Pferdesoldaten 09 - Das Kanonenboot. Michael Schenk
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All diese Dinge, die der Soldat zum leben und kämpfen benötigte, wurden wiederum mit anderen Wagenkolonnen zur Truppe gebracht oder von diesen selbst in Empfang genommen.
Coopers Landing lag direkt am Mississippi und bot den zusätzlichen Vorteil, dass die Versorgung auch auf dem Wasserweg erfolgte.
Matt Dunhills Kavallerieabteilung war mit den neuen siebenschüssigen Spencer-Karabinern bewaffnet. Eine noch neue Waffe, die spezielle Munition und röhrenartige Magazine benötigte. Dies war gleichermaßen Fluch und Segen. Die Karabiner verhalfen der Truppe zu einer überraschend hohen Feuerkraft, allerdings besaßen die kurzen Patronen eine relativ geringe Treibladung, so dass Reichweite und Durchschlagsfähigkeit geringer waren, als bei den sonstigen Karabinermodellen. Die hohe Feuerkraft machte jedoch alle Nachteile wett und die Konföderierten wären sicherlich glücklich über jedes Beutestück gewesen, wenn da nicht der Umstand gewesen wäre, dass sie über keinen Nachschub an der erforderlichen Munition verfügten.
Matt und seine Truppe sollten sich hier mit dem Munitionsnachschub für ihr fünftes Regiment versorgen und weitere neue Ausstattung erhalten. Diese bestand aus einem achteckigen schwarzen Lederköcher, der umgehängt werden konnte und zehn der röhrenförmigen Magazine enthielt. Die neuen Magazine wiesen zudem eine Vorrichtung auf, mit der sie im Kolben des Spencer-Karabiners verriegelt werden konnten. Das unabsichtliche „Herausfallen“ eines Magazins konnte damit verhindert werden.
Die „A“-, „C“- und „D“-Kompanie eskortierten mehrere Wagen, auf welche die wertvolle Fracht verladen wurde. Am folgenden Tag sollte die Rückreise zum Regiment angetreten werden, welches als Verstärkung für die Truppen von Grant vor Vicksburg beordert worden war.
Matt Dunhill war als junger Offizier in das erste Regiment der U.S.-Dragoner eingetreten. Nun diente er schon fünfundzwanzig Jahre in der berittenen Truppe, hatte gegen Banditen, Mexikaner und Indianer gekämpft und war dabei sogar Robert E. Lee begegnet, der einst die zweite U.S.-Kavallerie gegen Comanches ins Feld geführt hatte. Nun war der einstige Kommandeur der Befehlshaber des Feindes und Matts einstiger Kamerad und bester Freund, Thomas Deggar, ritt für den Süden. Auch Matts Familie hatte der Krieg auseinander gerissen. Mit seiner Frau Mary-Anne heiratete er eine echte Soldatenfrau und Südstaaten-Lady. Sie blieb getreu an seiner Seite und litt unter der Trennung zu ihrem Vater John Jay Jones, der in Virginia lebte. Der gemeinsame Sohn Mark war heimlich als Hornist in ein Freiwilligen-Kavallerieregiment eingetreten und war dort, trotz seiner Jugend, aufgrund seiner Verdienste zum Lieutenant befördert worden. Sie alle waren stolz aufeinander und zugleich betrübt, dass die Erfordernisse des Krieges nur selten eine Begegnung zuließen. Matt wusste, dass sich Mary-Anne auf besondere Weise sorgte, da Ehemann und Sohn gegen den Feind ritten.
Es war Abend und Major Matt Dunhill saß in seinem Zelt, um Briefe an seine Liebsten zu schreiben, als er ein Hüsteln und Stampfen vernahm. Beides verriet Matt, dass Wilhelm Schmittmann ein Anliegen hatte. Der Hannoveraner und ehemalige Rittmeister war erst vor Kurzem als Sergeant-Major zum Regiment gestoßen.
„Schmittmann?“
„Das ist korrekt“, kam die prompte Erwiderung. „Sir, hier sind zwei Gentlemen, die Sie zu sprechen wünschen.“
In den vergangenen Wochen hatte sich Matt mit den gebräuchlichen Kerzen beholfen, da es keine ausreichenden Vorräte an Lampenpetroleum gab. Nun konnte er den Docht seiner Lampe höher drehen, damit es im Zelt heller wurde. „Immer herein mit den Gentlemen, Sergeant-Major. Warten Sie bitte, ob ich Sie noch benötige.“
„Ja, Sir“, kam die knappe Erwiderung.
Schmittmann zog eine Klappe des Zelteingangs zur Seite und zwinkerte Matt vertraut zu, während er den Zugang für die unerwarteten Gäste offen hielt. Zwischen Dunhill und dem Deutschen hatte sich in kürzester Zeit ein besonderes Vertrauensverhältnis gebildet und der Sergeant-Major würde geduldig vor dem Zelt warten, ob Matt seine weiteren Dienste benötigte. Mit angespitzten Ohren, denn Matt wusste um das militärische Wissen des ehemaligen Rittmeisters und beriet sich inzwischen gerne mit diesem.
Überrascht sah Matt den Colonel eines Infanterieregiments und einen Navy-Offizier vor sich. „Nehmen Sie Platz, Gentlemen“, meinte er freundlich. „Offensichtlich haben Sie ein ernstes Anliegen, wenn Sie mich nach dem „Licht-Aus“-Signal aufsuchen.“
Commodore Isaac Lumbers lächelte und übernahm die Vorstellung. In seiner Begleitung war Colonel Justus Schredder, ebenfalls ein Deutscher und Befehlshaber des „Eight Regiment of New York Volunteer Infantry“, einem rein deutschen Infanterieregiment aus New York, welches zur deutschen Division von General Blenker gehörte. Blenker, Schurz und von Schenck waren deutsche Generäle, deren Truppen aus Deutschen bestanden, die sich noch gut an die gescheiterte demokratische Revolution von 1848 erinnern konnten und die es als ihre Pflicht ansahen, nun auf Seiten der Union für den Erhalt der Demokratie zu kämpfen. Mit der gleichen Überzeugung kämpften Deutsche, wenn auch in weitaus geringerer Zahl, auch für die Sache des Südens.
Zunächst überreichte Lumbers eine versiegelte Order, welche, zu Matts Verblüffung, Grants Befehl enthielt, dass Matt und sein Kontingent der fünften U.S.-Kavallerie nun Commodore Isaac Lumbers von der U.S.-Navy unterstellt seien. Nach Vollendung der Mission, die in den Befehlen nicht näher beschrieben wurde, habe sich Matt wieder bei seinem Regiment einzufinden.
Matt Dunhill faltete das Schreiben sorgfältig und steckte es dann in die Innentasche seines Dienstrocks. Die beiden Offiziere hatten ihm geduldig beim lesen zugesehen. Jetzt ließ sich Matt gegen die Lehne seines Stuhls sinken und musterte Lumbers nachdenklich. „Wenn ich das richtig verstehe, dann bin ich mit meinen Reitern nun bei der Navy der Union gelandet?“
„Zumindest mit einem Teil Ihrer Reiter, Major“, bestätigte Lumbers lächelnd. „Und Sie sind sicherlich neugierig, was Ihre Kavallerie zu einer Operation der Marine beitragen kann.“
„Das kann man wohl so sagen. Wenn Sie gestatten, Commodore?“ Matt wartete die Erwiderung nicht ab, sondern rief Schmittmann herein. „Mein Sergeant-Major war früher Schwadronsführer in Hannover“, erklärte er dem Marineoffizier. „Seine Erfahrungen könnten bei jedweder Planung nützlich sein.“
Schredder grinste erfreut und tauschte hastig ein paar Sätze in Deutsch, was Lumbers sichtlich verärgerte, der kein einziges Wort verstand. Umgekehrt gab es in der Unionsarmee zahlreiche Deutsche, die der englischen Sprache nicht mächtig waren. Man legte inzwischen großen Wert darauf, sie in der Ausbildung an die englischsprachigen Kommandos zu gewöhnen, damit sie im Gefecht auch den Befehlen eines „eingeborenen“ Amerikaners folgen konnten.
„Kommen wir zum Grund unserer Mission“, unterbrach Lumbers die beiden Deutschen schließlich. „Wir sollten den Major zunächst über die Lage informieren und darüber, welche Absicht wir verfolgen.“
Colonel Schredder errötete ein wenig. Während Matt Dunhill auf dem Stuhl an seinem „Company-Desk“, der für Kompanieoffiziere üblichen Kombination aus Tisch und Aufsatz, mit zahlreichen Fächern für Schreibmaterial und Formulare, sitzen blieb, nutzte der Commodore den einzigen zusätzlichen Stuhl, der verfügbar war. Schredder und Schmittmann mussten mit dem Feldbett des Majors Vorlieb nehmen.
Isaac Lumbers gab einen knappen, jedoch detaillierten Überblick über den bisherigen Verlauf des Vicksburg-Feldzuges und die geographischen Gegebenheiten. Er zog eine provisorische Karte aus der Jacke. Er hatte sie selbst gezeichnet und mit persönlichen Anmerkungen versehen. Die Anderen mussten anerkennen,