Die Leiden des Schwarzen Peters. Till Angersbrecht

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Die Leiden des Schwarzen Peters - Till Angersbrecht

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konnte, und zwar geschmückt mit einer prächtig glänzenden, samtigen, schokoladebraunen bis ebenholzschwarzen Haut. Was hat ihm, möchte ich euch fragen, nur den Spleen eingegeben, von welcher Gier wurde er damals getrieben, als er die heiteren Savannen verließ, um sich in Richtung Norden aufzumachen? Dort, in den frostigen Zonen, hatten sich doch längst andere Bewohner niedergelassen; das furchtbare Mammut zum Beispiel, die grässlichen Säbeltiger und ähnliche Ungeheuer. Um nicht von ihnen verspeist zu werden, griff der Einwanderer zur bewährten Taktik der Evolution. Er praktizierte Mimikry. Um in den schneebedeckten Weiten nicht aufzufallen, ich meine, um für seine Feinde möglichst unsichtbar zu sein, wurde seine schöne braune Haut zunächst blasser, dann wurde sie bleich bis käsefarben, bis sie am Ende so leichenweiß war wie der Schnee.

      Nein, schöner ist der Afrikaner dabei gewiss nicht geworden! Wenn ihr euch durch eigenen Augenschein davon überzeugen wollt, dann blickt doch den Bremme an! Er wurde auch keineswegs glücklicher. Wenn ihr mir das nicht glaubt, dann schaut doch die Torbr ein leichter Wind aber verhindert, dass die Hitze drückend wurde, überhaupt war das in nsekten, ein leichter Wind aber verhin dück an! Ich für mein Teil wundere mich überhaupt nicht, dass bei manchen Völkern Weiß als Farbe des Todes gilt.

      Aber zurück zu der hier versammelten Runde! Während Bremme und Torbrück ihren knappen Wortwechsel führen, haben sich schon andere Gäste um den eichenen Tisch versammelt. Meine Aufgabe besteht darin, jedem von ihnen eines der großen goldblinkenden Gläser vor die Nase zu stellen. Die Sonne bricht an diesem Märztag hin und wieder zwischen den Wolken durch, dann bringt ihr Strahl die Gläser zum Funkeln und küsst meine Haut mit einem Hauch von Wärme, aber zwischendurch fährt der Westwind durch die Laube und lässt mich erschauern. Es kommt mir vor, als würde der Wind mit seinen kalten Fingern mir bis ins Mark unter die Haut vordringen, obwohl ich doch über dem Hemd die rotkarierte Uniform des Odysseus trage. Ich sage euch, dieses Wetter ist wirklich ein Grund, um mein eigenes und das Los der Eingeborenen zu beklagen.

      Die Geisterschachtel

      Mai, 4 Monate vor Erbauung des Gump;

      Seelentemperatur: jaulender Wildhund;

      Geisterkontakt: keine Verbindung;

      Witterung: zum ersten Mal einschmeichelnd warm.

      Inzwischen weile ich schon zwei Monate in der Fremde, wo ich täglich den Mächtigen dieser Stadt aufwarte, die gerade wieder im Begriff sind, ihre vorbestellten Plätze zu besetzen, wobei ich - beinahe unsichtbar in meinem diskreten Schokoladenbraun und unbemerkt auch schon aufgrund meiner Stellung als dienendes Element - diesen Gesprächen mit feinem Ohr lausche; nein, es entgeht mir fast nichts, ich bin ja, um es ganz offen auszusprechen, eine Art von Spion mit dem Auftrag, ein Rätsel aufzuhellen, nämlich die wundersame, manchen völlig unbegreifliche Geistesverfassung der Menschen von Goldenberg.

      Wie gesagt, befinde ich mich mittlerweile schon nahezu drei Monate unter den Einheimischen und kann euch versichern, dass mein Staunen seitdem nur gewachsen ist - nein, aus dem Staunen ist sogar eine sich ständig steigernde Verwirrung geworden, denn wie gefährlich ich hier in Wahrheit lebe, das weiß ich erst, seitdem ich das große, leere Haus mit der in der Sonne funkelnden Spitze aufsuchte, ich meine die Geisterschachtel. Meine Mission macht mir diese Kühnheit zur Pflicht, ich muss einfach wissen, was sie da an ihren Feier- und Sonntagen so treiben.

      Was ich dort erlebte, ist wahrhaft seltsam genug! Die Leute verändern sich dabei so sehr, dass ihr sie kaum wiedererkennen würdet. Der Stadtobere und, wie ich glaube, mein Gönner, Bürgermeister Bremme zum Beispiel und der Chemiker Angus Saase haben, solange sie im Odysseus sitzen, der zweite eine unangenehm schnarrende Stimme, so wie wenn jemand mit einer Säge Pappe schneidet, der erste ein Fistelorgan, so wie wenn einem Anfänger der Bogen auf einer Geigensaite ausrutscht.

      Wie gesagt, so kenne ich sie aus der Laube an den Gasttischen des Odysseus, aber in der Kirche waren sie völlig verwandelt, nicht wiederzuerkennen, einfach von Grund auf ausgewechselt! Beide hatten dort weit geöffnete Münder, es sah wirklich unheimlich aus, aber sie öffneten sie nicht, um zu schnarren bzw. um auf der Saite eines Streichinstruments ungeschickt auszurutschen, sondern um aus voller Brust ihre Verehrung für den Geist in den Raum zu schmettern – so etwas habe ich in meinem Leben noch nie gesehen und auch niemals gehört. Dabei schienen sie richtig glücklich zu sein wie kleine Kinder, denen man mit süßen Näschereien gerade eine besondere Freude macht; einigen unter den Singenden rannen sogar Tränen über die Wangen.

      Ja, und das gewaltige Schiff der großen Backsteinschachtel erbebte von all dem Gesang, nur ich allein brachte es nicht fertig, inmitten der donnernden Hallelujas auch nur meinen Mund zu öffnen. Fremd und einsam kam ich mir in all dieser Fröhlichkeit vor, denn ich kannte ja weder das Lied noch den Text, und überhaupt bin ich derartige Sangesweisen ja gar nicht gewohnt. Dennoch habe ich ganz unten in der Tiefe meines Magens so etwas wie ein merkwürdiges Ziehen verspürt, sehnsuchtsvoll und beängstigend zugleich. Ich konnte mich einer gewissen Bewunderung gar nicht erwehren, denn ich dachte bei mir:

      Aha, hier in diesem sonst ganz leerstehenden Haus treffen sie also einmal in der Woche zusammen, um zu vergessen, dass sie sich sonst jeden Tag aneinander reiben, streiten und ärgern. Hier versöhnen sie sich, indem sie die Münder ganz weit aufsperren und gemeinsam ihre Lieder zum Himmel schmettern. Hier, dachte ich, werden sie für eine Stunde zu edlen Menschen.

      So dachte ich, bevor ich meinen Irrtum erkannte, bevor ich von solchen Illusionen geheilt worden bin. Nein, die Goldenberger führen, so kann ich euch jetzt aus eigener Erfahrung berichten, ganz gewiss keine harmlose Existenz, nicht einmal in der großen Gottesschachtel. Keineswegs sind sie so edelmütig, so lieb, so friedvoll, so gut, wie ich wähnte, nachdem ich meine Furcht vor der erstmaligen Begrüßung durch Bremme überwunden hatte und mich in ihrer Mitte beinahe sicher dünkte. Seit ich sie im Inneren ihres Geisterhauses beobachtet habe, dort wo die Frau Pastor herrscht und der angerufene Geist vielleicht ja das eine oder andere Mal auch zu Besuch erscheint – persönlich habe ich ihn freilich nicht sehen können -, trage ich ein furchtbares Geheimnis mit mir herum: Die Goldenberger, und zwar ausnahmslos alle, neigen einem furchtbaren Laster zu.

      Diese Erkenntnis hat mir keine Ruhe gelassen, unbedingt wollte ich die Frau Pastor nach der Wahrheit fragen, an die ich mich aber vorsichtig herantasten musste, denn wir wissen ja, dass niemand sie geradeheraus bezeugt, wenn man sie mit Schraubzwingen aus ihm herauspressen will. Ich habe daher – natürlich einige Zeit nach diesem ersten Besuch – nach der Art der Wesen gefragt, die sie dort besingen und verehren, und dabei klärte mich die Pastorin auf, dass es sich insgesamt um nicht weniger als drei Geister handelt: Vater, Sohn und heiliger Geist. Der Sohn sei stets anwesend, denn jeder könne ihn an dem kreuzförmigen Gestell ganz vorn im Gotteshaus sehen, der Vater, so sagte sie, sei aber für die ganze Welt zuständig, der wohne deswegen in den Weiten des Universums. Näheres konnte mir die Torbrück trotz meines hartnäckigen Fragens nicht sagen. Aus Höflichkeit unterließ ich es, sie darauf hinzuweisen, dass der Vater für meine Heimat ganz gewiss nicht zuständig sei, denn da gebe es andere Geister, Loso zum Beispiel, meinen Schutzengel, von dem sie aber leider nichts weiß, denn die Goldenberger denken ja nicht über den Horizont der eigenen Stadt hinaus.

      Das dritte Wesen, das sie hier verehren, sei der heilige Geist, fügte sie noch hinzu, der liebe es, sich in Gestalt einer weißen Taube zu manifestieren. Ihr könnt euch denken, liebe Ältesten, dass ich bei jeder Gelegenheit, wenn ich danach einen Blick auf die Geistschachtel warf, nach der weißen Taube Ausschau gehalten habe, allerdings ohne Erfolg, denn eine solche habe ich weder in der großen Schachtel selbst noch in ganz Goldenberg jemals entdecken können. Euch gegenüber kann ich bezeugen, dass die Stadt vom Heiligen Geist völlig verlassen ist.

      So bleibt als einziger Bewohner, dessen Gegenwart ich aufgrund eigener Erfahrung

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