Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt. Michael Schenk
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»Ich frage mich, warum die Besatzung überhaupt noch abgelöst wird. Man
sollte Niyashaar schon jetzt aufgeben.«
Elgeros lachte. »Du weißt, dass das nicht geht. Bevor nicht die letzten
Häuser die Schiffe bestiegen haben, muss die Grenze noch gesichert werden.
Eine Jahreswende mag das noch dauern, aber dann werden wir endlich in die
neue Heimat reisen.«
Schon seit vielen Jahrtausenden planten die elfischen Häuser, das alte Land
zu verlassen und die künftige Heimat an den Neuen Ufern aufzusuchen. Zur
Zeit des Ersten Bundes, als die Häuser der Elfen mit den Reichen der
Menschen gegen den Schwarzen Lord und seine Orks standen, war eine
Expedition zu den Neuen Ufern aufgebrochen. Auf ihrer Rückreise erlitt sie
Schiffbruch, und nur Jalan-olud-Deshay, der Erste und Älteste des Hauses
Deshay, erreichte die alte Heimat. Aber dann ereilte ein verhängnisvolles
Schicksal die Elfen, und gelähmt durch den Fluch eines Grauen Wesens
konnte Jalan sein Wissen über die Neuen Ufer nicht mehr weitergeben. Erst
vor wenigen Jahreswenden war er von dem Fluch befreit worden, und nun
bereiteten sich die Elfen darauf vor, endgültig abzureisen.
Die Häuser der See bauten die notwendigen Schiffe, und Vorräte wurden
angelegt und an Bord gebracht, denn die Reise würde lange dauern, und viele
Tausend Elfen würden versorgt werden müssen. Zwei der Häuser des Waldes
waren bereits aufgebrochen, andere sammelten sich an den Weißen Sänden,
wo die Schiffe bereitlagen. Das Haus Tenadan würde zum nächsten Transport
gehören.
»Niyashaar hätte auch von der jetzigen Besatzung gehalten werden
können«, murmelte Neolaras. »Das hätte uns den Weg erspart. Ein einzelner
Bote hätte genügt.«
»Unter der Besatzung Niyashaars befinden sich Männer, die sich vor der
Reise noch der Schröpfung unterziehen müssen.«
»Hm.« Neolaras seufzte. Diesem Argument konnte er nichts
entgegensetzen.
»Seltsam. Ich kann keinen Mann auf der Mauer oder auf dem Turm
erkennen«, murmelte Neolaras ein wenig später. »Sie müssten uns doch
längst erspäht haben.«
Elgeros ließ seinen Blick über die marschierende Kolonne schweifen.
Hinter den Männern stieg Staub auf, der von ihren Füßen hochgewirbelt
wurde, und die hellblauen Umhänge der Krieger hoben sich farbenfroh von
der Umgebung ab. Die Hundertschaft war also kaum zu übersehen. Der
Bogenführer sah zum Turm des Vorpostens hinüber. »Du hast recht. Sie
müssten uns längst bemerkt haben.«
Sie waren dem Vorposten nun nahe genug, um Einzelheiten erkennen zu
können.
Niyashaar war nach den Schlachten des Ersten Bundes errichtet worden.
Zuvor hatte das mächtige Menschenreich Rushaan das Land beherrscht und
seine Grenzen geschützt, aber Rushaan war vergangen und zur Öde
geworden, und die Grenze nach Osten hatte offen gestanden. Obwohl der
Schwarze Lord bezwungen schien, hatten die Elfen den Vorposten an der
einzigen Verbindung zwischen der Ebene von Cantarim und der Öde
Rushaans erbaut. Es war ein einsamer Vorposten, weit entfernt von den
elfischen Häusern. Dennoch war seine Lage mit Bedacht gewählt worden. Er
würde niemals einem massierten Ansturm standhalten können, aber das war
auch nicht seine Aufgabe. Vielmehr sollte er Spähtrupps der Bestien aufhalten
und verhindern, dass sie nach Westen einsickerten, und er sollte einen
Vormarsch der feindlichen Armee an die fernen Häuser melden, sodass deren
Krieger sich rechtzeitig sammeln konnten. Über fünftausend Jahreswenden
hatte Niyashaar diese Aufgabe erfüllt, doch nun war der Zeitpunkt
gekommen, an dem die Anlage endgültig aufgegeben würde.
Niyashaar war ein schlichtes Mauergeviert mit wenigen Gebäuden und
einem einzelnen, alles überragenden Turm. Das einzige Tor, das aus
massigen, durch Metallbänder verstärkten Balken bestand, war nach Westen
gerichtet und lag somit auf der dem Pass von Rushaan abgewandten Seite.
Insgesamt ließ die Anlage die Eleganz der elfischen Baukunst vermissen, aber
sie erfüllte ihren Zweck.
Elgeros und die Hundertschaft der Bogenschützen konnten direkt auf das
Tor sehen, und was sie dort erkannten, gefiel ihnen nicht.
»Das Tor von Niyashaar ist offen«, sagte Neolaras mit einem grimmigen
Unterton in der Stimme.
»Und es ist beschädigt«, ergänzte Elgeros. Der Bogenführer hob einen
Arm und ließ die Kolonne haltmachen. »Schwärmt aus, ihr Elfen des Hauses
Tenadan, und achtet mir auf die Flanken. Etwas ist in Niyashaar geschehen,
und was ich sehe, macht mir Sorgen.«
Beide Flügel des nach innen aufgehenden Tores standen ein Stück weit
offen,