Narrseval in Bresel. Gerhard Gemke
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Pitbull sah ihm nach. Plötzlich wandte er sich ohne Vorwarnung an den Dicken. „Was redest du einen Stuss! Dem Patienten geht es nicht besser! Der braucht eine teure Therapie! Wofür sammeln wir denn eigentlich?“
Der kleine Dicke fror und schwitzte gleichzeitig. „J...ja, Chef.“
„Neger, Neger, Schornsteinfeger“, krähten wieder lustig die herzigen Zwillinge. Tante Adelgunde war ihnen mit watschelnden Schritten hinter den Tresen gefolgt und versuchte, sie zu ohrfeigen, verfehlte sie aber und traf stattdessen das Plakat mit dem hohläugigen Jungen, was einen spitzen Schrei des kleinen Dicken zur Folge hatte.
Während Adelgunde die Krausköpfe nun hinter dem Tresen hervor zerrte, sah Lisa, dass der seltsame Priester die Stufen von Sankt Urban hinaufstieg und sich neben einen ebenso schwarzgewandeten Mann stellte. Pastor Himmelmeyer. Die beiden schienen sich zu kennen. Und aus den Gesten des bärtigen Priesters, die eindeutig zum EDU -Stand wiesen, konnte Lisa leicht auf das Gesprächsthema schließen. Sie spürte zwei Hände, die sich in ihren Arm krallten.
„Kannst du mich jetzt verstehen?“, flüsterte Jo.
„Ich hab dich schon die ganze Zeit verstanden.“ Lisa hielt es nicht für nötig, leise zu sprechen. Auch nicht dem Pitbull aus dem Weg zu gehen, der sich nun schnaufend an ihr vorbei drängelte, Adelgunde und die Zwillinge hinterher. Erst als sie endlich außer Sicht waren, entspannte sich Jo.
„Und ich hatte gehofft, den nie wiederzusehen.“
Lisa nickte. Am EDU - Stand schimpfte gerade der lange Schwarze mit dem kleinen Schwarzen und bedachte ihn mit Ausdrücken, die selbst die Buckelsäcke hätten erröten lassen. Nur Lisa und Jo nicht. Sie waren bereits unterwegs zum Kunibald-Brunnen, schaun, ob die geballte Männlichkeit inzwischen vom Eisenritter erschlagen worden war. Kurz bevor sie den Brunnen erreichten , gellte ein Schrei über den Marktplatz, der sogar den Breselner Defiliermarsch übertönte, an dem sich die Schützenkapelle gerade versuchte.
„Tante Adelgunde!“, stöhnte Jo.
Tante Adelgunde von Breselberg-Rummelpott war schon etwas … speziell. Als Tochter von Kuno dem Kühnen vom Breselberg (1919 bis 1991) verbrachte sie ihre Jugend zusammen mit ihrer Schwester Tusnelda auf Burg Knittelstein, jener mittelalterlichen Festung auf der Spitze des Breselbergs, die der schon erwähnte Ritter Kunibald um das Jahr 1000 erbaut hatte. Beziehungsweise hatte erbauen lassen. Solche Leute bauten schon damals nicht selbst.
Vor dreizehn Jahren heiratete Adelgunde dann einen gewissen Humbert Rummelpott und zog mit ihm nach Augsburg. Ihre Zwillinge, die auf die lieblichen Namen Kurt und Knut hörten (oder nicht hörten), haben sich ja bereits unbeliebt gemacht. Tusnelda war grün vor Neid auf die jüngere Schwester gewesen und hatte alles daran gesetzt, sich den verwitweten Kaufmann Eduard zu angeln. Mitsamt seiner Tochter Josephine. Wie und warum ihr das tatsächlich gelang, darüber mag der Mantel des gnädigen Schweigens gebreitet bleiben.
Tusnelda starb vor anderthalb Jahren auf mysteriöse Weise, und es erschienen nicht viele Trauergäste an ihrem Grab. Eduard (jetzt Baron Eduard) wohnte seit dem mit seiner dritten Frau Elvira und seiner Tochter Josephine (also Jo) auf Burg Knittelstein und wurde in regelmäßigen Abständen von der Augsburger Fast-Verwandtschaft heimgesucht. Womit wir wieder bei Tante Adelgunde wären.
Man stelle sich eine wohlgenährte Dame vor, um die Fünfzig, die Locken seit neuestem zartlila gefärbt, mit zwei linken Händen und einem Handy am rechten Ohr.
„Nun geh schon dran!“ Das galt ihrem Gatten Humbert, der sich in diesem Augenblick mit dem Familienauto um Bresels Innenstadtring quälte und drei Buckelsäcke anhupte, die es sich auf seiner Motorhaube bequem gemacht hatten. Ausgerechnet jetzt klingelte sein Handy. Humbert tippte auf das Hörersymbol und verzog schmerzhaft das Gesicht, als Adelgundes Schrei seine Gehörgänge durchstach.
Was war geschehn?
Kurt und Knut – auch Kurz und Schlecht , oder einfach die Kukies , krause Locken und ebensolche Ideen darunter – hatten sich an zwei Feuerschlucker herangepirscht. Zwei sogenannte Brandkasper .
„Boah, eh!“
„Voll geil!“
Konnte man so sagen.
Die beiden lebenden Flammenwerfer jedenfalls verstanden ihr Handwerk. Sie schleuderten Lebkuchennasen zu Eins-Fünfzig von Bäcker Blume in die Luft und grillten sie im Flug. Die verkohlten Reste warfen sie den Umstehenden zu.
„Krass, Mann!“
Wieder hatte eine Nase die Feuertaufe bekommen. Und Hepp! flog sie … Das Erstaunliche war jetzt nicht, dass der Brandkasper Adelgunde ausgewählt hatte, sondern dass Adelgunde das verkohlte Teigstück tatsächlich fing! Und das bei ihren zwei nicht so geschickten Händen. Genauer: Sie fing es mit der linken Hand, denn die rechte pappte gerade das Handy ans Ohr. Und jetzt der schon beschriebene Schrei, der die Schützenkapelle übertönte und Humberts Trommelfell durchstieß.
Ein kurzer verwirrter Moment.
Dann warf Adelgunde das Teil so weit sie konnte von sich. Es landete nach circa drei Metern auf dem eisernen Hinterteil von Ritter Kunibalds Rappen, rutschte von dort durch das Schutzgitter des Marktbrunnens und verabschiedete sich in die Tiefe.
Mit der linken Hand presste Adelgunde nun die verkohlte Lebkuchennase an ihr Ohr und quiekte: „Humbert, bist du noch dran?“
Unten im Brunnenschacht betrachtete ein Frosch erstaunt das flache Ding, aus dem eine Männerstimme über irgendwelche blöden Breselner Säcke schimpfte.
Oben betrachtete Adelgunde nicht weniger erstaunt ihre leere rechte Hand.
Lechts und Rinks. Nicht immer leicht.
„Eggbert!“ Adelgunde winkte aufgeregt. „Ich brauche dringend mal dein Hääändy!“ Mit energischen Schritten näherte sie sich dem Herrn, dessen Gesicht arg an eine bullige Hunderasse erinnerte. Der Chef von
Erbarme dich unser
hatte sich Adelgunde und ihrem Anhang für diesen