, Jordanien, Saudi-Arabien. „Wir haben alle Rote-See- und Golfstaaten abgeklappert. Mit unserem eigenen schweren Jumbogeschirr konnten wir bis zu 500 Tonnen hieven.“ Als die Hansa nach der schiitisch-islamischen Mullah-Revolution pleite ging, fuhr Fiete bei Rickmers knapp drei Jahre lang auf Ostasienkurs. Von Bremerhaven über Rotterdam, Antwerpen, England, durch den Suezkanal ging es mit der „BERTRAM RICKMERS“ und später mit der „RENEE RICKMERS“ und „MAI RICKMERS“ nach Singapur, Hongkong, Schanghai und Pusan in Korea. „Das war eine schöne Zeit. Wir hatten in einigen Häfen längere Liegezeiten. Singapur kannte ich ja schon von meinem Versorger-Einsatz her. Dort hatte ich noch alte Freunde. Man kann da sehr gut essen gehen und einkaufen. Ich ließ mir beim chinesischen Schneider Hosen anfertigen, die ich heute noch trage: morgens bestellt, abends abgeholt. Es gibt in Singapur sehr viel Sehenswertes. Man kann sich gar nicht satt sehen: Der große Botanische Garten ist sehr schön. Wir machten mit Booten herrliche Besichtigungsfahrten. In Hongkong lagen wir oft zwei Wochen und in Schanghai bis zu drei Monaten. Die Chinesen organisierten für uns Ausflugsfahrten per Auto nach Peking und an die große chinesische Mauer. Unterwegs übernachteten wir im Hotel.“
„Nach einer Reise wollte ich im Reedereibüro in Hamburg meine Heuer abholen. Die Bürodame: „Wie viel denn?“ „Na geben Sie mal 10 Mille!“ „Oh Fiete, ist das nicht 'n bisschen zu viel, Du gehst doch heute bestimmt noch übern Kietz?“ „Na denn man 3.000,- !“ Die hab ich dann tatsächlich an einem Abend verballert. Als ich am nächsten Morgen mein restliches Geld holte, fragte sie mich: „Na Fiete, wie viel hast du denn gestern verpulvert?“ Vorsichtig log ich: „Dreihundert.“ „Sooo viel? Das schöne Geld! So viel an einem Abend?“ Schmunzelnd zog ich von dannen und war froh, dass sie mir nur 3.000 Mark gegeben hatte.“
Die Chancen, auf deutschen Schiffen einen Job zu bekommen, meint er, werden immer schlechter: „Als ich in der Heuerabteilung einer Bremer Reederei fragte: Bin ich euch zu alt oder zu unsympathisch?, bekam ich zur Antwort: ‚Keines von beidem, nur zu teuer!’“
Als Rickmers seine Schiffe verkaufte, fuhr er bei Reederei Fuchs in Wischhafen im Islanddienst. Jetzt fahren auf diesem Schiff nur noch philippinische Seeleute.
Zuletzt arbeitete er auf MS „HANS LEHMANN“ einer Lübecker Reederei in der Kleinen Fahrt: Nord- Ostsee: Polen, Norwegen, England, Spanien. Ein Hafen nach dem anderen, immer neue Ladung: „Man kommt gar nicht mehr aus den Luken heraus. Zwei bis dreimal wöchentlich sind die Laderäume zu waschen.“ Aber er war froh, noch etwas unter deutscher Flagge zu bekommen: Von der zwölfköpfigen Besatzung waren nur zwei Mann Spanier, sonst alles Deutsche. „Wo gibt es so etwas heute noch? Aber das Schiff hatte ständig Ladung. Wir sind nie unter Ballast gefahren.“
Er wartete im Seemannsheim Krayenkamp monatelang verzweifelt auf ein neues Schiff und wurde immer wieder vertröstet. Dann machte er einen vom Arbeitsamt vermittelten Fortbildungslehrgang für Hausmeister. Er war bereits drauf und dran, sich einen Landjob zu suchen, als ihm sein Vermittler beim Arbeitsamt Hoffnungen machte: „Fiete, Du kriegst demnächst einen neuen Dampfer von mir vermittelt!“ Er wollte es nicht glauben, als es dann doch klappte. Seither fährt er schon einige Monate unter deutscher Flagge im Nord- Ostseebereich. Der Kapitän, selber Eigner des Schiffes, ist mit ihm zufrieden und hält ihn an Bord. „Es ist hartes Brot. Wir laufen fast jeden Tag einen anderen Hafen an. Im Winter bei bis zu 20° Frost die Lukendeckel zu öffnen, ist kein Kinderkram. In meinem Alter wird es mir verdammt schwer. Ich hoffe sehr, dass ich noch so lange durchhalte, bis ich mit 55 die Seemannsrente bekomme. Dann werde ich nach Norwegen übersiedeln. Seit 17 Jahren habe ich eine norwegische Freundin.“ Das ist die große Liebe. Er hatte die in Stavanger lebende Schiffs-Stewardess in Chile kennen gelernt. Sie schreiben sich regelmäßig und telefonieren fast jede Woche einmal miteinander, wenn es sich einrichten lässt. Kürzlich besuchte er die Freundin für eine Woche in Bergen. Sie war auch schon bei ihm in Hamburg und wohnte mit in seinem Zimmer im Seemannsheim.
Ab und zu besucht er seine Schwester, die in der Lüneburger Heide lebt. Sonst wohnt er an Land in Seemannsheimen, mal in Bremerhaven, mal am Krayenkamp in Hamburg. Die deutschen Seemannsclubs in Valparaiso / Chile, Douala / Kamerun und Piräus in Griechenland hat er in guter Erinnerung.
In seiner Freizeit sieht er gerne fern, an Bord Videofilme oder geht zum Schwimmen. „Früher auf den Hansa-Schiffen ging's jeden Tag in den Swimmingpool, der täglich mit frischem Seewasser aufgefüllt wurde.“
Seemann mit Leib und Leben
Günter Schröder (†) wurde am 1. Mai 1940 in Bresinke in Hinterpommern geboren. Eigentlich hätte er Hoferbe werden sollen, nachdem der Vater nach drei Töchtern endlich seinen Stammhalter bekam. Aber Hitlers verlorener Krieg bestimmte ihm einen anderen Weg mit Flucht und Verlust der Heimat. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er den Kochberuf. Um die Jahreswende 1957/58 kam Günter nach Hamburg, um zur See zu fahren. Er wohnte vorübergehend bei Verwandten: Sein Vetter fuhr damals als 1.Nautischer Offizier zur See. „Da ich von der „Kocherei“ die Schnauze voll hatte, wollte ich, wie mein Cousin, ebenfalls die Deckslaufbahn einschlagen und stieg also auf einem Kümo als Deckmoses ein. Auf diesen kleinen Schiffen war es immer so, dass der Moses die Kombüsenarbeit machen musste. Auf den Küstenmotorschiffen konnten von den etwa sechs Crewmitgliedern alle schlecht und recht ein Essen zusammenschustern. Bereits damals gab es also schon so etwas wie Mehrzweckeinsatz, denn auch Kapitän, Steuermann und Matrose mussten neben ihrer Brücken- oder Deckarbeit auch ohne entsprechende Ausbildung die Maschine warten können. Durch meine Fachkenntnisse als Koch war ich sozusagen „King“ auf diesem „Schlickrutscher“, denn es kam wohl kaum mal vor, dass ein anmusternder Moses gelernter Koch war. Nach der ersten Fahrzeit auf besagtem Kümo wohnte ich in Hamburg-Altona in der Großen Elbstraße nahe am berühmten Fischmarkt im Seemannsheim. Dort ganz in der Nähe war damals noch der Fischereihafen. Eines Tages, es war im Jahre 1958, kam Seemannspastor Kiseritzky zu mir, und besabbelte mich, auf einem Fischereifahrzeug vom Typ „Seitenklatscher“, wie die Seeleute ihn nannten, als jüngster Vollkoch der deutschen Flotte einzusteigen. Diese Schiffstypen, bei denen die Scheerblöcke und das Netz auf der Steuerbordseite weggehievt wurden, sind schon lange ausgestorben, man findet sie heute nicht mal mehr in Schiffsmuseen.
Mir war damals schon bekannt, dass die „Fischdampferfahrer“ nicht mit Frachtschiffseeleuten zu vergleichen waren und ein besonders raues „Volk“ darstellten. Man muss aber wissen, dass es an Bord dieser Fischereischiffe arbeitsmäßig sehr sehr hart zuging. Ich kam also mit gemischten Gefühlen und zitternden Knien an Bord und blieb dort auch nicht lange, aber über diese Zeit könnte ich ein kleines Buch schreiben! Die Fahrt ging also zu den Fangplätzen. Auf Herings- oder Frischfischfang wurde Tag und Nacht gearbeitet, bis das Schiff voll beladen war. Ich habe selbst gesehen, wie Matrosen, aber auch die Brückenwache, Kapitän und Steuermann vor Müdigkeit