PORTALFEUER. Michael Stuhr

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PORTALFEUER - Michael Stuhr

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Obwohl er redete wie ein Depp, war er in der Klasse ziemlich beliebt und Jeff hatte keine Lust, es sich mit ihm zu verderben. Es reichte schon, dass er jetzt den alten Hoodson gegen sich aufgebracht hatte, da konnte er weiteren Ärger nicht gebrauchen.

      “Darwin, das war doch der, der irgendwas mit `nem Beagle gemacht hat”, quasselte Billybob weiter. “Warum hat Hoodson Darwin zu dir gesagt? Du hast doch gar keinen Hund, oder?”

      “Die ‚Beagle‘ war das Schiff, mit dem Darwin gereist ist, um die Natur zu erforschen.”

      “Ach ja?” Ganz offensichtlich fehlte Billybob jede Erinnerung. “´n Schiff, das heißt, wie´n Hund? Warum das denn?”

      “Keine Ahnung.” Jeff versuchte sich unauffällig in Richtung Ausgang zu schieben.

      “Beagle!” Billybob schüttelte den Kopf. “Verrückter Name für´n Schiff!” – Und dann sagte er etwas, das Jeff nie erwartet hätte: “Dass du sowas alles weißt, is schon Klasse! Bist ganz schön helle, was? - So, ich muss jetzt los. Na, denn mach´s man gut. Bis nach den Ferien dann.” Mit einen kräftigen Schlag auf Jeffs Schulter verabschiedete er sich und ließ seinen leicht verdutzten Klassenkameraden einfach stehen.

      “Verrückt!”, murmelte Jeff und ging zum Ausgang. Es geschah nicht oft, dass jemand ihm gegenüber seiner Bewunderung Ausdruck verlieh, und von Billybob hätte er es am wenigsten erwartet.

      Als Jeff die Schule verließ, hatte Billybob schon etliche Schritte Vorsprung und steuerte auf sein altes Mustang-Cabrio zu, das auf dem Parkplatz in der Sonne stand. Zwei Mädchen und ein Junge saßen schon im Wagen und warteten darauf, dass die Fahrt endlich losging. Das sah ganz nach einem vergnügten Start in die Ferien aus, den die vier sich jetzt machen würden, und Jeff spürte einen Anflug von Neid. Der ließ aber schnell nach, als er sah, wer sich da alles zu einer Spritztour versammelt hatte: Alles Leute, für die „Phoenix“ nur der Name eines Weltraum-Abfangjägers war und die den Orinoco wahrscheinlich für einen Halbbruder von Godzilla hielten. Jeff wusste genau, dass er in so einer Gesellschaft nach spätestens einer halben Stunde Schreikrämpfe gekriegt hätte, und so registrierte er kaum noch, wie Billybob elegant hinter das Steuer jumpte und der Mustang mit wimmernden Reifen vom Hof kurvte.

      Dank der neuen Zündkerze sprang der Scooter schon beim ersten Knopfdruck an und Jeff nutzte die Heimfahrt durch den warmen Nordtexas-Wind, um sich ein paar Gedanken zu machen:

      Hoodson hatte seine Ehre angegriffen, und das war etwas, das Jeff sehr schlecht vertrug. Es hatte all seine Kraft gekostet, um sachlich zu bleiben. Aber darüber hinaus hatte Hoodson auch noch versucht, ihn vor der ganzen Klasse lächerlich zu machen; und Jeff hatte sich vorgenommen, diesem Ekel zu beweisen, dass es solche Tiere tatsächlich gab.

      Sie hatten über ihn gelacht! - Irgendwie musste er es schaffen, in den Ferien an so ein Pseudo-Insekt zu kommen und es dann einfrieren, um es Hoodson und der ganzen Klasse zu zeigen. Vielleicht wusste sein Vater ja etwas über diese Art von Tier.

      Je länger Jeff nachdachte, um so überzeugter war er davon, dass sein Dad diese Biester kannte – und zwar von seiner Arbeit bei der Moulder-Oil-Company. Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit hatte sich das Biest dort in den Wagen verirrt und er hatte es unabsichtlich mit in die Stadt gebracht.

      Jeff beschloss, seinen Vater danach zu fragen. Vielleicht konnte er ja noch so ein Tier mitbringen. – Diesmal mit Absicht.

      Und wenn das nicht gelang? Wenn er sich nicht darauf einließ? Dann blieb Jeff nur der Trost, dass das heute der letzte Schultag gewesen war und dass die Klasse den Vorfall nach den Sommerferien vielleicht vergessen hatte.

      Was das Vergessen anging, da hatte Jeff allerdings selbst so seine Schwierigkeiten, aber es war nicht der Ärger über die ungerechte Behandlung durch Mister Hoodson, der ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Der Lehrer hatte etwas gesagt, das sich immer wieder in Jeffs Bewusstsein drängte und in seinen Gedanken herumschwirrte, wie ein großer, fetter schwarzer Brummer. Es war nur ein einziges Wort gewesen, aber das hatte Jeffs Gedanken in völlig neue Bahnen gelenkt. Dieses eine Wort lautete: ‚Mutation‘.

      KAPITEL 4

       FREITAG, 04:00 PM

       UNFALL

      ‚Mutation‘. Für Billybob und seine Freunde waren Mutanten wahrscheinlich Menschen, die Blitze aus den Augen schleudern konnten, oder sonstige übernatürliche Kräfte hatten, wie in den billigen Serien, die jeden Abend im Fernsehen liefen. Echte Mutationen kamen dagegen ohne solche Effekte aus und waren so unspektakulär, dass sie den meisten Menschen niemals auffielen. Es verging kein Tag, an dem nicht irgendwelche Wesen auf die Welt kamen, bei denen die genetischen Baupläne ein wenig durcheinander geraten waren. Das Auftauchen einer einzelnen weißen Feder im Gefieder eines ansonsten schwarzen Vogels war schon eine Mutation. Wenn diese Mutation dem Tier eine bessere Überlebenschance brachte, würde es sich häufig fortpflanzen, und es würde in Zukunft viele schwarze Vögel mit einer weißen Feder geben. Fiel die Mutation eher negativ für das Tier aus, dann würde sie sich nicht vererben und alle schwarzen Vögel würden auch in Zukunft schwarz bleiben. Das Ganze war seit Jahrmillionen so eine Art Würfelspiel der Natur, in dem winzige, zufällige Veränderungen sich entweder bewährten oder nicht. Es hatte nie ein besonderer Plan dahinter gesteckt, nie die Absicht, ein Lebewesen bewusst zu verbessern – bis die Menschen sich Zugriff auf die Gene verschafft hatten.

      Der Film: ‚Die Fliege‘ fiel Jeff ein, wo ein Wissenschaftler sich in einem selbst entwickelten Materietransporter zufällig Insektengene einfängt und nach und nach zu einer Riesenfliege mutiert. Das war natürlich höherer Blödsinn, aber der Film war in sich absolut logisch, und wer wollte sagen, ob so etwas Ähnliches nicht doch schon irgendwo mal versucht worden war. Dieses Pseudo-Insekt aus dem Suburban hatte auf jeden Fall eine gewisse Ähnlichkeit mit dem unglücklichen Wissenschaftler im Endstadium seiner Verwandlung gehabt, wenn es natürlich auch viel kleiner gewesen war.

      ‚Unglücklich‘, das war ein Wort, das passte. Eine unglückliche Mischung unpassender Gene! Halb Spinne und halb Hornisse, oder sonst was. Das Tier hatte keinen sehr lebensfähigen Eindruck gemacht, als es auf Paddys Arm herumgetaumelt war. – Und wozu schleppte es Flügel mit sich herum, wenn es sie nicht benutzt hatte, um zu fliehen? Wo kam diese graue Färbung her und warum hatten die Flügel so ausgesehen, als seien sie aus dünnem, weichem Leder?

      Je länger Jeff über die Sache nachdachte, um so überzeugter war er davon, dass da jemand versucht hatte, der Natur kräftig ins Handwerk zu pfuschen. Es waren einfach zu viele Unterschiede zu normalen Insekten auf einmal, als dass es eine natürliche Mutation hätte sein können. – Und da gab es doch diese Moulder-Oil-Laboratorys...

      “Du bist ganz schön helle, was?”, fielen Jeff Billybobs Worte wieder ein. Im Moment war er bereit das zu glauben, aber außer weiteren Schwierigkeiten würde ihm das wohl nicht viel einbringen, denn er war jetzt überzeugt davon, dass die M.O.C, der Arbeitgeber seines Vaters, etwas mit der Existenz dieses Tieres zu tun hatte.

      Entschlossen drehte Jeff den Gasgriff auf Anschlag und ließ den kleinen Roller die Mainstreet von Moulder entlang zischen. Sein Vater musste bald vom Dienst kommen und dann würde Jeff ihn direkt fragen, ob ihm etwas über gentechnische Experimente in den Labors der Moulder-Oil bekannt war. Es würde schwierig werden, das war Jeff klar, denn sein Dad sprach so gut wie nie über seine Arbeit. “Ich werde dafür bezahlt, dass ich aufpasse und den Mund halte, also passe ich auf und halte den Mund!”, war sein Lieblingsspruch, wenn er gefragt wurde, aber das wollte Jeff diesmal nicht gelten lassen. Hoodson hatte versucht, ihn vor der ganzen Klasse lächerlich zu machen, und Jeff war immer noch

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